langt. Auf den Reichstagen spotten sie wohl ihrer Colle- gen aus andern Städten, die nicht so geeignete Maaßregeln ergriffen und darüber Schaden erlitten hätten. Von dem erprobten System konnten sie nun nicht geneigt seyn zurück- zutreten, am wenigsten unter dem Einfluß des Erzbischofs; diesen suchten sie vielmehr von jeher so weit wie möglich zu entfernen.
Und noch wichtiger war der Widerspruch des Capitels, dem gesetzmäßig Theilnahme an der geistlichen Verwaltung zukam.
Es mag seyn, wie in einigen gleichzeitigen Schriften behauptet wird, daß dieser Widerstand sich besonders an den Dompropst Georg von Braunschweig, Bruder des verjagten Herzog Heinrich knüpfte, was denn auch eine von den nach- theiligen Rückwirkungen jenes kriegerischen Unternehmens wäre; doch entschied dieß nicht: unter den Fürsten und Herren die in dem Capitel saßen, war die Mehrzahl zu einer Verände- rung geneigt. Merkwürdig ist, wovon hier die Entscheidung abhieng. In dem Cöllner Domcapitel hatten sieben Mitglie- der von der Priesterschaft Sitz und Stimme, deren Seele von aller Annäherung entfernt war. 1 Es entrüstete sie, daß ein Mann wie Butzer, ausgetretener Dominicaner, zweimal ver- heirathet, doch von ihrem Erzbischof berufen worden war und das Land in demselben Sinne reformiren wollte, den sie so oft von der Kanzel und in dem Beichtstuhl bekämpft hatten. Sie machten es ihm zum besondern Vorwurf, daß er die Freiheiten des Clerus bestritten, daß er sogar gesagt habe, man würde besser thun, die Stiftsgüter zu Schulen zu ver-
langt. Auf den Reichstagen ſpotten ſie wohl ihrer Colle- gen aus andern Städten, die nicht ſo geeignete Maaßregeln ergriffen und darüber Schaden erlitten hätten. Von dem erprobten Syſtem konnten ſie nun nicht geneigt ſeyn zurück- zutreten, am wenigſten unter dem Einfluß des Erzbiſchofs; dieſen ſuchten ſie vielmehr von jeher ſo weit wie möglich zu entfernen.
Und noch wichtiger war der Widerſpruch des Capitels, dem geſetzmäßig Theilnahme an der geiſtlichen Verwaltung zukam.
Es mag ſeyn, wie in einigen gleichzeitigen Schriften behauptet wird, daß dieſer Widerſtand ſich beſonders an den Dompropſt Georg von Braunſchweig, Bruder des verjagten Herzog Heinrich knüpfte, was denn auch eine von den nach- theiligen Rückwirkungen jenes kriegeriſchen Unternehmens wäre; doch entſchied dieß nicht: unter den Fürſten und Herren die in dem Capitel ſaßen, war die Mehrzahl zu einer Verände- rung geneigt. Merkwürdig iſt, wovon hier die Entſcheidung abhieng. In dem Cöllner Domcapitel hatten ſieben Mitglie- der von der Prieſterſchaft Sitz und Stimme, deren Seele von aller Annäherung entfernt war. 1 Es entrüſtete ſie, daß ein Mann wie Butzer, ausgetretener Dominicaner, zweimal ver- heirathet, doch von ihrem Erzbiſchof berufen worden war und das Land in demſelben Sinne reformiren wollte, den ſie ſo oft von der Kanzel und in dem Beichtſtuhl bekämpft hatten. Sie machten es ihm zum beſondern Vorwurf, daß er die Freiheiten des Clerus beſtritten, daß er ſogar geſagt habe, man würde beſſer thun, die Stiftsgüter zu Schulen zu ver-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0347"n="335"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Reformation im Erzſtift <placeName>Coͤlln</placeName></hi>.</fw><lb/>
langt. Auf den Reichstagen ſpotten ſie wohl ihrer Colle-<lb/>
gen aus andern Städten, die nicht ſo geeignete Maaßregeln<lb/>
ergriffen und darüber Schaden erlitten hätten. Von dem<lb/>
erprobten Syſtem konnten ſie nun nicht geneigt ſeyn zurück-<lb/>
zutreten, am wenigſten unter dem Einfluß des Erzbiſchofs;<lb/>
dieſen ſuchten ſie vielmehr von jeher ſo weit wie möglich<lb/>
zu entfernen.</p><lb/><p>Und noch wichtiger war der Widerſpruch des Capitels,<lb/>
dem geſetzmäßig Theilnahme an der geiſtlichen Verwaltung zukam.</p><lb/><p>Es mag ſeyn, wie in einigen gleichzeitigen Schriften<lb/>
behauptet wird, daß dieſer Widerſtand ſich beſonders an den<lb/>
Dompropſt <persNameref="http://d-nb.info/gnd/119684012">Georg von Braunſchweig</persName>, Bruder des verjagten<lb/>
Herzog <persNameref="http://d-nb.info/gnd/119024918">Heinrich</persName> knüpfte, was denn auch eine von den nach-<lb/>
theiligen Rückwirkungen jenes kriegeriſchen Unternehmens wäre;<lb/>
doch entſchied dieß nicht: unter den Fürſten und Herren die<lb/>
in dem Capitel ſaßen, war die Mehrzahl zu einer Verände-<lb/>
rung geneigt. Merkwürdig iſt, wovon hier die Entſcheidung<lb/>
abhieng. In dem Cöllner Domcapitel hatten ſieben Mitglie-<lb/>
der von der Prieſterſchaft Sitz und Stimme, deren Seele von<lb/>
aller Annäherung entfernt war. <noteplace="foot"n="1"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118516507">Butzer</persName> an Landgraf <persNameref="http://d-nb.info/gnd/11859382X">Philipp</persName> 13 Juni 1543 bei <persNameref="http://d-nb.info/gnd/104286067 ">Neudecker</persName><lb/>
Actenſtuͤcke <hirendition="#aq">p.</hi> 350.</note> Es entrüſtete ſie, daß ein<lb/>
Mann wie <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118516507">Butzer</persName>, ausgetretener Dominicaner, zweimal ver-<lb/>
heirathet, doch von ihrem Erzbiſchof berufen worden war und<lb/>
das Land in demſelben Sinne reformiren wollte, den ſie ſo<lb/>
oft von der Kanzel und in dem Beichtſtuhl bekämpft hatten.<lb/>
Sie machten es ihm zum beſondern Vorwurf, daß er die<lb/>
Freiheiten des Clerus beſtritten, daß er ſogar geſagt habe,<lb/>
man würde beſſer thun, die Stiftsgüter zu Schulen zu ver-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[335/0347]
Reformation im Erzſtift Coͤlln.
langt. Auf den Reichstagen ſpotten ſie wohl ihrer Colle-
gen aus andern Städten, die nicht ſo geeignete Maaßregeln
ergriffen und darüber Schaden erlitten hätten. Von dem
erprobten Syſtem konnten ſie nun nicht geneigt ſeyn zurück-
zutreten, am wenigſten unter dem Einfluß des Erzbiſchofs;
dieſen ſuchten ſie vielmehr von jeher ſo weit wie möglich
zu entfernen.
Und noch wichtiger war der Widerſpruch des Capitels,
dem geſetzmäßig Theilnahme an der geiſtlichen Verwaltung zukam.
Es mag ſeyn, wie in einigen gleichzeitigen Schriften
behauptet wird, daß dieſer Widerſtand ſich beſonders an den
Dompropſt Georg von Braunſchweig, Bruder des verjagten
Herzog Heinrich knüpfte, was denn auch eine von den nach-
theiligen Rückwirkungen jenes kriegeriſchen Unternehmens wäre;
doch entſchied dieß nicht: unter den Fürſten und Herren die
in dem Capitel ſaßen, war die Mehrzahl zu einer Verände-
rung geneigt. Merkwürdig iſt, wovon hier die Entſcheidung
abhieng. In dem Cöllner Domcapitel hatten ſieben Mitglie-
der von der Prieſterſchaft Sitz und Stimme, deren Seele von
aller Annäherung entfernt war. 1 Es entrüſtete ſie, daß ein
Mann wie Butzer, ausgetretener Dominicaner, zweimal ver-
heirathet, doch von ihrem Erzbiſchof berufen worden war und
das Land in demſelben Sinne reformiren wollte, den ſie ſo
oft von der Kanzel und in dem Beichtſtuhl bekämpft hatten.
Sie machten es ihm zum beſondern Vorwurf, daß er die
Freiheiten des Clerus beſtritten, daß er ſogar geſagt habe,
man würde beſſer thun, die Stiftsgüter zu Schulen zu ver-
1 Butzer an Landgraf Philipp 13 Juni 1543 bei Neudecker
Actenſtuͤcke p. 350.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/347>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.