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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Achtes Buch. Drittes Capitel.
sich. Sie forderten die Zusage, bei der Religion die sie an-
genommen und noch haben, ruhig gelassen zu werden bis
auf ein freies christliches Concil in deutscher Nation, zu der
alle Stände berufen und dabei gehört worden.

Johann Baumgärtner erschrak nicht wenig über diese
Forderung, als welche nicht bewilligt werden könnte, und rieth
ihnen nochmals unbedingte Unterwerfung.

Bei Granvella jedoch machten diese Erinnerungen alle den
Eindruck der ihnen zukam. Er sah wohl daß er ohne reli-
giöse Zugeständnisse keinen Schritt weiter kommen könne.

Und gab es nicht ein leichtes Mittel, hierüber eine vor-
läufig befriedigende Bestimmung zu treffen? Die Ulmer selbst
haben darauf aufmerksam gemacht, daß man ihnen die Zu-
sicherung, wenn sie nicht in den Tractat zu bringen sey,
in einer Nebenverschreibung gewähren möge, wie solche
dem Herzog Moritz und den brandenburgischen Fürsten zu
Theil geworden.

Am 12ten December hatten die Ulmer den Gegenent-
wurf eingereicht, der ihre Forderungen enthielt: am 13ten
erwiederte Granvella, nicht allein gedenke der Kaiser sie nicht
weiter zu verpflichten als nach den alten Eidesleistungen,
sondern überdieß in dem Artikel des Glaubens halber solle
es keinen Mangel haben: der Kaiser werde ihnen in einer

dingungen sämmtlich nach den im Reiche herkömmlichen Formeln.
Nur nach dem alten Eide z. B. wollten sie Carl dem Fünften Ge-
horsam versprechen, "als einem römischen Kaiser, sie als eine getreue
und gehorsame Stadt Ihr Majestät und des römischen Reiches";
"einem Kammergericht würden sie gehorchen wie es der Kaiser mit
den Ständen einrichten werde"; u. s. w. Auch weigerten sie sich
der Achtserklärung gegen Sachsen und Hessen in aller Form anzu-
hangen, wie es der Kaiser forderte: es schien ihnen eine eigne Ächtung
darin zu liegen.

Achtes Buch. Drittes Capitel.
ſich. Sie forderten die Zuſage, bei der Religion die ſie an-
genommen und noch haben, ruhig gelaſſen zu werden bis
auf ein freies chriſtliches Concil in deutſcher Nation, zu der
alle Stände berufen und dabei gehört worden.

Johann Baumgärtner erſchrak nicht wenig über dieſe
Forderung, als welche nicht bewilligt werden könnte, und rieth
ihnen nochmals unbedingte Unterwerfung.

Bei Granvella jedoch machten dieſe Erinnerungen alle den
Eindruck der ihnen zukam. Er ſah wohl daß er ohne reli-
giöſe Zugeſtändniſſe keinen Schritt weiter kommen könne.

Und gab es nicht ein leichtes Mittel, hierüber eine vor-
läufig befriedigende Beſtimmung zu treffen? Die Ulmer ſelbſt
haben darauf aufmerkſam gemacht, daß man ihnen die Zu-
ſicherung, wenn ſie nicht in den Tractat zu bringen ſey,
in einer Nebenverſchreibung gewähren möge, wie ſolche
dem Herzog Moritz und den brandenburgiſchen Fürſten zu
Theil geworden.

Am 12ten December hatten die Ulmer den Gegenent-
wurf eingereicht, der ihre Forderungen enthielt: am 13ten
erwiederte Granvella, nicht allein gedenke der Kaiſer ſie nicht
weiter zu verpflichten als nach den alten Eidesleiſtungen,
ſondern überdieß in dem Artikel des Glaubens halber ſolle
es keinen Mangel haben: der Kaiſer werde ihnen in einer

dingungen ſaͤmmtlich nach den im Reiche herkoͤmmlichen Formeln.
Nur nach dem alten Eide z. B. wollten ſie Carl dem Fuͤnften Ge-
horſam verſprechen, „als einem roͤmiſchen Kaiſer, ſie als eine getreue
und gehorſame Stadt Ihr Majeſtaͤt und des roͤmiſchen Reiches“;
„einem Kammergericht wuͤrden ſie gehorchen wie es der Kaiſer mit
den Staͤnden einrichten werde“; u. ſ. w. Auch weigerten ſie ſich
der Achtserklaͤrung gegen Sachſen und Heſſen in aller Form anzu-
hangen, wie es der Kaiſer forderte: es ſchien ihnen eine eigne Aͤchtung
darin zu liegen.
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[456/0468] Achtes Buch. Drittes Capitel. ſich. Sie forderten die Zuſage, bei der Religion die ſie an- genommen und noch haben, ruhig gelaſſen zu werden bis auf ein freies chriſtliches Concil in deutſcher Nation, zu der alle Stände berufen und dabei gehört worden. Johann Baumgärtner erſchrak nicht wenig über dieſe Forderung, als welche nicht bewilligt werden könnte, und rieth ihnen nochmals unbedingte Unterwerfung. Bei Granvella jedoch machten dieſe Erinnerungen alle den Eindruck der ihnen zukam. Er ſah wohl daß er ohne reli- giöſe Zugeſtändniſſe keinen Schritt weiter kommen könne. Und gab es nicht ein leichtes Mittel, hierüber eine vor- läufig befriedigende Beſtimmung zu treffen? Die Ulmer ſelbſt haben darauf aufmerkſam gemacht, daß man ihnen die Zu- ſicherung, wenn ſie nicht in den Tractat zu bringen ſey, in einer Nebenverſchreibung gewähren möge, wie ſolche dem Herzog Moritz und den brandenburgiſchen Fürſten zu Theil geworden. Am 12ten December hatten die Ulmer den Gegenent- wurf eingereicht, der ihre Forderungen enthielt: am 13ten erwiederte Granvella, nicht allein gedenke der Kaiſer ſie nicht weiter zu verpflichten als nach den alten Eidesleiſtungen, ſondern überdieß in dem Artikel des Glaubens halber ſolle es keinen Mangel haben: der Kaiſer werde ihnen in einer 1 1 dingungen ſaͤmmtlich nach den im Reiche herkoͤmmlichen Formeln. Nur nach dem alten Eide z. B. wollten ſie Carl dem Fuͤnften Ge- horſam verſprechen, „als einem roͤmiſchen Kaiſer, ſie als eine getreue und gehorſame Stadt Ihr Majeſtaͤt und des roͤmiſchen Reiches“; „einem Kammergericht wuͤrden ſie gehorchen wie es der Kaiſer mit den Staͤnden einrichten werde“; u. ſ. w. Auch weigerten ſie ſich der Achtserklaͤrung gegen Sachſen und Heſſen in aller Form anzu- hangen, wie es der Kaiſer forderte: es ſchien ihnen eine eigne Aͤchtung darin zu liegen.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/468>, abgerufen am 12.05.2024.