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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Reformation in England.
Deutschland, daß damals das Werk eines Mönches aus dem
9ten Jahrhundert, der immer unter den rechtgläubigen Kirchen-
schriftstellern aufgeführt worden, das Buch des Ratramnus
von Corbei über Leib und Blut unsers Herrn, bekannt ward,
worin nicht allein die Brotverwandlung verworfen, sondern die
leibliche Gegenwart überhaupt geleugnet, und diese Ansicht ei-
nem mächtigen König der damaligen Welt, Carl dem Kahlen,
als die wahrhaft katholische bezeichnet wird. 1 Einer der Füh-
rer der Reformation, Nicolaus Ridley, studirte diese Schrift
auf seiner Landpfarre in Kent, und durchdrang sich mit der
Überzeugung, daß die herkömmliche Auffassung nicht allein
unhaltbar, sondern auch die neuere sey: einer Meinung,
die er gar bald seinem Freunde, dem Erzbischof Cranmer
mittheilte. 2 Eben langten aus Deutschland, zum Theil aus-
drücklich eingeladen, zum Theil durch die Gewaltsamkeit ver-
jagt mit welcher das Interim eingeführt wurde, auch solche
Leute an, denen die Wittenberger Concordie noch nicht ge-
nügte, wie Peter Martyr, der eine Zeitlang bei Cranmer zu
Lambeth lebte, und Johann a Lasco. Sie trugen nicht we-
nig zur Befestigung Cranmers in diesen Abweichungen bei,
der dann wieder bei der gesammten Geistlichkeit darin Nach-
folge fand. Man begnügte sich nicht die Messe aufhören zu
lassen, -- in der Mutterkirche der Hauptstadt zu St. Paul trat
die Communion an die Stelle des Hochamtes, -- sondern in
der neuen Liturgie ward die Elevation, welche Luther so lange
beibehalten, und die Kniebeugung vor der Hostie verboten. 3
Die Visitatoren des Jahres 1549 verpönten jede Beibehal-

1 Bertrami presb. liber etc. Col. 1532. Genev. 1541.
2 Soames history of the reformation in England III, 177.
3 Soames III, 377.

Reformation in England.
Deutſchland, daß damals das Werk eines Mönches aus dem
9ten Jahrhundert, der immer unter den rechtgläubigen Kirchen-
ſchriftſtellern aufgeführt worden, das Buch des Ratramnus
von Corbei über Leib und Blut unſers Herrn, bekannt ward,
worin nicht allein die Brotverwandlung verworfen, ſondern die
leibliche Gegenwart überhaupt geleugnet, und dieſe Anſicht ei-
nem mächtigen König der damaligen Welt, Carl dem Kahlen,
als die wahrhaft katholiſche bezeichnet wird. 1 Einer der Füh-
rer der Reformation, Nicolaus Ridley, ſtudirte dieſe Schrift
auf ſeiner Landpfarre in Kent, und durchdrang ſich mit der
Überzeugung, daß die herkömmliche Auffaſſung nicht allein
unhaltbar, ſondern auch die neuere ſey: einer Meinung,
die er gar bald ſeinem Freunde, dem Erzbiſchof Cranmer
mittheilte. 2 Eben langten aus Deutſchland, zum Theil aus-
drücklich eingeladen, zum Theil durch die Gewaltſamkeit ver-
jagt mit welcher das Interim eingeführt wurde, auch ſolche
Leute an, denen die Wittenberger Concordie noch nicht ge-
nügte, wie Peter Martyr, der eine Zeitlang bei Cranmer zu
Lambeth lebte, und Johann a Lasco. Sie trugen nicht we-
nig zur Befeſtigung Cranmers in dieſen Abweichungen bei,
der dann wieder bei der geſammten Geiſtlichkeit darin Nach-
folge fand. Man begnügte ſich nicht die Meſſe aufhören zu
laſſen, — in der Mutterkirche der Hauptſtadt zu St. Paul trat
die Communion an die Stelle des Hochamtes, — ſondern in
der neuen Liturgie ward die Elevation, welche Luther ſo lange
beibehalten, und die Kniebeugung vor der Hoſtie verboten. 3
Die Viſitatoren des Jahres 1549 verpönten jede Beibehal-

1 Bertrami presb. liber etc. Col. 1532. Genev. 1541.
2 Soames history of the reformation in England III, 177.
3 Soames III, 377.
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[165/0177] Reformation in England. Deutſchland, daß damals das Werk eines Mönches aus dem 9ten Jahrhundert, der immer unter den rechtgläubigen Kirchen- ſchriftſtellern aufgeführt worden, das Buch des Ratramnus von Corbei über Leib und Blut unſers Herrn, bekannt ward, worin nicht allein die Brotverwandlung verworfen, ſondern die leibliche Gegenwart überhaupt geleugnet, und dieſe Anſicht ei- nem mächtigen König der damaligen Welt, Carl dem Kahlen, als die wahrhaft katholiſche bezeichnet wird. 1 Einer der Füh- rer der Reformation, Nicolaus Ridley, ſtudirte dieſe Schrift auf ſeiner Landpfarre in Kent, und durchdrang ſich mit der Überzeugung, daß die herkömmliche Auffaſſung nicht allein unhaltbar, ſondern auch die neuere ſey: einer Meinung, die er gar bald ſeinem Freunde, dem Erzbiſchof Cranmer mittheilte. 2 Eben langten aus Deutſchland, zum Theil aus- drücklich eingeladen, zum Theil durch die Gewaltſamkeit ver- jagt mit welcher das Interim eingeführt wurde, auch ſolche Leute an, denen die Wittenberger Concordie noch nicht ge- nügte, wie Peter Martyr, der eine Zeitlang bei Cranmer zu Lambeth lebte, und Johann a Lasco. Sie trugen nicht we- nig zur Befeſtigung Cranmers in dieſen Abweichungen bei, der dann wieder bei der geſammten Geiſtlichkeit darin Nach- folge fand. Man begnügte ſich nicht die Meſſe aufhören zu laſſen, — in der Mutterkirche der Hauptſtadt zu St. Paul trat die Communion an die Stelle des Hochamtes, — ſondern in der neuen Liturgie ward die Elevation, welche Luther ſo lange beibehalten, und die Kniebeugung vor der Hoſtie verboten. 3 Die Viſitatoren des Jahres 1549 verpönten jede Beibehal- 1 Bertrami presb. liber etc. Col. 1532. Genev. 1541. 2 Soames history of the reformation in England III, 177. 3 Soames III, 377.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/177>, abgerufen am 27.04.2024.