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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Reichstag zu Augsburg 1547. Concilium.

Am ersten September eröffnete er den Reichstag zu
Augsburg, mit einer Proposition, in der er zunächst die geist-
lichen Angelegenheiten da wieder aufnahm, wo sie vor zwei
Jahren abgebrochen worden: aber unter ganz andern Um-
ständen und mit einer ohne Vergleich größern Aussicht, seine
Meinung durchzusetzen.

Die protestantische Corporation, welche früher nicht al-
lein nach ihrer eignen Meinung, sondern auch vermöge der
ihnen gewordenen Zugeständnisse eine gesetzliche Stellung ein-
nahm und an der exclusiv protestantischen Idee festhielt, war
nicht mehr; der Kaiser verbat sich überhaupt abgesonderte
Zusammenkünfte und Berathungen. Alle die in des Kaisers
Frieden gekommen, hatten sich mehr oder minder ohne Rück-
halt zum Gehorsam in dieser Hinsicht verpflichtet. Jene pro-
testantische Mehrheit, die sich zuletzt im Churfürstenrathe zu
bilden begonnen, war durch die Catastrophe des Erzbischof
Hermann von Cölln vollkommen beseitigt. Die geistlichen
Fürsten, die ihre Erhaltung hauptsächlich dem Kaiser ver-
dankten, hiengen ihm mit doppelter Ergebenheit an.

Unter diesen Umständen konnte die Beschlußnahme des
Reichstags, als nun der Kaiser aufs neue die Anerkennung
des tridentinischen Conciliums forderte, auf keine besondere
Schwierigkeit stoßen.

Der Fürstenrath, der abermal die Initiative ergriff, er-
klärte, der wahre Weg die Spaltung in der Religion zu
heben sey eben der, die Erörterung einem freien gemeinen
Concil heimzustellen, "immaßen das allbereit zu Trient an-
gefangen worden." Diesem Gutachten stimmten die geist-
lichen Churfürsten beinahe wörtlich bei. 1 Nicht so entschie-

1 Unter den Schriften welche Sastrow in die Hände bekom-
Reichstag zu Augsburg 1547. Concilium.

Am erſten September eröffnete er den Reichstag zu
Augsburg, mit einer Propoſition, in der er zunächſt die geiſt-
lichen Angelegenheiten da wieder aufnahm, wo ſie vor zwei
Jahren abgebrochen worden: aber unter ganz andern Um-
ſtänden und mit einer ohne Vergleich größern Ausſicht, ſeine
Meinung durchzuſetzen.

Die proteſtantiſche Corporation, welche früher nicht al-
lein nach ihrer eignen Meinung, ſondern auch vermöge der
ihnen gewordenen Zugeſtändniſſe eine geſetzliche Stellung ein-
nahm und an der excluſiv proteſtantiſchen Idee feſthielt, war
nicht mehr; der Kaiſer verbat ſich überhaupt abgeſonderte
Zuſammenkünfte und Berathungen. Alle die in des Kaiſers
Frieden gekommen, hatten ſich mehr oder minder ohne Rück-
halt zum Gehorſam in dieſer Hinſicht verpflichtet. Jene pro-
teſtantiſche Mehrheit, die ſich zuletzt im Churfürſtenrathe zu
bilden begonnen, war durch die Cataſtrophe des Erzbiſchof
Hermann von Cölln vollkommen beſeitigt. Die geiſtlichen
Fürſten, die ihre Erhaltung hauptſächlich dem Kaiſer ver-
dankten, hiengen ihm mit doppelter Ergebenheit an.

Unter dieſen Umſtänden konnte die Beſchlußnahme des
Reichstags, als nun der Kaiſer aufs neue die Anerkennung
des tridentiniſchen Conciliums forderte, auf keine beſondere
Schwierigkeit ſtoßen.

Der Fürſtenrath, der abermal die Initiative ergriff, er-
klärte, der wahre Weg die Spaltung in der Religion zu
heben ſey eben der, die Erörterung einem freien gemeinen
Concil heimzuſtellen, „immaßen das allbereit zu Trient an-
gefangen worden.“ Dieſem Gutachten ſtimmten die geiſt-
lichen Churfürſten beinahe wörtlich bei. 1 Nicht ſo entſchie-

1 Unter den Schriften welche Saſtrow in die Haͤnde bekom-
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[5/0017] Reichstag zu Augsburg 1547. Concilium. Am erſten September eröffnete er den Reichstag zu Augsburg, mit einer Propoſition, in der er zunächſt die geiſt- lichen Angelegenheiten da wieder aufnahm, wo ſie vor zwei Jahren abgebrochen worden: aber unter ganz andern Um- ſtänden und mit einer ohne Vergleich größern Ausſicht, ſeine Meinung durchzuſetzen. Die proteſtantiſche Corporation, welche früher nicht al- lein nach ihrer eignen Meinung, ſondern auch vermöge der ihnen gewordenen Zugeſtändniſſe eine geſetzliche Stellung ein- nahm und an der excluſiv proteſtantiſchen Idee feſthielt, war nicht mehr; der Kaiſer verbat ſich überhaupt abgeſonderte Zuſammenkünfte und Berathungen. Alle die in des Kaiſers Frieden gekommen, hatten ſich mehr oder minder ohne Rück- halt zum Gehorſam in dieſer Hinſicht verpflichtet. Jene pro- teſtantiſche Mehrheit, die ſich zuletzt im Churfürſtenrathe zu bilden begonnen, war durch die Cataſtrophe des Erzbiſchof Hermann von Cölln vollkommen beſeitigt. Die geiſtlichen Fürſten, die ihre Erhaltung hauptſächlich dem Kaiſer ver- dankten, hiengen ihm mit doppelter Ergebenheit an. Unter dieſen Umſtänden konnte die Beſchlußnahme des Reichstags, als nun der Kaiſer aufs neue die Anerkennung des tridentiniſchen Conciliums forderte, auf keine beſondere Schwierigkeit ſtoßen. Der Fürſtenrath, der abermal die Initiative ergriff, er- klärte, der wahre Weg die Spaltung in der Religion zu heben ſey eben der, die Erörterung einem freien gemeinen Concil heimzuſtellen, „immaßen das allbereit zu Trient an- gefangen worden.“ Dieſem Gutachten ſtimmten die geiſt- lichen Churfürſten beinahe wörtlich bei. 1 Nicht ſo entſchie- 1 Unter den Schriften welche Saſtrow in die Haͤnde bekom-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/17>, abgerufen am 24.04.2024.