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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Widerstand in Niedersachsen.
Freuden begehen. Die großen Stücke mit denen die Mauern
hatten gebrochen werden sollen, wurden auf dem Domhof auf-
gefahren. 1 Hierauf brachte die Stadt einige neue Fähnlein
zusammen, mit denen sie die Stifter Bremen und Verden
ohne viel Mühe einnahm. Sie überließ dieselben zunächst dem
Grafen Albrecht, der sich damit für den Verlust seiner Häu-
ser Mansfeld und Heldrungen trösten mußte, die der Kaiser
erobert hatte. Glück genug, daß noch Landstriche übrig wa-
ren wo das protestantische Prinzip auch in den Waffen die
Oberhand behauptete!

Anfangs hatte der Kaiser die Absicht gehabt, auch diese
niederdeutschen Gegenden heimzusuchen: er war von seinem
Bruder dringend ermahnt worden, sie ja nicht zu vernach-
läßigen; jetzt aber sah er wohl ein, daß das besonders nach
dem Abzug der ferdinandeischen Reiter ihm doch noch schwer
werden und ihn tiefer verwickeln dürfte, als ihm wün-
schenswerth war. Die Bewegungen des übrigen Europa,
vor allem sein Verhältniß zum Papst, forderten seine An-
wesenheit in den obern Landen und ungetheilte Aufmerksam-
keit. Er kam auf den Gedanken zurück, den er im An-
fange des Jahres gehegt, zuerst die allgemeinen Angelegen-
heiten des Reiches in Ordnung zu bringen: wozu er jetzt
eine ganz andre Autorität einsetzen konnte als ehedem. Der
Widerspruch des verhaßten Bundes, der ihn 15 Jahre lang

1 Schene's und Renners Bremische Chroniken (MS) sind für diese
Ereignisse höchst unterrichtend und zuverläßig. Besonders die Dar-
stellung in der ersten, die der andern zu Grunde liegt, ist naiv und
anschaulich. Minder ergiebig zeigt sich ein anonymes Heft: "vom
Bremischen Kriege wie sich der zugetragen ao 1547." Sie befinden
sich sämmtlich im Bremischen Archiv.

Widerſtand in Niederſachſen.
Freuden begehen. Die großen Stücke mit denen die Mauern
hatten gebrochen werden ſollen, wurden auf dem Domhof auf-
gefahren. 1 Hierauf brachte die Stadt einige neue Fähnlein
zuſammen, mit denen ſie die Stifter Bremen und Verden
ohne viel Mühe einnahm. Sie überließ dieſelben zunächſt dem
Grafen Albrecht, der ſich damit für den Verluſt ſeiner Häu-
ſer Mansfeld und Heldrungen tröſten mußte, die der Kaiſer
erobert hatte. Glück genug, daß noch Landſtriche übrig wa-
ren wo das proteſtantiſche Prinzip auch in den Waffen die
Oberhand behauptete!

Anfangs hatte der Kaiſer die Abſicht gehabt, auch dieſe
niederdeutſchen Gegenden heimzuſuchen: er war von ſeinem
Bruder dringend ermahnt worden, ſie ja nicht zu vernach-
läßigen; jetzt aber ſah er wohl ein, daß das beſonders nach
dem Abzug der ferdinandeiſchen Reiter ihm doch noch ſchwer
werden und ihn tiefer verwickeln dürfte, als ihm wün-
ſchenswerth war. Die Bewegungen des übrigen Europa,
vor allem ſein Verhältniß zum Papſt, forderten ſeine An-
weſenheit in den obern Landen und ungetheilte Aufmerkſam-
keit. Er kam auf den Gedanken zurück, den er im An-
fange des Jahres gehegt, zuerſt die allgemeinen Angelegen-
heiten des Reiches in Ordnung zu bringen: wozu er jetzt
eine ganz andre Autorität einſetzen konnte als ehedem. Der
Widerſpruch des verhaßten Bundes, der ihn 15 Jahre lang

1 Schene’s und Renners Bremiſche Chroniken (MS) ſind fuͤr dieſe
Ereigniſſe hoͤchſt unterrichtend und zuverlaͤßig. Beſonders die Dar-
ſtellung in der erſten, die der andern zu Grunde liegt, iſt naiv und
anſchaulich. Minder ergiebig zeigt ſich ein anonymes Heft: „vom
Bremiſchen Kriege wie ſich der zugetragen 1547.“ Sie befinden
ſich ſaͤmmtlich im Bremiſchen Archiv.
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[541/0553] Widerſtand in Niederſachſen. Freuden begehen. Die großen Stücke mit denen die Mauern hatten gebrochen werden ſollen, wurden auf dem Domhof auf- gefahren. 1 Hierauf brachte die Stadt einige neue Fähnlein zuſammen, mit denen ſie die Stifter Bremen und Verden ohne viel Mühe einnahm. Sie überließ dieſelben zunächſt dem Grafen Albrecht, der ſich damit für den Verluſt ſeiner Häu- ſer Mansfeld und Heldrungen tröſten mußte, die der Kaiſer erobert hatte. Glück genug, daß noch Landſtriche übrig wa- ren wo das proteſtantiſche Prinzip auch in den Waffen die Oberhand behauptete! Anfangs hatte der Kaiſer die Abſicht gehabt, auch dieſe niederdeutſchen Gegenden heimzuſuchen: er war von ſeinem Bruder dringend ermahnt worden, ſie ja nicht zu vernach- läßigen; jetzt aber ſah er wohl ein, daß das beſonders nach dem Abzug der ferdinandeiſchen Reiter ihm doch noch ſchwer werden und ihn tiefer verwickeln dürfte, als ihm wün- ſchenswerth war. Die Bewegungen des übrigen Europa, vor allem ſein Verhältniß zum Papſt, forderten ſeine An- weſenheit in den obern Landen und ungetheilte Aufmerkſam- keit. Er kam auf den Gedanken zurück, den er im An- fange des Jahres gehegt, zuerſt die allgemeinen Angelegen- heiten des Reiches in Ordnung zu bringen: wozu er jetzt eine ganz andre Autorität einſetzen konnte als ehedem. Der Widerſpruch des verhaßten Bundes, der ihn 15 Jahre lang 1 Schene’s und Renners Bremiſche Chroniken (MS) ſind fuͤr dieſe Ereigniſſe hoͤchſt unterrichtend und zuverlaͤßig. Beſonders die Dar- ſtellung in der erſten, die der andern zu Grunde liegt, iſt naiv und anſchaulich. Minder ergiebig zeigt ſich ein anonymes Heft: „vom Bremiſchen Kriege wie ſich der zugetragen aō 1547.“ Sie befinden ſich ſaͤmmtlich im Bremiſchen Archiv.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/553>, abgerufen am 28.04.2024.