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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Belagerung von Magdeburg. Reichsvorrath.
wollte wissen, der Deutschmeister lege alle Jahr die Hälfte
seiner Einkünfte zurück, und habe schon eine bedeutende Baar-
schaft in Lübek, um demnächst einen Anfall zu versuchen;
es waren Anordnungen getroffen demselben zu begegnen.

Indessen fühlte sich der Kaiser weder unbeschäftigt noch
gesund genug, um auf diese Gedanken einzugehn: nochmals
einen deutschen Krieg auf seine eigenen Kosten zu unterneh-
men, war auch er nicht geneigt. Er stimmte bei, wenn am
Reichstag der Beschluß durchgieng, daß der Krieg im Namen
und auf Kosten des Reiches, durch Churfürst Moritz, ge-
führt werden sollte. Er bewilligte selbst, daß das Geld hiezu
fürs Erste aus dem indeß aufgebrachten und in den Lege-
städten gesammelten Vorrath genommen werden sollte. Da-
gegen versprach man auch ihm, zur Ersetzung des Entnom-
menen zu schreiten, sobald man nur ungefähr wisse, wie viel
die Belagerung kosten werde, und setzte hiezu sogleich eine
besondre Versammlung an. 1 Das Geld sollte dem Chur-
fürsten nicht in die Hand gegeben, sondern von einem Reichs-
pfennigmeister verwaltet werden: Lazarus Schwendi ward
als kaiserlicher Commissarius in das Lager geschickt.

Es war nicht ein Executionskrieg, wie ihn öfter ein
und der andre Fürst übernommen, sondern ein förmlicher
Reichskrieg, nur unter dem Oberbefehl eines mächtigen Für-
sten, von dem man jedoch hiebei in Erinnerung brachte daß
er zugleich Reichserzmarschall sey, durch welchen Magdeburg
angegriffen ward. Wenn es unterlag, so wurden die Reichs-

1 Briefe und Acten sind davon voll, wie schwer man dazu
schritt. Arras erklärte: "das die ks. Mt von dem vorrath keinen hel-
ler nhemen würde lassen, die ersetzung wurde dann itzo alsbald und
auf kurtze fristen gewilliget." Carlowitz an Moritz 9 Dec. (Dr A.)

Belagerung von Magdeburg. Reichsvorrath.
wollte wiſſen, der Deutſchmeiſter lege alle Jahr die Hälfte
ſeiner Einkünfte zurück, und habe ſchon eine bedeutende Baar-
ſchaft in Lübek, um demnächſt einen Anfall zu verſuchen;
es waren Anordnungen getroffen demſelben zu begegnen.

Indeſſen fühlte ſich der Kaiſer weder unbeſchäftigt noch
geſund genug, um auf dieſe Gedanken einzugehn: nochmals
einen deutſchen Krieg auf ſeine eigenen Koſten zu unterneh-
men, war auch er nicht geneigt. Er ſtimmte bei, wenn am
Reichstag der Beſchluß durchgieng, daß der Krieg im Namen
und auf Koſten des Reiches, durch Churfürſt Moritz, ge-
führt werden ſollte. Er bewilligte ſelbſt, daß das Geld hiezu
fürs Erſte aus dem indeß aufgebrachten und in den Lege-
ſtädten geſammelten Vorrath genommen werden ſollte. Da-
gegen verſprach man auch ihm, zur Erſetzung des Entnom-
menen zu ſchreiten, ſobald man nur ungefähr wiſſe, wie viel
die Belagerung koſten werde, und ſetzte hiezu ſogleich eine
beſondre Verſammlung an. 1 Das Geld ſollte dem Chur-
fürſten nicht in die Hand gegeben, ſondern von einem Reichs-
pfennigmeiſter verwaltet werden: Lazarus Schwendi ward
als kaiſerlicher Commiſſarius in das Lager geſchickt.

Es war nicht ein Executionskrieg, wie ihn öfter ein
und der andre Fürſt übernommen, ſondern ein förmlicher
Reichskrieg, nur unter dem Oberbefehl eines mächtigen Für-
ſten, von dem man jedoch hiebei in Erinnerung brachte daß
er zugleich Reichserzmarſchall ſey, durch welchen Magdeburg
angegriffen ward. Wenn es unterlag, ſo wurden die Reichs-

1 Briefe und Acten ſind davon voll, wie ſchwer man dazu
ſchritt. Arras erklaͤrte: „das die kſ. Mt von dem vorrath keinen hel-
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auf kurtze friſten gewilliget.“ Carlowitz an Moritz 9 Dec. (Dr A.)
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[183/0195] Belagerung von Magdeburg. Reichsvorrath. wollte wiſſen, der Deutſchmeiſter lege alle Jahr die Hälfte ſeiner Einkünfte zurück, und habe ſchon eine bedeutende Baar- ſchaft in Lübek, um demnächſt einen Anfall zu verſuchen; es waren Anordnungen getroffen demſelben zu begegnen. Indeſſen fühlte ſich der Kaiſer weder unbeſchäftigt noch geſund genug, um auf dieſe Gedanken einzugehn: nochmals einen deutſchen Krieg auf ſeine eigenen Koſten zu unterneh- men, war auch er nicht geneigt. Er ſtimmte bei, wenn am Reichstag der Beſchluß durchgieng, daß der Krieg im Namen und auf Koſten des Reiches, durch Churfürſt Moritz, ge- führt werden ſollte. Er bewilligte ſelbſt, daß das Geld hiezu fürs Erſte aus dem indeß aufgebrachten und in den Lege- ſtädten geſammelten Vorrath genommen werden ſollte. Da- gegen verſprach man auch ihm, zur Erſetzung des Entnom- menen zu ſchreiten, ſobald man nur ungefähr wiſſe, wie viel die Belagerung koſten werde, und ſetzte hiezu ſogleich eine beſondre Verſammlung an. 1 Das Geld ſollte dem Chur- fürſten nicht in die Hand gegeben, ſondern von einem Reichs- pfennigmeiſter verwaltet werden: Lazarus Schwendi ward als kaiſerlicher Commiſſarius in das Lager geſchickt. Es war nicht ein Executionskrieg, wie ihn öfter ein und der andre Fürſt übernommen, ſondern ein förmlicher Reichskrieg, nur unter dem Oberbefehl eines mächtigen Für- ſten, von dem man jedoch hiebei in Erinnerung brachte daß er zugleich Reichserzmarſchall ſey, durch welchen Magdeburg angegriffen ward. Wenn es unterlag, ſo wurden die Reichs- 1 Briefe und Acten ſind davon voll, wie ſchwer man dazu ſchritt. Arras erklaͤrte: „das die kſ. Mt von dem vorrath keinen hel- ler nhemen wuͤrde laſſen, die erſetzung wurde dann itzo alsbald und auf kurtze friſten gewilliget.“ Carlowitz an Moritz 9 Dec. (Dr A.)

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/195>, abgerufen am 27.04.2024.