Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.Achtes Buch. Fünftes Capitel. bald von der Wunde, die ihm beigebracht worden, genesenseyn, auch ein Wahrzeichen desselben mitbrachte, erschien Jo- hann Friedrich nicht anders als getrost und herzhaft. Über alle Furcht für sich selber erhob ihn die Gewißheit einer an- dern lebendigen Gemeinschaft, der er von jeher angehört, und sein vollkommen reines Gewissen. Man erzählt, das Todes- urtheil sey ihm publicirt worden, als er mit Herzog Ernst von Braunschweig, der mit ihm gefangen worden, Schach spielte. 1 Er war längst darauf gefaßt: nicht einmal in sei- nem Spiel ließ er dadurch sich stören: "Vetter," sagte er, nachdem er das Urtel wie ein andres Papier neben sich ge- legt, "gebt Acht auf Euer Spiel: Ihr seyd matt." Indessen machte man im kaiserlichen Rathe doch auch Man sah wohl daß Wittenberg nicht so leicht erobert Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel. bald von der Wunde, die ihm beigebracht worden, geneſenſeyn, auch ein Wahrzeichen deſſelben mitbrachte, erſchien Jo- hann Friedrich nicht anders als getroſt und herzhaft. Über alle Furcht für ſich ſelber erhob ihn die Gewißheit einer an- dern lebendigen Gemeinſchaft, der er von jeher angehört, und ſein vollkommen reines Gewiſſen. Man erzählt, das Todes- urtheil ſey ihm publicirt worden, als er mit Herzog Ernſt von Braunſchweig, der mit ihm gefangen worden, Schach ſpielte. 1 Er war längſt darauf gefaßt: nicht einmal in ſei- nem Spiel ließ er dadurch ſich ſtören: „Vetter,“ ſagte er, nachdem er das Urtel wie ein andres Papier neben ſich ge- legt, „gebt Acht auf Euer Spiel: Ihr ſeyd matt.“ Indeſſen machte man im kaiſerlichen Rathe doch auch Man ſah wohl daß Wittenberg nicht ſo leicht erobert <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0532" n="520"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel</hi>.</fw><lb/> bald von der Wunde, die ihm beigebracht worden, geneſen<lb/> ſeyn, auch ein Wahrzeichen deſſelben mitbrachte, erſchien <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118712373">Jo-<lb/> hann Friedrich</persName> nicht anders als getroſt und herzhaft. Über<lb/> alle Furcht für ſich ſelber erhob ihn die Gewißheit einer an-<lb/> dern lebendigen Gemeinſchaft, der er von jeher angehört, und<lb/> ſein vollkommen reines Gewiſſen. Man erzählt, das Todes-<lb/> urtheil ſey ihm publicirt worden, als er mit Herzog <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118810944">Ernſt<lb/> von Braunſchweig</persName>, der mit ihm gefangen worden, Schach<lb/> ſpielte. <note place="foot" n="1"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/11806472X">Muͤllers</persName> ſaͤchſiſche Annales 106. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/100346243">Faletus</persName>. Beſonders <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118504630">Roger<lb/> Aſham</persName>; doch variiren die Angaben.</note> Er war längſt darauf gefaßt: nicht einmal in ſei-<lb/> nem Spiel ließ er dadurch ſich ſtören: „Vetter,“ ſagte er,<lb/> nachdem er das Urtel wie ein andres Papier neben ſich ge-<lb/> legt, „gebt Acht auf Euer Spiel: Ihr ſeyd matt.“</p><lb/> <p>Indeſſen machte man im kaiſerlichen Rathe doch auch<lb/> einige Betrachtungen andrer Art.</p><lb/> <p>Man ſah wohl daß <placeName>Wittenberg</placeName> nicht ſo leicht erobert<lb/> werden dürfte, als man geglaubt. Es war ſehr gut befe-<lb/> ſtigt, mit allem Nöthigen auf lange Zeit verſehen. Um die<lb/> Belagerungsarbeiten zu fördern, hatte <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118584138">Moritz</persName> 15000 Schanz-<lb/> gräber zu ſtellen verſprochen, aber nicht mehr als 300 auf-<lb/> bringen können. Die Spanier zeigten ſich ohnehin nicht<lb/> eben zu ſeinen Gunſten geſtimmt: ſie meinten, ſie ſeyen<lb/> nicht dazu da, um ihm Städte zu erobern. Dem Beicht-<lb/> vater erwiederte dann der Biſchof von <placeName>Arras</placeName>: man müſſe<lb/> Gott nicht weiter verſuchen, nicht immer Wunder erwarten:<lb/> würde man einen Anfall auf <placeName>Wittenberg</placeName> machen, ſo könne<lb/> man leicht die beſten Leute und überdieß die Reputation ver-<lb/> lieren, durch die man jetzt ſtark ſey: wie viel beſſer, wenn<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [520/0532]
Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel.
bald von der Wunde, die ihm beigebracht worden, geneſen
ſeyn, auch ein Wahrzeichen deſſelben mitbrachte, erſchien Jo-
hann Friedrich nicht anders als getroſt und herzhaft. Über
alle Furcht für ſich ſelber erhob ihn die Gewißheit einer an-
dern lebendigen Gemeinſchaft, der er von jeher angehört, und
ſein vollkommen reines Gewiſſen. Man erzählt, das Todes-
urtheil ſey ihm publicirt worden, als er mit Herzog Ernſt
von Braunſchweig, der mit ihm gefangen worden, Schach
ſpielte. 1 Er war längſt darauf gefaßt: nicht einmal in ſei-
nem Spiel ließ er dadurch ſich ſtören: „Vetter,“ ſagte er,
nachdem er das Urtel wie ein andres Papier neben ſich ge-
legt, „gebt Acht auf Euer Spiel: Ihr ſeyd matt.“
Indeſſen machte man im kaiſerlichen Rathe doch auch
einige Betrachtungen andrer Art.
Man ſah wohl daß Wittenberg nicht ſo leicht erobert
werden dürfte, als man geglaubt. Es war ſehr gut befe-
ſtigt, mit allem Nöthigen auf lange Zeit verſehen. Um die
Belagerungsarbeiten zu fördern, hatte Moritz 15000 Schanz-
gräber zu ſtellen verſprochen, aber nicht mehr als 300 auf-
bringen können. Die Spanier zeigten ſich ohnehin nicht
eben zu ſeinen Gunſten geſtimmt: ſie meinten, ſie ſeyen
nicht dazu da, um ihm Städte zu erobern. Dem Beicht-
vater erwiederte dann der Biſchof von Arras: man müſſe
Gott nicht weiter verſuchen, nicht immer Wunder erwarten:
würde man einen Anfall auf Wittenberg machen, ſo könne
man leicht die beſten Leute und überdieß die Reputation ver-
lieren, durch die man jetzt ſtark ſey: wie viel beſſer, wenn
1 Muͤllers ſaͤchſiſche Annales 106. Faletus. Beſonders Roger
Aſham; doch variiren die Angaben.
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