Besorgniß an. Dagegen gab dem Kaiser die Idee des Rei- ches und der bestehenden Ordnung der Dinge, die doch zu- letzt an seine Person sich knüpfte, des gewohnten Gehorsams, an und für sich eine gewisse Macht.
Das protestantische Heer war von den religiösen Ideen wohl berührt und ergriffen, aber keineswegs durchdrungen: es bestand aus Söldnern, die um Lohn dienten, nicht anders als das kaiserliche, und eben so wenig den Eindruck religiö- ser Zucht und Ordnung machten.
Und hiebei trat dann noch der Übelstand ein, daß die Heerführung keine Einheit darbot. Es war wie ein Schick- sal, daß Johann Friedrich, der sonst seiner Leibesbeschaffen- heit wegen es vorzog in seinem Lande zu bleiben, dieß Mal hauptsächlich dadurch, daß er aus Mangel an Soldreitern seine Lehnsmannschaft aufbieten müssen, bewogen worden war selbst mit zu Felde zu gehn. Da es an Meinungs- verschiedenheiten zwischen den beiden Anführern nicht fehlen konnte, da dann die Kriegsräthe zu entscheiden, die Befehls- haber des städtischen und des würtenbergischen Heeres mit- zureden hatten, so ward jedes Vorrücken und Zurückziehen, jede Bewegung ein Gegenstand der Besprechung. Für den Frieden und den gewöhnlichen Lauf der Dinge mögen Be- rathschlagungen taugen: soll aber ein Heerführer sein Talent entwickeln können, so darf er nicht erst in den entscheiden- den Momenten durch Rücksprache mit andern Gleichberech- tigten zu erforschen haben, ob er demselben vertrauen dürfe. Der Genius ist seiner Natur nach selbstherrschend: Gemein- schaft kann ihn nur lähmen.
Nachdem sich die Protestanten in Donauwerth vereinigt
Der ſchmalkaldiſche Krieg.
Beſorgniß an. Dagegen gab dem Kaiſer die Idee des Rei- ches und der beſtehenden Ordnung der Dinge, die doch zu- letzt an ſeine Perſon ſich knüpfte, des gewohnten Gehorſams, an und für ſich eine gewiſſe Macht.
Das proteſtantiſche Heer war von den religiöſen Ideen wohl berührt und ergriffen, aber keineswegs durchdrungen: es beſtand aus Söldnern, die um Lohn dienten, nicht anders als das kaiſerliche, und eben ſo wenig den Eindruck religiö- ſer Zucht und Ordnung machten.
Und hiebei trat dann noch der Übelſtand ein, daß die Heerführung keine Einheit darbot. Es war wie ein Schick- ſal, daß Johann Friedrich, der ſonſt ſeiner Leibesbeſchaffen- heit wegen es vorzog in ſeinem Lande zu bleiben, dieß Mal hauptſächlich dadurch, daß er aus Mangel an Soldreitern ſeine Lehnsmannſchaft aufbieten müſſen, bewogen worden war ſelbſt mit zu Felde zu gehn. Da es an Meinungs- verſchiedenheiten zwiſchen den beiden Anführern nicht fehlen konnte, da dann die Kriegsräthe zu entſcheiden, die Befehls- haber des ſtädtiſchen und des würtenbergiſchen Heeres mit- zureden hatten, ſo ward jedes Vorrücken und Zurückziehen, jede Bewegung ein Gegenſtand der Beſprechung. Für den Frieden und den gewöhnlichen Lauf der Dinge mögen Be- rathſchlagungen taugen: ſoll aber ein Heerführer ſein Talent entwickeln können, ſo darf er nicht erſt in den entſcheiden- den Momenten durch Rückſprache mit andern Gleichberech- tigten zu erforſchen haben, ob er demſelben vertrauen dürfe. Der Genius iſt ſeiner Natur nach ſelbſtherrſchend: Gemein- ſchaft kann ihn nur lähmen.
Nachdem ſich die Proteſtanten in Donauwerth vereinigt
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Der ſchmalkaldiſche Krieg.
Beſorgniß an. Dagegen gab dem Kaiſer die Idee des Rei-
ches und der beſtehenden Ordnung der Dinge, die doch zu-
letzt an ſeine Perſon ſich knüpfte, des gewohnten Gehorſams,
an und für ſich eine gewiſſe Macht.
Das proteſtantiſche Heer war von den religiöſen Ideen
wohl berührt und ergriffen, aber keineswegs durchdrungen:
es beſtand aus Söldnern, die um Lohn dienten, nicht anders
als das kaiſerliche, und eben ſo wenig den Eindruck religiö-
ſer Zucht und Ordnung machten.
Und hiebei trat dann noch der Übelſtand ein, daß die
Heerführung keine Einheit darbot. Es war wie ein Schick-
ſal, daß Johann Friedrich, der ſonſt ſeiner Leibesbeſchaffen-
heit wegen es vorzog in ſeinem Lande zu bleiben, dieß Mal
hauptſächlich dadurch, daß er aus Mangel an Soldreitern
ſeine Lehnsmannſchaft aufbieten müſſen, bewogen worden
war ſelbſt mit zu Felde zu gehn. Da es an Meinungs-
verſchiedenheiten zwiſchen den beiden Anführern nicht fehlen
konnte, da dann die Kriegsräthe zu entſcheiden, die Befehls-
haber des ſtädtiſchen und des würtenbergiſchen Heeres mit-
zureden hatten, ſo ward jedes Vorrücken und Zurückziehen,
jede Bewegung ein Gegenſtand der Beſprechung. Für den
Frieden und den gewöhnlichen Lauf der Dinge mögen Be-
rathſchlagungen taugen: ſoll aber ein Heerführer ſein Talent
entwickeln können, ſo darf er nicht erſt in den entſcheiden-
den Momenten durch Rückſprache mit andern Gleichberech-
tigten zu erforſchen haben, ob er demſelben vertrauen dürfe.
Der Genius iſt ſeiner Natur nach ſelbſtherrſchend: Gemein-
ſchaft kann ihn nur lähmen.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/441>, abgerufen am 25.11.2024.
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