Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Neuntes Buch. Drittes Capitel.
Kaiser keinen Grund dazu gehabt habe dieß zu befehlen --
der Herzog von Ferrara z. B., der ihm so viel verdankte, hatte
doch gesagt, er wolle sein Land auf keine Weise gefährden,
auch nicht zu Gunsten des Kaisers, -- aber es bezeichnet sein
in jedem Augenblick unsicheres Verhältniß, daß es so war.

Obgleich die venezianische Regierung ihm Vertrauen ein-
flößte, so versäumte er doch nicht, immer einige der vornehm-
sten Edelleute ihrer Terra ferma in seine Dienste zu nehmen.
Die alte gibellinische Gesinnung der Colonnas diente ihm
den Papst mitten in Rom doch immer in einer gewissen Be-
sorgniß zu halten.

Gar mancher von den Räthen deutscher Fürsten bezieht
eine Besoldung von ihm, unter Andern Carlowitz: die Für-
sten selbst, oder wenigstens die jüngeren Söhne aus den re-
gierenden Häusern, sind nicht selten durch Jahrgelder oder
Kriegsdienste an ihn gefesselt. Selbst an dem Hofe seines
Bruders sucht er nicht allein Freunde zu haben, seine Ge-
sandten geben ihm über die Gesinnung und politische Ten-
denz der Räthe desselben, über jede Abweichung ihrer Politik
von der kaiserlichen eine nicht allzeit günstige Kunde.

Mit ungemeiner Rücksicht wurden auch die entfernten
Höfe behandelt. Mit dem jungen Sigismund August von
Polen stand man nicht immer gut. Zu den preußischen An-
gelegenheiten, wo er die Widerpart des Kaisers hielt, kamen
bald die siebenbürgischen hinzu; seine Vermählung mit einer
Eingebornen, nach dem frühen Tode einer östreichischen Prin-
zessin, die sich dort keinen Augenblick glücklich gefühlt, hatte
kein gutes Blut gemacht; allein für alle ungarischen, os-
manischen, selbst für die erbländischen Verhältnisse, -- ich

Neuntes Buch. Drittes Capitel.
Kaiſer keinen Grund dazu gehabt habe dieß zu befehlen —
der Herzog von Ferrara z. B., der ihm ſo viel verdankte, hatte
doch geſagt, er wolle ſein Land auf keine Weiſe gefährden,
auch nicht zu Gunſten des Kaiſers, — aber es bezeichnet ſein
in jedem Augenblick unſicheres Verhältniß, daß es ſo war.

Obgleich die venezianiſche Regierung ihm Vertrauen ein-
flößte, ſo verſäumte er doch nicht, immer einige der vornehm-
ſten Edelleute ihrer Terra ferma in ſeine Dienſte zu nehmen.
Die alte gibelliniſche Geſinnung der Colonnas diente ihm
den Papſt mitten in Rom doch immer in einer gewiſſen Be-
ſorgniß zu halten.

Gar mancher von den Räthen deutſcher Fürſten bezieht
eine Beſoldung von ihm, unter Andern Carlowitz: die Für-
ſten ſelbſt, oder wenigſtens die jüngeren Söhne aus den re-
gierenden Häuſern, ſind nicht ſelten durch Jahrgelder oder
Kriegsdienſte an ihn gefeſſelt. Selbſt an dem Hofe ſeines
Bruders ſucht er nicht allein Freunde zu haben, ſeine Ge-
ſandten geben ihm über die Geſinnung und politiſche Ten-
denz der Räthe deſſelben, über jede Abweichung ihrer Politik
von der kaiſerlichen eine nicht allzeit günſtige Kunde.

Mit ungemeiner Rückſicht wurden auch die entfernten
Höfe behandelt. Mit dem jungen Sigismund Auguſt von
Polen ſtand man nicht immer gut. Zu den preußiſchen An-
gelegenheiten, wo er die Widerpart des Kaiſers hielt, kamen
bald die ſiebenbürgiſchen hinzu; ſeine Vermählung mit einer
Eingebornen, nach dem frühen Tode einer öſtreichiſchen Prin-
zeſſin, die ſich dort keinen Augenblick glücklich gefühlt, hatte
kein gutes Blut gemacht; allein für alle ungariſchen, os-
maniſchen, ſelbſt für die erbländiſchen Verhältniſſe, — ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0114" n="102"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Neuntes Buch. Drittes Capitel</hi>.</fw><lb/>
Kai&#x017F;er keinen Grund dazu gehabt habe dieß zu befehlen &#x2014;<lb/>
der Herzog von Ferrara z. B., der ihm &#x017F;o viel verdankte, hatte<lb/>
doch ge&#x017F;agt, er wolle &#x017F;ein Land auf keine Wei&#x017F;e gefährden,<lb/>
auch nicht zu Gun&#x017F;ten des Kai&#x017F;ers, &#x2014; aber es bezeichnet &#x017F;ein<lb/>
in jedem Augenblick un&#x017F;icheres Verhältniß, daß es &#x017F;o war.</p><lb/>
          <p>Obgleich die veneziani&#x017F;che Regierung ihm Vertrauen ein-<lb/>
flößte, &#x017F;o ver&#x017F;äumte er doch nicht, immer einige der vornehm-<lb/>
&#x017F;ten Edelleute ihrer Terra ferma in &#x017F;eine Dien&#x017F;te zu nehmen.<lb/>
Die alte gibellini&#x017F;che Ge&#x017F;innung der Colonnas diente ihm<lb/>
den Pap&#x017F;t mitten in Rom doch immer in einer gewi&#x017F;&#x017F;en Be-<lb/>
&#x017F;orgniß zu halten.</p><lb/>
          <p>Gar mancher von den Räthen deut&#x017F;cher Für&#x017F;ten bezieht<lb/>
eine Be&#x017F;oldung von ihm, unter Andern Carlowitz: die Für-<lb/>
&#x017F;ten &#x017F;elb&#x017F;t, oder wenig&#x017F;tens die jüngeren Söhne aus den re-<lb/>
gierenden Häu&#x017F;ern, &#x017F;ind nicht &#x017F;elten durch Jahrgelder oder<lb/>
Kriegsdien&#x017F;te an ihn gefe&#x017F;&#x017F;elt. Selb&#x017F;t an dem Hofe &#x017F;eines<lb/>
Bruders &#x017F;ucht er nicht allein Freunde zu haben, &#x017F;eine Ge-<lb/>
&#x017F;andten geben ihm über die Ge&#x017F;innung und politi&#x017F;che Ten-<lb/>
denz der Räthe de&#x017F;&#x017F;elben, über jede Abweichung ihrer Politik<lb/>
von der kai&#x017F;erlichen eine nicht allzeit gün&#x017F;tige Kunde.</p><lb/>
          <p>Mit ungemeiner Rück&#x017F;icht wurden auch die entfernten<lb/>
Höfe behandelt. Mit dem jungen Sigismund Augu&#x017F;t von<lb/>
Polen &#x017F;tand man nicht immer gut. Zu den preußi&#x017F;chen An-<lb/>
gelegenheiten, wo er die Widerpart des Kai&#x017F;ers hielt, kamen<lb/>
bald die &#x017F;iebenbürgi&#x017F;chen hinzu; &#x017F;eine Vermählung mit einer<lb/>
Eingebornen, nach dem frühen Tode einer ö&#x017F;treichi&#x017F;chen Prin-<lb/>
ze&#x017F;&#x017F;in, die &#x017F;ich dort keinen Augenblick glücklich gefühlt, hatte<lb/>
kein gutes Blut gemacht; allein für alle ungari&#x017F;chen, os-<lb/>
mani&#x017F;chen, &#x017F;elb&#x017F;t für die erbländi&#x017F;chen Verhältni&#x017F;&#x017F;e, &#x2014; ich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0114] Neuntes Buch. Drittes Capitel. Kaiſer keinen Grund dazu gehabt habe dieß zu befehlen — der Herzog von Ferrara z. B., der ihm ſo viel verdankte, hatte doch geſagt, er wolle ſein Land auf keine Weiſe gefährden, auch nicht zu Gunſten des Kaiſers, — aber es bezeichnet ſein in jedem Augenblick unſicheres Verhältniß, daß es ſo war. Obgleich die venezianiſche Regierung ihm Vertrauen ein- flößte, ſo verſäumte er doch nicht, immer einige der vornehm- ſten Edelleute ihrer Terra ferma in ſeine Dienſte zu nehmen. Die alte gibelliniſche Geſinnung der Colonnas diente ihm den Papſt mitten in Rom doch immer in einer gewiſſen Be- ſorgniß zu halten. Gar mancher von den Räthen deutſcher Fürſten bezieht eine Beſoldung von ihm, unter Andern Carlowitz: die Für- ſten ſelbſt, oder wenigſtens die jüngeren Söhne aus den re- gierenden Häuſern, ſind nicht ſelten durch Jahrgelder oder Kriegsdienſte an ihn gefeſſelt. Selbſt an dem Hofe ſeines Bruders ſucht er nicht allein Freunde zu haben, ſeine Ge- ſandten geben ihm über die Geſinnung und politiſche Ten- denz der Räthe deſſelben, über jede Abweichung ihrer Politik von der kaiſerlichen eine nicht allzeit günſtige Kunde. Mit ungemeiner Rückſicht wurden auch die entfernten Höfe behandelt. Mit dem jungen Sigismund Auguſt von Polen ſtand man nicht immer gut. Zu den preußiſchen An- gelegenheiten, wo er die Widerpart des Kaiſers hielt, kamen bald die ſiebenbürgiſchen hinzu; ſeine Vermählung mit einer Eingebornen, nach dem frühen Tode einer öſtreichiſchen Prin- zeſſin, die ſich dort keinen Augenblick glücklich gefühlt, hatte kein gutes Blut gemacht; allein für alle ungariſchen, os- maniſchen, ſelbſt für die erbländiſchen Verhältniſſe, — ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/114
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/114>, abgerufen am 22.11.2024.