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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Achtes Capitel.

Ohne Zweifel sind darin, wie in allen frühern Freund-
schaftstractaten zwischen dem Kaiser und König, Bestimmun-
gen vorgekommen, welche gegen die Protestanten angewendet
werden konnten; doch gieng so viel wir sehen die nächste
große Tendenz in diesem Augenblick nicht wider sie.

Eher war diese gegen den Papst gerichtet.

Die Unterhandlungen über eine engere Familienverbin-
dung zwischen Franz I und dem Papst wurden abgebro-
chen und es erfolgte eine unleugbare Entfremdung zwi-
schen Beiden. Man bemerkte daß der anwesende päpstliche
Nuntius, der bei den Friedensunterhandlungen zugezogen
zu werden wünschte, doch kein Wort davon erfuhr. Ein
paar Cardinäle erschienen in Lyon, aber aus Furcht sie
möchten alles rückgängig machen, vermied man sie herbei-
kommen zu lassen. 1

Der gleichzeitige päpstliche Geschichtschreiber versichert,
die Nachricht von den Plänen die gegen den römischen Hof in

träge mit Frankreich wohl dem Kaiser selbst nicht bekannt, sieht ganz
aus wie eine Ausflucht. The council etc. Statepapers I, 859. Auch
finden sich Angaben über zwei Puncte von denen darin die Rede ge-
wesen ist. Als die französischen Gesandten sich beim Anfang des Con-
cils zurückzuziehen drohten, legte ihnen dieß Granvella zur Last "e
mise fuori quel capitolo della pace, dove il re aveva obligato l'im-
peratore a concorrere a un tal concilio,"
Pallavicini I, 556, so
daß diese Sache von Frankreich zur Sprache gebracht worden zu seyn
scheint. Der Kaiser selbst dagegen berichtet dem Papst, durch den
Tractat werde es in seine Hand gestellt, die Hülfe des Königs gegen
die Türken oder in Sachen des Glaubens anzuwenden: "que el rey
de Francia avia de ayudar para contra el Turco o para lo de
la religion
(die Worte sind wohl absichtlich unbestimmt) a voluntad
del Cesar."
Instruction für Andalot bei Sandoval II, p. 525.
1 Marino Cavalli Relatione di Francia 1546 in der Raccolta
delle relazioni I, p.
263 und 275.
Siebentes Buch. Achtes Capitel.

Ohne Zweifel ſind darin, wie in allen frühern Freund-
ſchaftstractaten zwiſchen dem Kaiſer und König, Beſtimmun-
gen vorgekommen, welche gegen die Proteſtanten angewendet
werden konnten; doch gieng ſo viel wir ſehen die nächſte
große Tendenz in dieſem Augenblick nicht wider ſie.

Eher war dieſe gegen den Papſt gerichtet.

Die Unterhandlungen über eine engere Familienverbin-
dung zwiſchen Franz I und dem Papſt wurden abgebro-
chen und es erfolgte eine unleugbare Entfremdung zwi-
ſchen Beiden. Man bemerkte daß der anweſende päpſtliche
Nuntius, der bei den Friedensunterhandlungen zugezogen
zu werden wünſchte, doch kein Wort davon erfuhr. Ein
paar Cardinäle erſchienen in Lyon, aber aus Furcht ſie
möchten alles rückgängig machen, vermied man ſie herbei-
kommen zu laſſen. 1

Der gleichzeitige päpſtliche Geſchichtſchreiber verſichert,
die Nachricht von den Plänen die gegen den römiſchen Hof in

traͤge mit Frankreich wohl dem Kaiſer ſelbſt nicht bekannt, ſieht ganz
aus wie eine Ausflucht. The council etc. Statepapers I, 859. Auch
finden ſich Angaben uͤber zwei Puncte von denen darin die Rede ge-
weſen iſt. Als die franzoͤſiſchen Geſandten ſich beim Anfang des Con-
cils zuruͤckzuziehen drohten, legte ihnen dieß Granvella zur Laſt „e
mise fuori quel capitolo della pace, dove il re aveva obligato l’im-
peratore a concorrere a un tal concilio,“
Pallavicini I, 556, ſo
daß dieſe Sache von Frankreich zur Sprache gebracht worden zu ſeyn
ſcheint. Der Kaiſer ſelbſt dagegen berichtet dem Papſt, durch den
Tractat werde es in ſeine Hand geſtellt, die Huͤlfe des Koͤnigs gegen
die Tuͤrken oder in Sachen des Glaubens anzuwenden: „que el rey
de Francia avia de ayudar para contra el Turco o para lo de
la religion
(die Worte ſind wohl abſichtlich unbeſtimmt) a voluntad
del Cesar.“
Inſtruction fuͤr Andalot bei Sandoval II, p. 525.
1 Marino Cavalli Relatione di Francia 1546 in der Raccolta
delle relazioni I, p.
263 und 275.
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[318/0330] Siebentes Buch. Achtes Capitel. Ohne Zweifel ſind darin, wie in allen frühern Freund- ſchaftstractaten zwiſchen dem Kaiſer und König, Beſtimmun- gen vorgekommen, welche gegen die Proteſtanten angewendet werden konnten; doch gieng ſo viel wir ſehen die nächſte große Tendenz in dieſem Augenblick nicht wider ſie. Eher war dieſe gegen den Papſt gerichtet. Die Unterhandlungen über eine engere Familienverbin- dung zwiſchen Franz I und dem Papſt wurden abgebro- chen und es erfolgte eine unleugbare Entfremdung zwi- ſchen Beiden. Man bemerkte daß der anweſende päpſtliche Nuntius, der bei den Friedensunterhandlungen zugezogen zu werden wünſchte, doch kein Wort davon erfuhr. Ein paar Cardinäle erſchienen in Lyon, aber aus Furcht ſie möchten alles rückgängig machen, vermied man ſie herbei- kommen zu laſſen. 1 Der gleichzeitige päpſtliche Geſchichtſchreiber verſichert, die Nachricht von den Plänen die gegen den römiſchen Hof in 2 1 Marino Cavalli Relatione di Francia 1546 in der Raccolta delle relazioni I, p. 263 und 275. 2 traͤge mit Frankreich wohl dem Kaiſer ſelbſt nicht bekannt, ſieht ganz aus wie eine Ausflucht. The council etc. Statepapers I, 859. Auch finden ſich Angaben uͤber zwei Puncte von denen darin die Rede ge- weſen iſt. Als die franzoͤſiſchen Geſandten ſich beim Anfang des Con- cils zuruͤckzuziehen drohten, legte ihnen dieß Granvella zur Laſt „e mise fuori quel capitolo della pace, dove il re aveva obligato l’im- peratore a concorrere a un tal concilio,“ Pallavicini I, 556, ſo daß dieſe Sache von Frankreich zur Sprache gebracht worden zu ſeyn ſcheint. Der Kaiſer ſelbſt dagegen berichtet dem Papſt, durch den Tractat werde es in ſeine Hand geſtellt, die Huͤlfe des Koͤnigs gegen die Tuͤrken oder in Sachen des Glaubens anzuwenden: „que el rey de Francia avia de ayudar para contra el Turco o para lo de la religion (die Worte ſind wohl abſichtlich unbeſtimmt) a voluntad del Cesar.“ Inſtruction fuͤr Andalot bei Sandoval II, p. 525.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/330>, abgerufen am 22.05.2024.