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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Achtes Buch. Erstes Capitel.
als sie völlig isolirt waren, er dagegen sich nach allen Sei-
ten seiner Feinde entledigt hatte, geriethen sie mit ihm in
den schroffsten Widerspruch; Gegensätze kamen zur Sprache
in denen keiner von beiden weichen konnte, und zuletzt die
Gewalt zur Entscheidung herbeigerufen werden mußte. Ihre
Meinung, daß ihre Sache Gottes Sache sey und nicht un-
tergehn könne, hat etwas Ehrwürdiges, und ist wohl zuletzt
auf andre Weise gerechtfertigt worden. Allein die höchsten
Interessen fielen doch nicht so unbedingt mit ihrem Daseyn
zusammen. Nach und nach, sich selber unbewußt, waren sie
eine weltliche Macht geworden, wenn auch nur der Mino-
rität und der Opposition. Es fällt hart, es auszusprechen,
aber gewiß ist, daß ihre Politik, wiewohl sie mit den lobens-
werthesten Eigenschaften, namentlich reichsständischen Pflicht-
gefühls zusammenhieng, dennoch fehlerhaft war, und diese Feh-
ler, wie alle auf Erden, sich rächen mußten.

Schon in Worms ward zwischen Kaiser und Papst über
ein Bündniß gegen sie unterhandelt.

Man dürfte nicht meinen, als sey dem Papste daran
gelegen gewesen, daß der Kaiser die vereinigten Fürsten und
Stände sich unterwürfig mache. Vielmehr war ihm derselbe
ohnehin allzu gewaltig. Aber das Einverständniß zwischen
beiden war das drückendste was ihm begegnen konnte: dieß
vor allem mußte er zerstören. Es ließ sich mit aller Si-
cherheit voraussehen daß die Einberufung des Conciliums
zunächst ein Zerwürfniß zwischen ihnen zur Folge haben
werde: ein damaliger Legat, späterer Papst, erklärt unum-
wunden, der nächste Beweggrund dazu sey gewesen, die Wi-
dersetzlichkeit der Protestanten an Tag zu bringen: 1 und mit

1 Instruttione di Giulio III a Monsr Sipontino: Non siamo

Achtes Buch. Erſtes Capitel.
als ſie völlig iſolirt waren, er dagegen ſich nach allen Sei-
ten ſeiner Feinde entledigt hatte, geriethen ſie mit ihm in
den ſchroffſten Widerſpruch; Gegenſätze kamen zur Sprache
in denen keiner von beiden weichen konnte, und zuletzt die
Gewalt zur Entſcheidung herbeigerufen werden mußte. Ihre
Meinung, daß ihre Sache Gottes Sache ſey und nicht un-
tergehn könne, hat etwas Ehrwürdiges, und iſt wohl zuletzt
auf andre Weiſe gerechtfertigt worden. Allein die höchſten
Intereſſen fielen doch nicht ſo unbedingt mit ihrem Daſeyn
zuſammen. Nach und nach, ſich ſelber unbewußt, waren ſie
eine weltliche Macht geworden, wenn auch nur der Mino-
rität und der Oppoſition. Es fällt hart, es auszuſprechen,
aber gewiß iſt, daß ihre Politik, wiewohl ſie mit den lobens-
wertheſten Eigenſchaften, namentlich reichsſtändiſchen Pflicht-
gefühls zuſammenhieng, dennoch fehlerhaft war, und dieſe Feh-
ler, wie alle auf Erden, ſich rächen mußten.

Schon in Worms ward zwiſchen Kaiſer und Papſt über
ein Bündniß gegen ſie unterhandelt.

Man dürfte nicht meinen, als ſey dem Papſte daran
gelegen geweſen, daß der Kaiſer die vereinigten Fürſten und
Stände ſich unterwürfig mache. Vielmehr war ihm derſelbe
ohnehin allzu gewaltig. Aber das Einverſtändniß zwiſchen
beiden war das drückendſte was ihm begegnen konnte: dieß
vor allem mußte er zerſtören. Es ließ ſich mit aller Si-
cherheit vorausſehen daß die Einberufung des Conciliums
zunächſt ein Zerwürfniß zwiſchen ihnen zur Folge haben
werde: ein damaliger Legat, ſpäterer Papſt, erklärt unum-
wunden, der nächſte Beweggrund dazu ſey geweſen, die Wi-
derſetzlichkeit der Proteſtanten an Tag zu bringen: 1 und mit

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[376/0388] Achtes Buch. Erſtes Capitel. als ſie völlig iſolirt waren, er dagegen ſich nach allen Sei- ten ſeiner Feinde entledigt hatte, geriethen ſie mit ihm in den ſchroffſten Widerſpruch; Gegenſätze kamen zur Sprache in denen keiner von beiden weichen konnte, und zuletzt die Gewalt zur Entſcheidung herbeigerufen werden mußte. Ihre Meinung, daß ihre Sache Gottes Sache ſey und nicht un- tergehn könne, hat etwas Ehrwürdiges, und iſt wohl zuletzt auf andre Weiſe gerechtfertigt worden. Allein die höchſten Intereſſen fielen doch nicht ſo unbedingt mit ihrem Daſeyn zuſammen. Nach und nach, ſich ſelber unbewußt, waren ſie eine weltliche Macht geworden, wenn auch nur der Mino- rität und der Oppoſition. Es fällt hart, es auszuſprechen, aber gewiß iſt, daß ihre Politik, wiewohl ſie mit den lobens- wertheſten Eigenſchaften, namentlich reichsſtändiſchen Pflicht- gefühls zuſammenhieng, dennoch fehlerhaft war, und dieſe Feh- ler, wie alle auf Erden, ſich rächen mußten. Schon in Worms ward zwiſchen Kaiſer und Papſt über ein Bündniß gegen ſie unterhandelt. Man dürfte nicht meinen, als ſey dem Papſte daran gelegen geweſen, daß der Kaiſer die vereinigten Fürſten und Stände ſich unterwürfig mache. Vielmehr war ihm derſelbe ohnehin allzu gewaltig. Aber das Einverſtändniß zwiſchen beiden war das drückendſte was ihm begegnen konnte: dieß vor allem mußte er zerſtören. Es ließ ſich mit aller Si- cherheit vorausſehen daß die Einberufung des Conciliums zunächſt ein Zerwürfniß zwiſchen ihnen zur Folge haben werde: ein damaliger Legat, ſpäterer Papſt, erklärt unum- wunden, der nächſte Beweggrund dazu ſey geweſen, die Wi- derſetzlichkeit der Proteſtanten an Tag zu bringen: 1 und mit 1 Instruttione di Giulio III a Monsr Sipontino: Non siamo

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/388>, abgerufen am 25.11.2024.