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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Reformation in England.
schließlich ernannte welche während der Minderjährigkeit sei-
nes Sohnes die Regierung führen sollten. Aus dem Ver-
zeichniß derselben tilgte er mit eigner Hand den Namen
Gardiners, der bisher die katholischen Lehrsätze nicht ohne
Geist und mit bemerkenswerther Festigkeit vertheidigt hatte;
den Namen Cranmers dagegen, des vornehmsten geistlichen
Werkzeugs der Reformation, fand man unter den vom Kö-
nig ernannten Executoren des Testaments obenan stehn.

Und so bildete sich unmittelbar nach Heinrichs Tode eine
Regierung, in der die protestantischen Hinneigungen vorwal-
teten. Ein Mann der sie mit Entschiedenheit hegte, Edward
Seymour, jetzt zum Herzog von Sommerset erhoben, trat
unter dem Titel eines Protectors als ihr Oberhaupt auf:
seine Mitexecutoren ließen sich gefallen als seine Räthe zu
erscheinen; gab es noch fremdartige Elemente unter ihnen,
so wurden sie ohne Mühe ausgestoßen.

Mag nun die Gesinnung König Heinrichs gewesen seyn
welche sie will, aller Grausamkeit seiner Edicte zum Trotz,
durch das Ganze seiner Thätigkeit hat er die Fortschritte der
religiösen Neuerung mächtig befördert. Er hat die Summe
der geistlichen Gewalt mit der königlichen verbunden. Diese
neu begründete kirchlich-weltliche Macht hat er dann einer
Vereinigung von Männern hinterlassen, in welcher das pro-
testantische Prinzip auf der Stelle die Oberhand bekam.

Auch in dem Bisthum hatte unter Cranmers stillem
Einfluß die protestantische Ansicht Eroberungen gemacht: der
zweite Erzbischof des Reiches, mehrere andere Bischöfe neig-
ten sich ihr zu.

Es bedurfte nichts weiter als der natürlichen Entwicke-

Ranke D. Gesch. V. 11

Reformation in England.
ſchließlich ernannte welche während der Minderjährigkeit ſei-
nes Sohnes die Regierung führen ſollten. Aus dem Ver-
zeichniß derſelben tilgte er mit eigner Hand den Namen
Gardiners, der bisher die katholiſchen Lehrſätze nicht ohne
Geiſt und mit bemerkenswerther Feſtigkeit vertheidigt hatte;
den Namen Cranmers dagegen, des vornehmſten geiſtlichen
Werkzeugs der Reformation, fand man unter den vom Kö-
nig ernannten Executoren des Teſtaments obenan ſtehn.

Und ſo bildete ſich unmittelbar nach Heinrichs Tode eine
Regierung, in der die proteſtantiſchen Hinneigungen vorwal-
teten. Ein Mann der ſie mit Entſchiedenheit hegte, Edward
Seymour, jetzt zum Herzog von Sommerſet erhoben, trat
unter dem Titel eines Protectors als ihr Oberhaupt auf:
ſeine Mitexecutoren ließen ſich gefallen als ſeine Räthe zu
erſcheinen; gab es noch fremdartige Elemente unter ihnen,
ſo wurden ſie ohne Mühe ausgeſtoßen.

Mag nun die Geſinnung König Heinrichs geweſen ſeyn
welche ſie will, aller Grauſamkeit ſeiner Edicte zum Trotz,
durch das Ganze ſeiner Thätigkeit hat er die Fortſchritte der
religiöſen Neuerung mächtig befördert. Er hat die Summe
der geiſtlichen Gewalt mit der königlichen verbunden. Dieſe
neu begründete kirchlich-weltliche Macht hat er dann einer
Vereinigung von Männern hinterlaſſen, in welcher das pro-
teſtantiſche Prinzip auf der Stelle die Oberhand bekam.

Auch in dem Bisthum hatte unter Cranmers ſtillem
Einfluß die proteſtantiſche Anſicht Eroberungen gemacht: der
zweite Erzbiſchof des Reiches, mehrere andere Biſchöfe neig-
ten ſich ihr zu.

Es bedurfte nichts weiter als der natürlichen Entwicke-

Ranke D. Geſch. V. 11
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[161/0173] Reformation in England. ſchließlich ernannte welche während der Minderjährigkeit ſei- nes Sohnes die Regierung führen ſollten. Aus dem Ver- zeichniß derſelben tilgte er mit eigner Hand den Namen Gardiners, der bisher die katholiſchen Lehrſätze nicht ohne Geiſt und mit bemerkenswerther Feſtigkeit vertheidigt hatte; den Namen Cranmers dagegen, des vornehmſten geiſtlichen Werkzeugs der Reformation, fand man unter den vom Kö- nig ernannten Executoren des Teſtaments obenan ſtehn. Und ſo bildete ſich unmittelbar nach Heinrichs Tode eine Regierung, in der die proteſtantiſchen Hinneigungen vorwal- teten. Ein Mann der ſie mit Entſchiedenheit hegte, Edward Seymour, jetzt zum Herzog von Sommerſet erhoben, trat unter dem Titel eines Protectors als ihr Oberhaupt auf: ſeine Mitexecutoren ließen ſich gefallen als ſeine Räthe zu erſcheinen; gab es noch fremdartige Elemente unter ihnen, ſo wurden ſie ohne Mühe ausgeſtoßen. Mag nun die Geſinnung König Heinrichs geweſen ſeyn welche ſie will, aller Grauſamkeit ſeiner Edicte zum Trotz, durch das Ganze ſeiner Thätigkeit hat er die Fortſchritte der religiöſen Neuerung mächtig befördert. Er hat die Summe der geiſtlichen Gewalt mit der königlichen verbunden. Dieſe neu begründete kirchlich-weltliche Macht hat er dann einer Vereinigung von Männern hinterlaſſen, in welcher das pro- teſtantiſche Prinzip auf der Stelle die Oberhand bekam. Auch in dem Bisthum hatte unter Cranmers ſtillem Einfluß die proteſtantiſche Anſicht Eroberungen gemacht: der zweite Erzbiſchof des Reiches, mehrere andere Biſchöfe neig- ten ſich ihr zu. Es bedurfte nichts weiter als der natürlichen Entwicke- Ranke D. Geſch. V. 11

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/173>, abgerufen am 27.04.2024.