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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Achtes Buch. Erstes Capitel.
dabei, in Gemeinschaft mit dem Commissarius apostolicus ge-
gen alle Die zu inquiriren, welche gegen die hergebrachte Lehre
und Administration der Sacramente freveln würden. 1

Hiedurch geschah nun, was zunächst nothwendig er-
schien: der Ausbreitung der neuen Lehre in der Metropole
selbst ward Einhalt gethan; aber es versteht sich daß es da-
bei sein Bewenden nicht haben konnte.

An der römischen Curie ward ein Proceß gegen den
Erzbischof instruirt, von dem man nicht zweifeln konnte wo-
hin er führen werde. Der Kaiser ließ bereits den Coadju-
tor über seine Gesinnung ausforschen, und nach einiger Zö-
gerung erklärte dieser, er werde sich als der allergetreueste
Diener Sr Majestät beweisen. Dem Erzbischof selber ver-
hehlte Carl nicht, daß er das Churfürstenthum mit allen sei-
nen Privilegien als vom Erzbisthum abhängig betrachte.

Bei Gelegenheit der Rückreise des Kaisers von Worms
kam es hierüber noch einmal zu einer merkwürdigen Zwie-
sprache zwischen ihm und dem Churfürsten. Der Churfürst
behauptete, er mache keine Neuerungen, er stelle nur die al-
ten Satzungen aus Befehl Christi her; durch den Reichsab-
schied von 1541 sey er hiezu ausdrücklich ermächtigt. Der
Kaiser antwortete, die Neuerung lasse sich nicht in Zwei-
fel ziehen; der oberste Priester werde sein Urtel darüber spre-
chen, das müsse er als ein gehorsamer Sohn der Kirche voll-
ziehen; aber selbst wenn der Hohe Priester still säße, würde
er der Sache nicht zusehen. Der Churfürst erinnerte ihn
an seine alten Dienste, mit denen er sich so viel Ungnade

1 Ausführliche Nachricht in einer den Reichstagsacten von
Worms Monat Juni im weim. Arch. beigelegten Schrift.

Achtes Buch. Erſtes Capitel.
dabei, in Gemeinſchaft mit dem Commiſſarius apoſtolicus ge-
gen alle Die zu inquiriren, welche gegen die hergebrachte Lehre
und Adminiſtration der Sacramente freveln würden. 1

Hiedurch geſchah nun, was zunächſt nothwendig er-
ſchien: der Ausbreitung der neuen Lehre in der Metropole
ſelbſt ward Einhalt gethan; aber es verſteht ſich daß es da-
bei ſein Bewenden nicht haben konnte.

An der römiſchen Curie ward ein Proceß gegen den
Erzbiſchof inſtruirt, von dem man nicht zweifeln konnte wo-
hin er führen werde. Der Kaiſer ließ bereits den Coadju-
tor über ſeine Geſinnung ausforſchen, und nach einiger Zö-
gerung erklärte dieſer, er werde ſich als der allergetreueſte
Diener Sr Majeſtät beweiſen. Dem Erzbiſchof ſelber ver-
hehlte Carl nicht, daß er das Churfürſtenthum mit allen ſei-
nen Privilegien als vom Erzbisthum abhängig betrachte.

Bei Gelegenheit der Rückreiſe des Kaiſers von Worms
kam es hierüber noch einmal zu einer merkwürdigen Zwie-
ſprache zwiſchen ihm und dem Churfürſten. Der Churfürſt
behauptete, er mache keine Neuerungen, er ſtelle nur die al-
ten Satzungen aus Befehl Chriſti her; durch den Reichsab-
ſchied von 1541 ſey er hiezu ausdrücklich ermächtigt. Der
Kaiſer antwortete, die Neuerung laſſe ſich nicht in Zwei-
fel ziehen; der oberſte Prieſter werde ſein Urtel darüber ſpre-
chen, das müſſe er als ein gehorſamer Sohn der Kirche voll-
ziehen; aber ſelbſt wenn der Hohe Prieſter ſtill ſäße, würde
er der Sache nicht zuſehen. Der Churfürſt erinnerte ihn
an ſeine alten Dienſte, mit denen er ſich ſo viel Ungnade

1 Ausfuͤhrliche Nachricht in einer den Reichstagsacten von
Worms Monat Juni im weim. Arch. beigelegten Schrift.
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[362/0374] Achtes Buch. Erſtes Capitel. dabei, in Gemeinſchaft mit dem Commiſſarius apoſtolicus ge- gen alle Die zu inquiriren, welche gegen die hergebrachte Lehre und Adminiſtration der Sacramente freveln würden. 1 Hiedurch geſchah nun, was zunächſt nothwendig er- ſchien: der Ausbreitung der neuen Lehre in der Metropole ſelbſt ward Einhalt gethan; aber es verſteht ſich daß es da- bei ſein Bewenden nicht haben konnte. An der römiſchen Curie ward ein Proceß gegen den Erzbiſchof inſtruirt, von dem man nicht zweifeln konnte wo- hin er führen werde. Der Kaiſer ließ bereits den Coadju- tor über ſeine Geſinnung ausforſchen, und nach einiger Zö- gerung erklärte dieſer, er werde ſich als der allergetreueſte Diener Sr Majeſtät beweiſen. Dem Erzbiſchof ſelber ver- hehlte Carl nicht, daß er das Churfürſtenthum mit allen ſei- nen Privilegien als vom Erzbisthum abhängig betrachte. Bei Gelegenheit der Rückreiſe des Kaiſers von Worms kam es hierüber noch einmal zu einer merkwürdigen Zwie- ſprache zwiſchen ihm und dem Churfürſten. Der Churfürſt behauptete, er mache keine Neuerungen, er ſtelle nur die al- ten Satzungen aus Befehl Chriſti her; durch den Reichsab- ſchied von 1541 ſey er hiezu ausdrücklich ermächtigt. Der Kaiſer antwortete, die Neuerung laſſe ſich nicht in Zwei- fel ziehen; der oberſte Prieſter werde ſein Urtel darüber ſpre- chen, das müſſe er als ein gehorſamer Sohn der Kirche voll- ziehen; aber ſelbſt wenn der Hohe Prieſter ſtill ſäße, würde er der Sache nicht zuſehen. Der Churfürſt erinnerte ihn an ſeine alten Dienſte, mit denen er ſich ſo viel Ungnade 1 Ausfuͤhrliche Nachricht in einer den Reichstagsacten von Worms Monat Juni im weim. Arch. beigelegten Schrift.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/374>, abgerufen am 23.11.2024.