Wenn andre geistliche Fürsten früher oder später ähn- liche Absichten gehegt haben, so ist das meistentheils darum geschehen weil sie ihre Stifter zu säcularisiren, sich vielleicht zu verheirathen, als weltliche Herren zu leben dachten. Bei Erzbischof Hermann war dieß nicht der Fall. Nebenabsich- ten haben ihm selbst seine Feinde nicht zugeschrieben. Man hat damals über ihn gelächelt, daß er wenig Gelehrsamkeit besitze, in seinem Leben kaum zwei Messen gelesen, an sei- nem Halse ein Amulet trage, an der Seite eine Wehr, welche unter dem erzbischöflichen Mantel hervorgehe, und daß er bei alle dem die Kirche reformiren wolle. Er selbst hat seine Mängel nie verhehlt. Von jeher, sagt er, habe er nicht anders gehört noch geglaubt, als daß ein Chur- fürst zu Cölln ein weltlicher Herr sey, der sich mit aller weltlichen Pracht umgeben müsse: erst spät habe er gelernt, daß er als Erzbischof vor allem für seine Kirche zu sorgen habe. 1 Schon seit längerer Zeit hatte er Versuche gemacht, dieß auf dem herkömmlichen Wege zu leisten. Wir gedach- ten der Reformation die er im Jahr 1536 mit seinen Suf- fraganen entwarf; sie fiel aber nicht allein ungenügend aus, sondern regte mit den clericalischen Tendenzen die sie fest- hielt, auch in den weltlichen Großen der Diöcese unüber- windlichen Widerstand auf. Hermann von Cölln bemerkte endlich, wie er sagt, daß er mit diesen Berathschlagungen darum nicht weiter komme, weil sich doch alles auf mensch-
1 Bericht über seine letzten Augenblicke. (A. z. Br.)
Wenn andre geiſtliche Fürſten früher oder ſpäter ähn- liche Abſichten gehegt haben, ſo iſt das meiſtentheils darum geſchehen weil ſie ihre Stifter zu ſäculariſiren, ſich vielleicht zu verheirathen, als weltliche Herren zu leben dachten. Bei Erzbiſchof Hermann war dieß nicht der Fall. Nebenabſich- ten haben ihm ſelbſt ſeine Feinde nicht zugeſchrieben. Man hat damals über ihn gelächelt, daß er wenig Gelehrſamkeit beſitze, in ſeinem Leben kaum zwei Meſſen geleſen, an ſei- nem Halſe ein Amulet trage, an der Seite eine Wehr, welche unter dem erzbiſchöflichen Mantel hervorgehe, und daß er bei alle dem die Kirche reformiren wolle. Er ſelbſt hat ſeine Mängel nie verhehlt. Von jeher, ſagt er, habe er nicht anders gehört noch geglaubt, als daß ein Chur- fürſt zu Cölln ein weltlicher Herr ſey, der ſich mit aller weltlichen Pracht umgeben müſſe: erſt ſpät habe er gelernt, daß er als Erzbiſchof vor allem für ſeine Kirche zu ſorgen habe. 1 Schon ſeit längerer Zeit hatte er Verſuche gemacht, dieß auf dem herkömmlichen Wege zu leiſten. Wir gedach- ten der Reformation die er im Jahr 1536 mit ſeinen Suf- fraganen entwarf; ſie fiel aber nicht allein ungenügend aus, ſondern regte mit den clericaliſchen Tendenzen die ſie feſt- hielt, auch in den weltlichen Großen der Diöceſe unüber- windlichen Widerſtand auf. Hermann von Cölln bemerkte endlich, wie er ſagt, daß er mit dieſen Berathſchlagungen darum nicht weiter komme, weil ſich doch alles auf menſch-
1 Bericht uͤber ſeine letzten Augenblicke. (A. z. Br.)
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[330/0342]
Siebentes Buch. Neuntes Capitel.
Hermann von Wied, Erzbiſchof und Churfürſt von Cölln,
Adminiſtrator von Paderborn, machte einen Verſuch, die evan-
geliſchen Lehren in ſeinem Erzſtift einzuführen.
Wenn andre geiſtliche Fürſten früher oder ſpäter ähn-
liche Abſichten gehegt haben, ſo iſt das meiſtentheils darum
geſchehen weil ſie ihre Stifter zu ſäculariſiren, ſich vielleicht
zu verheirathen, als weltliche Herren zu leben dachten. Bei
Erzbiſchof Hermann war dieß nicht der Fall. Nebenabſich-
ten haben ihm ſelbſt ſeine Feinde nicht zugeſchrieben. Man
hat damals über ihn gelächelt, daß er wenig Gelehrſamkeit
beſitze, in ſeinem Leben kaum zwei Meſſen geleſen, an ſei-
nem Halſe ein Amulet trage, an der Seite eine Wehr,
welche unter dem erzbiſchöflichen Mantel hervorgehe, und
daß er bei alle dem die Kirche reformiren wolle. Er ſelbſt
hat ſeine Mängel nie verhehlt. Von jeher, ſagt er, habe
er nicht anders gehört noch geglaubt, als daß ein Chur-
fürſt zu Cölln ein weltlicher Herr ſey, der ſich mit aller
weltlichen Pracht umgeben müſſe: erſt ſpät habe er gelernt,
daß er als Erzbiſchof vor allem für ſeine Kirche zu ſorgen
habe. 1 Schon ſeit längerer Zeit hatte er Verſuche gemacht,
dieß auf dem herkömmlichen Wege zu leiſten. Wir gedach-
ten der Reformation die er im Jahr 1536 mit ſeinen Suf-
fraganen entwarf; ſie fiel aber nicht allein ungenügend aus,
ſondern regte mit den clericaliſchen Tendenzen die ſie feſt-
hielt, auch in den weltlichen Großen der Diöceſe unüber-
windlichen Widerſtand auf. Hermann von Cölln bemerkte
endlich, wie er ſagt, daß er mit dieſen Berathſchlagungen
darum nicht weiter komme, weil ſich doch alles auf menſch-
1 Bericht uͤber ſeine letzten Augenblicke. (A. z. Br.)
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/342>, abgerufen am 22.11.2024.
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