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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Erstes Capitel.
man jetzt zurückzunehmen befugt sey." Der Bischof von Lon-
don
ward verantwortlich gemacht, daß diese und keine andere
Lehre von Sonntag zu Sonntag in St. Pauls Croß gepre-
digt werde. Im königlichen geheimen Rath hatte man sogar
die Idee, Mayor und Rath von London zu verpflichten, daß
diese neue Lehre in den Häusern wiederholt werden solle.
Wenigstens hatte sie die Beistimmung der Geistlichkeit und
der gelehrten Corporationen. Die Convocation von Canter-
bury
entschied mit großer Majorität, daß der Primat nicht
aus der h. Schrift hergeleitet werden könne; einmüthig be-
stätigte das die Convocation von York. Die Universität Cam-
bridge
erklärte, nach reiflicher Überlegung, nachdem sie das
Dafür und Dawider sorgfältig geprüft, finde sie nicht allein
wahrscheinlich sondern wahr, gewiß und mit dem Sinne der
heil. Schrift übereinstimmend, daß Gott dem römischen Bi-
schof keine Gewalt gegeben, die sich auch auf England bezie-
hen könne. 1 Dasselbe ist der Sinn der Erklärung von Ox-
fort
. Wharton zählte in der Exchequer 175 authentische In-
strumente, in denen die verschiedenen geistlichen Würdenträger
und Körperschaften ihre Adhäsion zu diesen Doctrinen erklärten.

Die Einwirkung des Papstthums auf die Landeskirchen
beruht besonders auf drei Momenten: darauf, daß es die oberste
richterliche Instanz in geistlichen Angelegenheiten bildet, auf der
dispensirenden Gewalt, und dem Rechte die Bischöfe zu insti-
tuiren. Stück für Stück entriß man ihm in England diese
Befugnisse. Im Jahre 1533 hob man wie berührt die Ap-

1 Academiae Cantabrigiensis determinatio adversus supre-
matum papae. Conc. M. Brit. III, 771,
wie denn auch die übrigen
Actenstücke, auf die ich mich beziehe, sich ebendort finden.

Siebentes Buch. Erſtes Capitel.
man jetzt zurückzunehmen befugt ſey.“ Der Biſchof von Lon-
don
ward verantwortlich gemacht, daß dieſe und keine andere
Lehre von Sonntag zu Sonntag in St. Pauls Croß gepre-
digt werde. Im königlichen geheimen Rath hatte man ſogar
die Idee, Mayor und Rath von London zu verpflichten, daß
dieſe neue Lehre in den Häuſern wiederholt werden ſolle.
Wenigſtens hatte ſie die Beiſtimmung der Geiſtlichkeit und
der gelehrten Corporationen. Die Convocation von Canter-
bury
entſchied mit großer Majorität, daß der Primat nicht
aus der h. Schrift hergeleitet werden könne; einmüthig be-
ſtätigte das die Convocation von York. Die Univerſität Cam-
bridge
erklärte, nach reiflicher Überlegung, nachdem ſie das
Dafür und Dawider ſorgfältig geprüft, finde ſie nicht allein
wahrſcheinlich ſondern wahr, gewiß und mit dem Sinne der
heil. Schrift übereinſtimmend, daß Gott dem römiſchen Bi-
ſchof keine Gewalt gegeben, die ſich auch auf England bezie-
hen könne. 1 Daſſelbe iſt der Sinn der Erklärung von Ox-
fort
. Wharton zählte in der Exchequer 175 authentiſche In-
ſtrumente, in denen die verſchiedenen geiſtlichen Würdenträger
und Körperſchaften ihre Adhäſion zu dieſen Doctrinen erklärten.

Die Einwirkung des Papſtthums auf die Landeskirchen
beruht beſonders auf drei Momenten: darauf, daß es die oberſte
richterliche Inſtanz in geiſtlichen Angelegenheiten bildet, auf der
dispenſirenden Gewalt, und dem Rechte die Biſchöfe zu inſti-
tuiren. Stück für Stück entriß man ihm in England dieſe
Befugniſſe. Im Jahre 1533 hob man wie berührt die Ap-

1 Academiae Cantabrigiensis determinatio adversus supre-
matum papae. Conc. M. Brit. III, 771,
wie denn auch die uͤbrigen
Actenſtuͤcke, auf die ich mich beziehe, ſich ebendort finden.
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[52/0064] Siebentes Buch. Erſtes Capitel. man jetzt zurückzunehmen befugt ſey.“ Der Biſchof von Lon- don ward verantwortlich gemacht, daß dieſe und keine andere Lehre von Sonntag zu Sonntag in St. Pauls Croß gepre- digt werde. Im königlichen geheimen Rath hatte man ſogar die Idee, Mayor und Rath von London zu verpflichten, daß dieſe neue Lehre in den Häuſern wiederholt werden ſolle. Wenigſtens hatte ſie die Beiſtimmung der Geiſtlichkeit und der gelehrten Corporationen. Die Convocation von Canter- bury entſchied mit großer Majorität, daß der Primat nicht aus der h. Schrift hergeleitet werden könne; einmüthig be- ſtätigte das die Convocation von York. Die Univerſität Cam- bridge erklärte, nach reiflicher Überlegung, nachdem ſie das Dafür und Dawider ſorgfältig geprüft, finde ſie nicht allein wahrſcheinlich ſondern wahr, gewiß und mit dem Sinne der heil. Schrift übereinſtimmend, daß Gott dem römiſchen Bi- ſchof keine Gewalt gegeben, die ſich auch auf England bezie- hen könne. 1 Daſſelbe iſt der Sinn der Erklärung von Ox- fort. Wharton zählte in der Exchequer 175 authentiſche In- ſtrumente, in denen die verſchiedenen geiſtlichen Würdenträger und Körperſchaften ihre Adhäſion zu dieſen Doctrinen erklärten. Die Einwirkung des Papſtthums auf die Landeskirchen beruht beſonders auf drei Momenten: darauf, daß es die oberſte richterliche Inſtanz in geiſtlichen Angelegenheiten bildet, auf der dispenſirenden Gewalt, und dem Rechte die Biſchöfe zu inſti- tuiren. Stück für Stück entriß man ihm in England dieſe Befugniſſe. Im Jahre 1533 hob man wie berührt die Ap- 1 Academiae Cantabrigiensis determinatio adversus supre- matum papae. Conc. M. Brit. III, 771, wie denn auch die uͤbrigen Actenſtuͤcke, auf die ich mich beziehe, ſich ebendort finden.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/64>, abgerufen am 04.05.2024.