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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Achtes Buch. Erstes Capitel.

Ein drittes lag in dem Fortgang welchen das protestan-
tische Prinzip in den Reichsangelegenheiten überhaupt nahm.

Mitte September 1545 war Herzog Heinrich von Braun-
schweig
wieder im Felde erschienen. Eine Söldnerschaar, die
sich im Meklenburgischen gesammelt und von da über die
Elbe nach der Nordsee hin gezogen war, unter dem Vor-
geben nach England übersetzen zu wollen, 1 in Diensten Hein-
richs VIII
, hatte er mit einer nur sehr mäßigen Geldsumme,
von der[ - 5 Zeichen fehlen] jedoch nicht weiß wie er dazu gekommen, an
sich gebracht, nach seinem Lande geführt, und dieß ohne
viel Mühe zum größten Theil besetzt. Daß er ein so statt-
liches Heer um sich sah, vorrückte, Zuzug fand, und vor al-
lem eine starke Partei hinter sich wußte, erfüllte ihn mit ei-
nem unglaublichen Selbstgefühl; er sagte wohl, er und der
Landgraf seyen wie Hannibal und Scipio: jetzt werde es
sich zwischen ihnen entscheiden, wer der Herr der Welt seyn
solle. Auch auf der protestantischen Seite meinte man wohl,
das werde der Pfaffenkrieg seyn, mit dem man nun schon
seit 20 Jahren umgegangen, um ihre Kirche zu zerstören, 2
und setzte sich mit aller Macht zur Wehr. Die drei Für-
sten von Sachsen und Hessen waren nochmals vereinigt:
Philipp und Moritz persönlich zugegen, und wohl noch ein-
mal so stark als der Feind. 3 Man möchte sagen, es giebt

1 Losius, Gedächtniß Christophs von Wrisberg. Hildesheim
1742. Urkunden Nr. 5, 6, 7. Dieses Werk enthält überhaupt die
wichtigsten Actenstücke für dieses Ereigniß, Schriften und Gegenschrif-
ten, welche bald darauf vor dem Kaiser gewechselt wurden.
2 Melanchthon 10 Oct. (V, p. 864) an Camerarius: Non
enim dimicabitur de illis Lycaoniis exuviis, sed
peri katasta-
oeos apason ekkleoion.
3 Wahrhaftige Erzählung der Geschicht etc. -- ein Bericht des
Achtes Buch. Erſtes Capitel.

Ein drittes lag in dem Fortgang welchen das proteſtan-
tiſche Prinzip in den Reichsangelegenheiten überhaupt nahm.

Mitte September 1545 war Herzog Heinrich von Braun-
ſchweig
wieder im Felde erſchienen. Eine Söldnerſchaar, die
ſich im Meklenburgiſchen geſammelt und von da über die
Elbe nach der Nordſee hin gezogen war, unter dem Vor-
geben nach England überſetzen zu wollen, 1 in Dienſten Hein-
richs VIII
, hatte er mit einer nur ſehr mäßigen Geldſumme,
von der[ – 5 Zeichen fehlen] jedoch nicht weiß wie er dazu gekommen, an
ſich gebracht, nach ſeinem Lande geführt, und dieß ohne
viel Mühe zum größten Theil beſetzt. Daß er ein ſo ſtatt-
liches Heer um ſich ſah, vorrückte, Zuzug fand, und vor al-
lem eine ſtarke Partei hinter ſich wußte, erfüllte ihn mit ei-
nem unglaublichen Selbſtgefühl; er ſagte wohl, er und der
Landgraf ſeyen wie Hannibal und Scipio: jetzt werde es
ſich zwiſchen ihnen entſcheiden, wer der Herr der Welt ſeyn
ſolle. Auch auf der proteſtantiſchen Seite meinte man wohl,
das werde der Pfaffenkrieg ſeyn, mit dem man nun ſchon
ſeit 20 Jahren umgegangen, um ihre Kirche zu zerſtören, 2
und ſetzte ſich mit aller Macht zur Wehr. Die drei Für-
ſten von Sachſen und Heſſen waren nochmals vereinigt:
Philipp und Moritz perſönlich zugegen, und wohl noch ein-
mal ſo ſtark als der Feind. 3 Man möchte ſagen, es giebt

1 Loſius, Gedaͤchtniß Chriſtophs von Wrisberg. Hildesheim
1742. Urkunden Nr. 5, 6, 7. Dieſes Werk enthaͤlt uͤberhaupt die
wichtigſten Actenſtuͤcke fuͤr dieſes Ereigniß, Schriften und Gegenſchrif-
ten, welche bald darauf vor dem Kaiſer gewechſelt wurden.
2 Melanchthon 10 Oct. (V, p. 864) an Camerarius: Non
enim dimicabitur de illis Lycaoniis exuviis, sed
πεϱὶ καταστά-
οεως ἁπασῶν ἐκκληοιῶν.
3 Wahrhaftige Erzaͤhlung der Geſchicht ꝛc. — ein Bericht des
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[366/0378] Achtes Buch. Erſtes Capitel. Ein drittes lag in dem Fortgang welchen das proteſtan- tiſche Prinzip in den Reichsangelegenheiten überhaupt nahm. Mitte September 1545 war Herzog Heinrich von Braun- ſchweig wieder im Felde erſchienen. Eine Söldnerſchaar, die ſich im Meklenburgiſchen geſammelt und von da über die Elbe nach der Nordſee hin gezogen war, unter dem Vor- geben nach England überſetzen zu wollen, 1 in Dienſten Hein- richs VIII, hatte er mit einer nur ſehr mäßigen Geldſumme, von der_____ jedoch nicht weiß wie er dazu gekommen, an ſich gebracht, nach ſeinem Lande geführt, und dieß ohne viel Mühe zum größten Theil beſetzt. Daß er ein ſo ſtatt- liches Heer um ſich ſah, vorrückte, Zuzug fand, und vor al- lem eine ſtarke Partei hinter ſich wußte, erfüllte ihn mit ei- nem unglaublichen Selbſtgefühl; er ſagte wohl, er und der Landgraf ſeyen wie Hannibal und Scipio: jetzt werde es ſich zwiſchen ihnen entſcheiden, wer der Herr der Welt ſeyn ſolle. Auch auf der proteſtantiſchen Seite meinte man wohl, das werde der Pfaffenkrieg ſeyn, mit dem man nun ſchon ſeit 20 Jahren umgegangen, um ihre Kirche zu zerſtören, 2 und ſetzte ſich mit aller Macht zur Wehr. Die drei Für- ſten von Sachſen und Heſſen waren nochmals vereinigt: Philipp und Moritz perſönlich zugegen, und wohl noch ein- mal ſo ſtark als der Feind. 3 Man möchte ſagen, es giebt 1 Loſius, Gedaͤchtniß Chriſtophs von Wrisberg. Hildesheim 1742. Urkunden Nr. 5, 6, 7. Dieſes Werk enthaͤlt uͤberhaupt die wichtigſten Actenſtuͤcke fuͤr dieſes Ereigniß, Schriften und Gegenſchrif- ten, welche bald darauf vor dem Kaiſer gewechſelt wurden. 2 Melanchthon 10 Oct. (V, p. 864) an Camerarius: Non enim dimicabitur de illis Lycaoniis exuviis, sed πεϱὶ καταστά- οεως ἁπασῶν ἐκκληοιῶν. 3 Wahrhaftige Erzaͤhlung der Geſchicht ꝛc. — ein Bericht des

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/378>, abgerufen am 22.11.2024.