Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.Aussöhnungen und Unterwerfungen. anflehte, die gegen sie gefaßte, allerdings wohl verdiente Un-gnade fallen zu lassen; nachdem der Kaiser nicht selbst, son- dern durch den Mund seines Vicecanzlers ihnen dieß zuge- sagt, "aus angeborner kaiserlicher Milde, und weil er das Verderben der Reichsstände nicht wolle", gelobten sie dafür unterthänigen Gehorsam so für ihre Nachkommen als für sich selbst in den demüthigsten Ausdrücken die sich finden ließen; obwohl man sie aufstehn hieß, so wagten sie das doch nicht eher als bis der Kaiser selbst ihnen mit einem Wink seiner Hand dazu das Zeichen gab. 1 Gewiß ein Glück, daß er es so weit gebracht: aber so Nur mit protestantischer Hülfe hatte er den Krieg wi- Schon hiedurch gerieth der Kaiser mit dem päpstlichen 1 Ausführlicher Bericht der Frankfurter Gesandten, Ogier von
Melem, Johann Fichard, Daniel zum Jungen, Hans Geddes, in dem 9ten Band der Rubrik "kaiserliche Briefe" im Frankf. Stadt-Archiv. Ausſoͤhnungen und Unterwerfungen. anflehte, die gegen ſie gefaßte, allerdings wohl verdiente Un-gnade fallen zu laſſen; nachdem der Kaiſer nicht ſelbſt, ſon- dern durch den Mund ſeines Vicecanzlers ihnen dieß zuge- ſagt, „aus angeborner kaiſerlicher Milde, und weil er das Verderben der Reichsſtände nicht wolle“, gelobten ſie dafür unterthänigen Gehorſam ſo für ihre Nachkommen als für ſich ſelbſt in den demüthigſten Ausdrücken die ſich finden ließen; obwohl man ſie aufſtehn hieß, ſo wagten ſie das doch nicht eher als bis der Kaiſer ſelbſt ihnen mit einem Wink ſeiner Hand dazu das Zeichen gab. 1 Gewiß ein Glück, daß er es ſo weit gebracht: aber ſo Nur mit proteſtantiſcher Hülfe hatte er den Krieg wi- Schon hiedurch gerieth der Kaiſer mit dem päpſtlichen 1 Ausfuͤhrlicher Bericht der Frankfurter Geſandten, Ogier von
Melem, Johann Fichard, Daniel zum Jungen, Hans Geddes, in dem 9ten Band der Rubrik „kaiſerliche Briefe“ im Frankf. Stadt-Archiv. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0483" n="471"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ausſoͤhnungen und Unterwerfungen</hi>.</fw><lb/> anflehte, die gegen ſie gefaßte, allerdings wohl verdiente Un-<lb/> gnade fallen zu laſſen; nachdem der Kaiſer nicht ſelbſt, ſon-<lb/> dern durch den Mund ſeines Vicecanzlers ihnen dieß zuge-<lb/> ſagt, „aus angeborner kaiſerlicher Milde, und weil er das<lb/> Verderben der Reichsſtände nicht wolle“, gelobten ſie dafür<lb/> unterthänigen Gehorſam ſo für ihre Nachkommen als für<lb/> ſich ſelbſt in den demüthigſten Ausdrücken die ſich finden<lb/> ließen; obwohl man ſie aufſtehn hieß, ſo wagten ſie das<lb/> doch nicht eher als bis der Kaiſer ſelbſt ihnen mit einem<lb/> Wink ſeiner Hand dazu das Zeichen gab. <note place="foot" n="1">Ausfuͤhrlicher Bericht der Frankfurter Geſandten, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/136995705">Ogier von<lb/> Melem</persName>, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/116489286">Johann Fichard</persName>, <persName ref="nognd">Daniel zum Jungen</persName>, <persName ref="nognd">Hans Geddes</persName>, in dem<lb/> 9ten Band der Rubrik „kaiſerliche Briefe“ im Frankf. Stadt-Archiv.</note></p><lb/> <p>Gewiß ein Glück, daß er es ſo weit gebracht: aber ſo<lb/> viel leuchtet auch ein, wenn wir unſern Blick nach einer an-<lb/> dern Seite richten, daß die Art und Weiſe wie er dahin ge-<lb/> langte, ihn in neue Schwierigkeiten verwickeln mußte.</p><lb/> <p>Nur mit proteſtantiſcher Hülfe hatte er den Krieg wi-<lb/> der die Proteſtanten unternommen: doch wiſſen wir wohl,<lb/> nicht ohne Bedingungen war ihm dieſelbe gewährt worden.<lb/> Je mehr nun dieſe Hülfe zur Entſcheidung beigetragen, um<lb/> ſo weniger waren die religiöſen Conceſſionen wieder zu be-<lb/> ſeitigen, mit denen man ſie erworben. Aber ohne ähnliche<lb/> Conceſſionen würden ſich auch die Städte nicht unterworfen<lb/> haben. Zwar waren dieſelben nicht ausdrücklich in die Ver-<lb/> träge aufgenommen, aber nichts deſto minder waren ſie ge-<lb/> ſchehen und wurden eifrig feſtgehalten.</p><lb/> <p>Schon hiedurch gerieth der Kaiſer mit dem päpſtlichen<lb/> Hofe in Weiterung. Der Nuntius glaubte bei alle dieſen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [471/0483]
Ausſoͤhnungen und Unterwerfungen.
anflehte, die gegen ſie gefaßte, allerdings wohl verdiente Un-
gnade fallen zu laſſen; nachdem der Kaiſer nicht ſelbſt, ſon-
dern durch den Mund ſeines Vicecanzlers ihnen dieß zuge-
ſagt, „aus angeborner kaiſerlicher Milde, und weil er das
Verderben der Reichsſtände nicht wolle“, gelobten ſie dafür
unterthänigen Gehorſam ſo für ihre Nachkommen als für
ſich ſelbſt in den demüthigſten Ausdrücken die ſich finden
ließen; obwohl man ſie aufſtehn hieß, ſo wagten ſie das
doch nicht eher als bis der Kaiſer ſelbſt ihnen mit einem
Wink ſeiner Hand dazu das Zeichen gab. 1
Gewiß ein Glück, daß er es ſo weit gebracht: aber ſo
viel leuchtet auch ein, wenn wir unſern Blick nach einer an-
dern Seite richten, daß die Art und Weiſe wie er dahin ge-
langte, ihn in neue Schwierigkeiten verwickeln mußte.
Nur mit proteſtantiſcher Hülfe hatte er den Krieg wi-
der die Proteſtanten unternommen: doch wiſſen wir wohl,
nicht ohne Bedingungen war ihm dieſelbe gewährt worden.
Je mehr nun dieſe Hülfe zur Entſcheidung beigetragen, um
ſo weniger waren die religiöſen Conceſſionen wieder zu be-
ſeitigen, mit denen man ſie erworben. Aber ohne ähnliche
Conceſſionen würden ſich auch die Städte nicht unterworfen
haben. Zwar waren dieſelben nicht ausdrücklich in die Ver-
träge aufgenommen, aber nichts deſto minder waren ſie ge-
ſchehen und wurden eifrig feſtgehalten.
Schon hiedurch gerieth der Kaiſer mit dem päpſtlichen
Hofe in Weiterung. Der Nuntius glaubte bei alle dieſen
1 Ausfuͤhrlicher Bericht der Frankfurter Geſandten, Ogier von
Melem, Johann Fichard, Daniel zum Jungen, Hans Geddes, in dem
9ten Band der Rubrik „kaiſerliche Briefe“ im Frankf. Stadt-Archiv.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |