glimpflichere Bedingungen als die übrigen Städte: es ward ihm keine Besatzung aufgedrungen: es brauchte nur 30000 G. zu zahlen; -- in dem Begnadigungsbrief werden den Bürgern ihre löblichen Gebräuche und Herkommen, wie sie die in Gebrauch haben, mithin auch die religiösen, obwohl sie nicht ausdrücklich genannt sind, zugesichert.
Dergestalt war auch die vierte große Reichsstadt dem Kaiser unterworfen; geistliche und weltliche Fürstenthümer am Rhein und in Schwaben gehorchten ihm wieder. Schon er- hoben die fehdelustigen Kriegshauptleute die unter Herzog Heinrich gedient, auch in dem niedern Deutschland die Waf- fen in des Kaisers Namen: im Februar fiel Minden in ihre Hand.
Carl V war in diesem Kriege ganz grau geworden: seine Krankheit griff ihn mit ungewöhnlicher Heftigkeit an: man be- merkte es fast mehr an der Bewegung seiner Lippen als an dem schwachen Ton seiner Stimme, wenn er redete: wer ihn sah, so leichenblaß, an allen Gliedern gelähmt, ward von Mitleiden ergriffen; aber eben dieß war der Augenblick wo er Herr zu werden begann, wo das unbesiegte Deutschland ihm zu gehorchen anfieng. Von allen Seiten kamen Für- sten und Herrn und die Gesandten so vieler Städte um sich vor ihm zu demüthigen. Man sah sie knien, "die ehrenfesten hochgelahrten fürsichtigen und weisen", wie die Urkunden sie nennen, die ihm so oft Widerpart gehalten, in der Mitte des versammelten Hofes, einer hinter dem andern in langer Reihe, mit niedergeschlagenen Augen: bis dann Ei- ner von ihnen das Wort nahm und S. kaiserliche Majestät um Gottes des Allmächtigen und seiner Barmherzigkeit willen
Achtes Buch. Drittes Capitel.
glimpflichere Bedingungen als die übrigen Städte: es ward ihm keine Beſatzung aufgedrungen: es brauchte nur 30000 G. zu zahlen; — in dem Begnadigungsbrief werden den Bürgern ihre löblichen Gebräuche und Herkommen, wie ſie die in Gebrauch haben, mithin auch die religiöſen, obwohl ſie nicht ausdrücklich genannt ſind, zugeſichert.
Dergeſtalt war auch die vierte große Reichsſtadt dem Kaiſer unterworfen; geiſtliche und weltliche Fürſtenthümer am Rhein und in Schwaben gehorchten ihm wieder. Schon er- hoben die fehdeluſtigen Kriegshauptleute die unter Herzog Heinrich gedient, auch in dem niedern Deutſchland die Waf- fen in des Kaiſers Namen: im Februar fiel Minden in ihre Hand.
Carl V war in dieſem Kriege ganz grau geworden: ſeine Krankheit griff ihn mit ungewöhnlicher Heftigkeit an: man be- merkte es faſt mehr an der Bewegung ſeiner Lippen als an dem ſchwachen Ton ſeiner Stimme, wenn er redete: wer ihn ſah, ſo leichenblaß, an allen Gliedern gelähmt, ward von Mitleiden ergriffen; aber eben dieß war der Augenblick wo er Herr zu werden begann, wo das unbeſiegte Deutſchland ihm zu gehorchen anfieng. Von allen Seiten kamen Für- ſten und Herrn und die Geſandten ſo vieler Städte um ſich vor ihm zu demüthigen. Man ſah ſie knien, „die ehrenfeſten hochgelahrten fürſichtigen und weiſen“, wie die Urkunden ſie nennen, die ihm ſo oft Widerpart gehalten, in der Mitte des verſammelten Hofes, einer hinter dem andern in langer Reihe, mit niedergeſchlagenen Augen: bis dann Ei- ner von ihnen das Wort nahm und S. kaiſerliche Majeſtät um Gottes des Allmächtigen und ſeiner Barmherzigkeit willen
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Achtes Buch. Drittes Capitel.
glimpflichere Bedingungen als die übrigen Städte: es ward
ihm keine Beſatzung aufgedrungen: es brauchte nur 30000
G. zu zahlen; — in dem Begnadigungsbrief werden den
Bürgern ihre löblichen Gebräuche und Herkommen, wie ſie
die in Gebrauch haben, mithin auch die religiöſen, obwohl
ſie nicht ausdrücklich genannt ſind, zugeſichert.
Dergeſtalt war auch die vierte große Reichsſtadt dem
Kaiſer unterworfen; geiſtliche und weltliche Fürſtenthümer am
Rhein und in Schwaben gehorchten ihm wieder. Schon er-
hoben die fehdeluſtigen Kriegshauptleute die unter Herzog
Heinrich gedient, auch in dem niedern Deutſchland die Waf-
fen in des Kaiſers Namen: im Februar fiel Minden in
ihre Hand.
Carl V war in dieſem Kriege ganz grau geworden: ſeine
Krankheit griff ihn mit ungewöhnlicher Heftigkeit an: man be-
merkte es faſt mehr an der Bewegung ſeiner Lippen als an
dem ſchwachen Ton ſeiner Stimme, wenn er redete: wer ihn
ſah, ſo leichenblaß, an allen Gliedern gelähmt, ward von
Mitleiden ergriffen; aber eben dieß war der Augenblick wo
er Herr zu werden begann, wo das unbeſiegte Deutſchland
ihm zu gehorchen anfieng. Von allen Seiten kamen Für-
ſten und Herrn und die Geſandten ſo vieler Städte um
ſich vor ihm zu demüthigen. Man ſah ſie knien, „die
ehrenfeſten hochgelahrten fürſichtigen und weiſen“, wie die
Urkunden ſie nennen, die ihm ſo oft Widerpart gehalten, in
der Mitte des verſammelten Hofes, einer hinter dem andern
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/482>, abgerufen am 25.11.2024.
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