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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Achtes Buch. Fünftes Capitel.

Die Ersten die das Ufer erreichten waren Herzog Mo-
ritz
und der Herzog von Alba. Von einem Bauern, den
sie überredet, auf seinem Kahn hinüberzufahren, vernahmen
sie mit Sicherheit, daß Johann Friedrich noch selbst zuge-
gen sey. Sein Fußvolk war schon im Aufbrechen begriffen:
er wollte noch seine Sonntags-Andacht abwarten, um dem-
selben dann mit der Reiterei nachzufolgen. An dem Ufer
standen einige Hakenschützen, um die Schiffbrücke zu ver-
theidigen. 1

Glücklicher, einladender konnten die Dinge nicht stehn.
Eine bessere Gelegenheit, die Sache mit Einem Schlage zu
Ende zu bringen, ließ sich niemals erwarten. "Eilends und
übereilends", sagt der Bericht eines Anwesenden, "zog der
Kaiser herbei."

Die spanischen Hakenschützen des Vortrabs eröffneten
den Kampf gegen die Mannschaften welche die Schiffbrücke
vertheidigen sollten. Unter dem schützenden Feuer der Büch-
sen schwammen acht Spanier, rasch entkleidet, zwei von ihnen
ihre Säbel im Mund, auf die Schiffbrücke zu, erstiegen sie
und brachten sie in ihre Gewalt. Die Leute Johann Fried-
richs
, die eben beschäftigt gewesen sie aufzulösen, machten
einen vergeblichen Versuch sie wenigstens in Brand zu stecken.
Schon setzten auch einige Husaren durch den Fluß und zeig-
ten sich auf dem jenseitigen Ufer. Die churfürstlichen Rei-
ter, bereits im Abzug begriffen, kehrten noch einmal um und

1 Relatione di Lorenzo Contarini, 1547, dieselbe die unter
dem Titel Relne della casa d'Austria vorkommt, dadurch merkwür-
dig, daß sie die von beiden Theilen, besonders aber dem protestanti-
schen begangenen Fehler erörtert, ruft aus: Il nemico vicino e non
sta con guardia.
Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel.

Die Erſten die das Ufer erreichten waren Herzog Mo-
ritz
und der Herzog von Alba. Von einem Bauern, den
ſie überredet, auf ſeinem Kahn hinüberzufahren, vernahmen
ſie mit Sicherheit, daß Johann Friedrich noch ſelbſt zuge-
gen ſey. Sein Fußvolk war ſchon im Aufbrechen begriffen:
er wollte noch ſeine Sonntags-Andacht abwarten, um dem-
ſelben dann mit der Reiterei nachzufolgen. An dem Ufer
ſtanden einige Hakenſchützen, um die Schiffbrücke zu ver-
theidigen. 1

Glücklicher, einladender konnten die Dinge nicht ſtehn.
Eine beſſere Gelegenheit, die Sache mit Einem Schlage zu
Ende zu bringen, ließ ſich niemals erwarten. „Eilends und
übereilends“, ſagt der Bericht eines Anweſenden, „zog der
Kaiſer herbei.“

Die ſpaniſchen Hakenſchützen des Vortrabs eröffneten
den Kampf gegen die Mannſchaften welche die Schiffbrücke
vertheidigen ſollten. Unter dem ſchützenden Feuer der Büch-
ſen ſchwammen acht Spanier, raſch entkleidet, zwei von ihnen
ihre Säbel im Mund, auf die Schiffbrücke zu, erſtiegen ſie
und brachten ſie in ihre Gewalt. Die Leute Johann Fried-
richs
, die eben beſchäftigt geweſen ſie aufzulöſen, machten
einen vergeblichen Verſuch ſie wenigſtens in Brand zu ſtecken.
Schon ſetzten auch einige Huſaren durch den Fluß und zeig-
ten ſich auf dem jenſeitigen Ufer. Die churfürſtlichen Rei-
ter, bereits im Abzug begriffen, kehrten noch einmal um und

1 Relatione di Lorenzo Contarini, 1547, dieſelbe die unter
dem Titel Relne della casa d’Austria vorkommt, dadurch merkwuͤr-
dig, daß ſie die von beiden Theilen, beſonders aber dem proteſtanti-
ſchen begangenen Fehler eroͤrtert, ruft aus: Il nemico vicino e non
sta con guardia.
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[512/0524] Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel. Die Erſten die das Ufer erreichten waren Herzog Mo- ritz und der Herzog von Alba. Von einem Bauern, den ſie überredet, auf ſeinem Kahn hinüberzufahren, vernahmen ſie mit Sicherheit, daß Johann Friedrich noch ſelbſt zuge- gen ſey. Sein Fußvolk war ſchon im Aufbrechen begriffen: er wollte noch ſeine Sonntags-Andacht abwarten, um dem- ſelben dann mit der Reiterei nachzufolgen. An dem Ufer ſtanden einige Hakenſchützen, um die Schiffbrücke zu ver- theidigen. 1 Glücklicher, einladender konnten die Dinge nicht ſtehn. Eine beſſere Gelegenheit, die Sache mit Einem Schlage zu Ende zu bringen, ließ ſich niemals erwarten. „Eilends und übereilends“, ſagt der Bericht eines Anweſenden, „zog der Kaiſer herbei.“ Die ſpaniſchen Hakenſchützen des Vortrabs eröffneten den Kampf gegen die Mannſchaften welche die Schiffbrücke vertheidigen ſollten. Unter dem ſchützenden Feuer der Büch- ſen ſchwammen acht Spanier, raſch entkleidet, zwei von ihnen ihre Säbel im Mund, auf die Schiffbrücke zu, erſtiegen ſie und brachten ſie in ihre Gewalt. Die Leute Johann Fried- richs, die eben beſchäftigt geweſen ſie aufzulöſen, machten einen vergeblichen Verſuch ſie wenigſtens in Brand zu ſtecken. Schon ſetzten auch einige Huſaren durch den Fluß und zeig- ten ſich auf dem jenſeitigen Ufer. Die churfürſtlichen Rei- ter, bereits im Abzug begriffen, kehrten noch einmal um und 1 Relatione di Lorenzo Contarini, 1547, dieſelbe die unter dem Titel Relne della casa d’Austria vorkommt, dadurch merkwuͤr- dig, daß ſie die von beiden Theilen, beſonders aber dem proteſtanti- ſchen begangenen Fehler eroͤrtert, ruft aus: Il nemico vicino e non sta con guardia.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/524>, abgerufen am 12.05.2024.