angefallenen Länder bildete, kam nun auch eine tief eingrei- fende Reichsgewalt. Carl V war in den Jahren wo wir stehen der große Fürst von Europa.
Fragen wir aber, was er in Besitz dieser Stellung nun weiter beabsichtigte, so erfüllte ihn vor allem der Ehrgeiz, was er war, in vollem Sinne des Wortes zu seyn, nem- lich Kaiser.
Er hatte diese Würde, in Bezug auf Macht, aus der Hand seines Vorgängers mehr wie einen Anspruch empfan- gen: er war entschlossen denselben auszuführen.
Er faßte aber das Kaiserthum nicht so auf, daß er sich bloß als Oberhaupt des deutschen Reichskörpers erschie- nen wäre: er betrachtete sich alles Ernstes, wie die alten Kai- ser gethan, als das weltliche Oberhaupt der Christenheit.
Da hatte er nun den unermeßlichen Vortheil, daß er nicht auf Deutschland allein angewiesen war: die Kräfte al- ler seiner Reiche wirkten dafür zusammen. Der Besitz je- ner burgundischen, spanischen, italienischen, deutschen Lande, verbunden mit dem Königthum seines Bruders in Ungarn und Böhmen, gewann eine höhere allgemeine Bedeutung, in- dem die Realisation der höchsten Ideen der weltlichen Macht im Abendlande sich daran knüpfte.
In den Jahren seiner Jugend, bis ziemlich tief in sein Mannesalter hinein, war es nun sein vornehmster Wunsch, nachdem die Christenheit seit dritthalb Jahrhunderten nur Verluste erfahren, ihr wieder einmal einen Sieg zu verschaf- fen. Eine der vornehmsten Tendenzen der spanischen Na- tion zur Eroberung und Colonisation von Nordafrica und die drohende Gefahr, in welcher sich Deutschland, vor al-
Neuntes Buch. Drittes Capitel.
angefallenen Länder bildete, kam nun auch eine tief eingrei- fende Reichsgewalt. Carl V war in den Jahren wo wir ſtehen der große Fürſt von Europa.
Fragen wir aber, was er in Beſitz dieſer Stellung nun weiter beabſichtigte, ſo erfüllte ihn vor allem der Ehrgeiz, was er war, in vollem Sinne des Wortes zu ſeyn, nem- lich Kaiſer.
Er hatte dieſe Würde, in Bezug auf Macht, aus der Hand ſeines Vorgängers mehr wie einen Anſpruch empfan- gen: er war entſchloſſen denſelben auszuführen.
Er faßte aber das Kaiſerthum nicht ſo auf, daß er ſich bloß als Oberhaupt des deutſchen Reichskörpers erſchie- nen wäre: er betrachtete ſich alles Ernſtes, wie die alten Kai- ſer gethan, als das weltliche Oberhaupt der Chriſtenheit.
Da hatte er nun den unermeßlichen Vortheil, daß er nicht auf Deutſchland allein angewieſen war: die Kräfte al- ler ſeiner Reiche wirkten dafür zuſammen. Der Beſitz je- ner burgundiſchen, ſpaniſchen, italieniſchen, deutſchen Lande, verbunden mit dem Königthum ſeines Bruders in Ungarn und Böhmen, gewann eine höhere allgemeine Bedeutung, in- dem die Realiſation der höchſten Ideen der weltlichen Macht im Abendlande ſich daran knüpfte.
In den Jahren ſeiner Jugend, bis ziemlich tief in ſein Mannesalter hinein, war es nun ſein vornehmſter Wunſch, nachdem die Chriſtenheit ſeit dritthalb Jahrhunderten nur Verluſte erfahren, ihr wieder einmal einen Sieg zu verſchaf- fen. Eine der vornehmſten Tendenzen der ſpaniſchen Na- tion zur Eroberung und Coloniſation von Nordafrica und die drohende Gefahr, in welcher ſich Deutſchland, vor al-
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Neuntes Buch. Drittes Capitel.
angefallenen Länder bildete, kam nun auch eine tief eingrei-
fende Reichsgewalt. Carl V war in den Jahren wo wir
ſtehen der große Fürſt von Europa.
Fragen wir aber, was er in Beſitz dieſer Stellung nun
weiter beabſichtigte, ſo erfüllte ihn vor allem der Ehrgeiz,
was er war, in vollem Sinne des Wortes zu ſeyn, nem-
lich Kaiſer.
Er hatte dieſe Würde, in Bezug auf Macht, aus der
Hand ſeines Vorgängers mehr wie einen Anſpruch empfan-
gen: er war entſchloſſen denſelben auszuführen.
Er faßte aber das Kaiſerthum nicht ſo auf, daß er
ſich bloß als Oberhaupt des deutſchen Reichskörpers erſchie-
nen wäre: er betrachtete ſich alles Ernſtes, wie die alten Kai-
ſer gethan, als das weltliche Oberhaupt der Chriſtenheit.
Da hatte er nun den unermeßlichen Vortheil, daß er
nicht auf Deutſchland allein angewieſen war: die Kräfte al-
ler ſeiner Reiche wirkten dafür zuſammen. Der Beſitz je-
ner burgundiſchen, ſpaniſchen, italieniſchen, deutſchen Lande,
verbunden mit dem Königthum ſeines Bruders in Ungarn
und Böhmen, gewann eine höhere allgemeine Bedeutung, in-
dem die Realiſation der höchſten Ideen der weltlichen Macht
im Abendlande ſich daran knüpfte.
In den Jahren ſeiner Jugend, bis ziemlich tief in ſein
Mannesalter hinein, war es nun ſein vornehmſter Wunſch,
nachdem die Chriſtenheit ſeit dritthalb Jahrhunderten nur
Verluſte erfahren, ihr wieder einmal einen Sieg zu verſchaf-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/108>, abgerufen am 24.11.2024.
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