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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Achtes Capitel.
seine Meinung war nur, wie im Jahr 1536, den König
mit Vortheil zum Frieden zu nöthigen; dazu bot sich ihm
nunmehr die Aussicht dar.

Schon vor St. Dizier war die Unterhandlung eröffnet
worden; jetzt, als der Kaiser sein Hauptquartier zu Soissons
aufgeschlagen, kam der Friede zu Stande: zu Crespy 14 Sept.

Man erstaunt, wenn man unter den Bedingungen eines
Friedens der so nah bei Paris abgeschlossen worden, das
Versprechen des Kaisers findet, den zweiten Sohn seines
Feindes, den jungen Herzog von Orleans, entweder mit sei-
ner eigenen oder mit der Tochter seines Bruders zu vermäh-
len, und der ersten die Niederlande, der zweiten Mailand zur
Aussteuer zu geben. Allein man muß sich erinnern, daß der
Kaiser ähnliche Vorschläge von jeher gemacht, der König
von Frankreich aber, der immer alle alten Rechte seines Hau-
ses an Mailand vorbehalten, darauf einzugehn verweigert
hatte. Der Kaiser hatte die Genugthuung, daß dieser Streit
jetzt nach seiner Ansicht, nach seinen Vorschlägen entschieden
wurde. 1 Er sollte doch die Festungen von Cremona und
Mailand, so lange es ihm gefalle, in eigner Hand behalten
dürfen, in allen andern Schlössern im Lande sollten nur Be-
fehlshaber die ihm angenehm seyen, zugelassen werden und
ihm wie dem Reiche den Eid der Treue leisten; würde der
Herzog ohne lehnfähige Erben mit Tode abgehn, so sollte
das Land an den alsdann regierenden Kaiser zurückfallen.

Ein weiterer Vortheil war, daß nicht allein die gegensei-
tigen Eroberungen herausgegeben werden sollten, inbegriffen
Piemont, sondern der König aufs neue auf die Oberherrlich-

1 Mailand sollte überliefert werden "come feudo nuovo, e non
come ereditario della casa d'Orliens"
(von der Valentina her).

Siebentes Buch. Achtes Capitel.
ſeine Meinung war nur, wie im Jahr 1536, den König
mit Vortheil zum Frieden zu nöthigen; dazu bot ſich ihm
nunmehr die Ausſicht dar.

Schon vor St. Dizier war die Unterhandlung eröffnet
worden; jetzt, als der Kaiſer ſein Hauptquartier zu Soiſſons
aufgeſchlagen, kam der Friede zu Stande: zu Creſpy 14 Sept.

Man erſtaunt, wenn man unter den Bedingungen eines
Friedens der ſo nah bei Paris abgeſchloſſen worden, das
Verſprechen des Kaiſers findet, den zweiten Sohn ſeines
Feindes, den jungen Herzog von Orleans, entweder mit ſei-
ner eigenen oder mit der Tochter ſeines Bruders zu vermäh-
len, und der erſten die Niederlande, der zweiten Mailand zur
Ausſteuer zu geben. Allein man muß ſich erinnern, daß der
Kaiſer ähnliche Vorſchläge von jeher gemacht, der König
von Frankreich aber, der immer alle alten Rechte ſeines Hau-
ſes an Mailand vorbehalten, darauf einzugehn verweigert
hatte. Der Kaiſer hatte die Genugthuung, daß dieſer Streit
jetzt nach ſeiner Anſicht, nach ſeinen Vorſchlägen entſchieden
wurde. 1 Er ſollte doch die Feſtungen von Cremona und
Mailand, ſo lange es ihm gefalle, in eigner Hand behalten
dürfen, in allen andern Schlöſſern im Lande ſollten nur Be-
fehlshaber die ihm angenehm ſeyen, zugelaſſen werden und
ihm wie dem Reiche den Eid der Treue leiſten; würde der
Herzog ohne lehnfähige Erben mit Tode abgehn, ſo ſollte
das Land an den alsdann regierenden Kaiſer zurückfallen.

Ein weiterer Vortheil war, daß nicht allein die gegenſei-
tigen Eroberungen herausgegeben werden ſollten, inbegriffen
Piemont, ſondern der König aufs neue auf die Oberherrlich-

1 Mailand ſollte uͤberliefert werden „come feudo nuovo, e non
come ereditario della casa d’Orliens“
(von der Valentina her).
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[316/0328] Siebentes Buch. Achtes Capitel. ſeine Meinung war nur, wie im Jahr 1536, den König mit Vortheil zum Frieden zu nöthigen; dazu bot ſich ihm nunmehr die Ausſicht dar. Schon vor St. Dizier war die Unterhandlung eröffnet worden; jetzt, als der Kaiſer ſein Hauptquartier zu Soiſſons aufgeſchlagen, kam der Friede zu Stande: zu Creſpy 14 Sept. Man erſtaunt, wenn man unter den Bedingungen eines Friedens der ſo nah bei Paris abgeſchloſſen worden, das Verſprechen des Kaiſers findet, den zweiten Sohn ſeines Feindes, den jungen Herzog von Orleans, entweder mit ſei- ner eigenen oder mit der Tochter ſeines Bruders zu vermäh- len, und der erſten die Niederlande, der zweiten Mailand zur Ausſteuer zu geben. Allein man muß ſich erinnern, daß der Kaiſer ähnliche Vorſchläge von jeher gemacht, der König von Frankreich aber, der immer alle alten Rechte ſeines Hau- ſes an Mailand vorbehalten, darauf einzugehn verweigert hatte. Der Kaiſer hatte die Genugthuung, daß dieſer Streit jetzt nach ſeiner Anſicht, nach ſeinen Vorſchlägen entſchieden wurde. 1 Er ſollte doch die Feſtungen von Cremona und Mailand, ſo lange es ihm gefalle, in eigner Hand behalten dürfen, in allen andern Schlöſſern im Lande ſollten nur Be- fehlshaber die ihm angenehm ſeyen, zugelaſſen werden und ihm wie dem Reiche den Eid der Treue leiſten; würde der Herzog ohne lehnfähige Erben mit Tode abgehn, ſo ſollte das Land an den alsdann regierenden Kaiſer zurückfallen. Ein weiterer Vortheil war, daß nicht allein die gegenſei- tigen Eroberungen herausgegeben werden ſollten, inbegriffen Piemont, ſondern der König aufs neue auf die Oberherrlich- 1 Mailand ſollte uͤberliefert werden „come feudo nuovo, e non come ereditario della casa d’Orliens“ (von der Valentina her).

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/328>, abgerufen am 22.11.2024.