Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Belagerung von Magdeburg.
dabei so kecklich vor, daß er selber in die Hände der Feinde
fiel (20 Dec. 1551); unter ungeheurem Getümmel -- gern
hätten die Weiber den Tod ihrer Männer an ihm gerochen
-- ward er in des Kämmerers Haus zum Lindwurm in
Gewahrsam gebracht. Bald darauf ward freilich dagegen in
dem feindlichen Lager Freude geschossen, weil jener Haufe
zerstreut worden, von dem man eine Gegenwirkung besorgt
hatte; Churfürst Moritz kam von seinem Zuge wieder und
schlug zu den vier bereits vorhandenen ein fünftes Lager
vor der Stadt: die Scharmützel giengen nicht immer glück-
lich: auch die Geschütze der Feinde machten Wirkung, und
fällten unter andern die Zinnen des Jacobi Thurmes; nach
und nach dachte man doch daran, ob man nicht die Ar-
men zu entfernen habe; man fühlte die Gefahr in der man
sich befand.

Und nun läßt sich denken, welche Theilnahme dieser
Kampf, eben das Schwanken des Kriegsglücks und die Un-
gewißheit der Entscheidung bei so viel Muth und Tapfer-
keit in der Nation erregte. Wir haben heitere und ironi-
sche Volkslieder in alten schwungvollen Weisen übrig, worin
der Widerstand gepriesen ward, den das hochgewehrte Haus,
die werthe Stadt den fremden Gästen leiste, den Pfaffen-
knechten: "will der Kaiser den Wein trinken der auf dem
Markte zu Magdeburg im Fasse liegt, so muß er selbst ein
Landsknecht werden; will Herzog Moritz die goldnen Schwer-
ter haben, die ihn erst zu einem Churfürsten machen, so muß
er sie da von den Mauern holen; indessen winden die Jung-
frauen ihre Kränze für den alten Churfürsten, dessen Gemah-
lin und den Grafen Albrecht, der das Beste gethan." Roger

Belagerung von Magdeburg.
dabei ſo kecklich vor, daß er ſelber in die Hände der Feinde
fiel (20 Dec. 1551); unter ungeheurem Getümmel — gern
hätten die Weiber den Tod ihrer Männer an ihm gerochen
— ward er in des Kämmerers Haus zum Lindwurm in
Gewahrſam gebracht. Bald darauf ward freilich dagegen in
dem feindlichen Lager Freude geſchoſſen, weil jener Haufe
zerſtreut worden, von dem man eine Gegenwirkung beſorgt
hatte; Churfürſt Moritz kam von ſeinem Zuge wieder und
ſchlug zu den vier bereits vorhandenen ein fünftes Lager
vor der Stadt: die Scharmützel giengen nicht immer glück-
lich: auch die Geſchütze der Feinde machten Wirkung, und
fällten unter andern die Zinnen des Jacobi Thurmes; nach
und nach dachte man doch daran, ob man nicht die Ar-
men zu entfernen habe; man fühlte die Gefahr in der man
ſich befand.

Und nun läßt ſich denken, welche Theilnahme dieſer
Kampf, eben das Schwanken des Kriegsglücks und die Un-
gewißheit der Entſcheidung bei ſo viel Muth und Tapfer-
keit in der Nation erregte. Wir haben heitere und ironi-
ſche Volkslieder in alten ſchwungvollen Weiſen übrig, worin
der Widerſtand geprieſen ward, den das hochgewehrte Haus,
die werthe Stadt den fremden Gäſten leiſte, den Pfaffen-
knechten: „will der Kaiſer den Wein trinken der auf dem
Markte zu Magdeburg im Faſſe liegt, ſo muß er ſelbſt ein
Landsknecht werden; will Herzog Moritz die goldnen Schwer-
ter haben, die ihn erſt zu einem Churfürſten machen, ſo muß
er ſie da von den Mauern holen; indeſſen winden die Jung-
frauen ihre Kränze für den alten Churfürſten, deſſen Gemah-
lin und den Grafen Albrecht, der das Beſte gethan.“ Roger

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0199" n="187"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Belagerung von Magdeburg</hi>.</fw><lb/>
dabei &#x017F;o kecklich vor, daß er &#x017F;elber in die Hände der Feinde<lb/>
fiel (20 Dec. 1551); unter ungeheurem Getümmel &#x2014; gern<lb/>
hätten die Weiber den Tod ihrer Männer an ihm gerochen<lb/>
&#x2014; ward er in des Kämmerers Haus zum Lindwurm in<lb/>
Gewahr&#x017F;am gebracht. Bald darauf ward freilich dagegen in<lb/>
dem feindlichen Lager Freude ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en, weil jener Haufe<lb/>
zer&#x017F;treut worden, von dem man eine Gegenwirkung be&#x017F;orgt<lb/>
hatte; Churfür&#x017F;t Moritz kam von &#x017F;einem Zuge wieder und<lb/>
&#x017F;chlug zu den vier bereits vorhandenen ein fünftes Lager<lb/>
vor der Stadt: die Scharmützel giengen nicht immer glück-<lb/>
lich: auch die Ge&#x017F;chütze der Feinde machten Wirkung, und<lb/>
fällten unter andern die Zinnen des Jacobi Thurmes; nach<lb/>
und nach dachte man doch daran, ob man nicht die Ar-<lb/>
men zu entfernen habe; man fühlte die Gefahr in der man<lb/>
&#x017F;ich befand.</p><lb/>
          <p>Und nun läßt &#x017F;ich denken, welche Theilnahme die&#x017F;er<lb/>
Kampf, eben das Schwanken des Kriegsglücks und die Un-<lb/>
gewißheit der Ent&#x017F;cheidung bei &#x017F;o viel Muth und Tapfer-<lb/>
keit in der Nation erregte. Wir haben heitere und ironi-<lb/>
&#x017F;che Volkslieder in alten &#x017F;chwungvollen Wei&#x017F;en übrig, worin<lb/>
der Wider&#x017F;tand geprie&#x017F;en ward, den das hochgewehrte Haus,<lb/>
die werthe Stadt den fremden Gä&#x017F;ten lei&#x017F;te, den Pfaffen-<lb/>
knechten: &#x201E;will der Kai&#x017F;er den Wein trinken der auf dem<lb/>
Markte zu Magdeburg im Fa&#x017F;&#x017F;e liegt, &#x017F;o muß er &#x017F;elb&#x017F;t ein<lb/>
Landsknecht werden; will Herzog Moritz die goldnen Schwer-<lb/>
ter haben, die ihn er&#x017F;t zu einem Churfür&#x017F;ten machen, &#x017F;o muß<lb/>
er &#x017F;ie da von den Mauern holen; inde&#x017F;&#x017F;en winden die Jung-<lb/>
frauen ihre Kränze für den alten Churfür&#x017F;ten, de&#x017F;&#x017F;en Gemah-<lb/>
lin und den Grafen Albrecht, der das Be&#x017F;te gethan.&#x201C; Roger<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0199] Belagerung von Magdeburg. dabei ſo kecklich vor, daß er ſelber in die Hände der Feinde fiel (20 Dec. 1551); unter ungeheurem Getümmel — gern hätten die Weiber den Tod ihrer Männer an ihm gerochen — ward er in des Kämmerers Haus zum Lindwurm in Gewahrſam gebracht. Bald darauf ward freilich dagegen in dem feindlichen Lager Freude geſchoſſen, weil jener Haufe zerſtreut worden, von dem man eine Gegenwirkung beſorgt hatte; Churfürſt Moritz kam von ſeinem Zuge wieder und ſchlug zu den vier bereits vorhandenen ein fünftes Lager vor der Stadt: die Scharmützel giengen nicht immer glück- lich: auch die Geſchütze der Feinde machten Wirkung, und fällten unter andern die Zinnen des Jacobi Thurmes; nach und nach dachte man doch daran, ob man nicht die Ar- men zu entfernen habe; man fühlte die Gefahr in der man ſich befand. Und nun läßt ſich denken, welche Theilnahme dieſer Kampf, eben das Schwanken des Kriegsglücks und die Un- gewißheit der Entſcheidung bei ſo viel Muth und Tapfer- keit in der Nation erregte. Wir haben heitere und ironi- ſche Volkslieder in alten ſchwungvollen Weiſen übrig, worin der Widerſtand geprieſen ward, den das hochgewehrte Haus, die werthe Stadt den fremden Gäſten leiſte, den Pfaffen- knechten: „will der Kaiſer den Wein trinken der auf dem Markte zu Magdeburg im Faſſe liegt, ſo muß er ſelbſt ein Landsknecht werden; will Herzog Moritz die goldnen Schwer- ter haben, die ihn erſt zu einem Churfürſten machen, ſo muß er ſie da von den Mauern holen; indeſſen winden die Jung- frauen ihre Kränze für den alten Churfürſten, deſſen Gemah- lin und den Grafen Albrecht, der das Beſte gethan.“ Roger

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/199
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/199>, abgerufen am 27.04.2024.