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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Achtes Capitel.

Und sollten wohl die Protestanten geneigt seyn, den
Kaiser, der mehr als einmal durch seine Feindseligkeiten ge-
gen Frankreich verhindert worden war sie mit Krieg zu über-
ziehen, jetzt gegen diese Macht zu unterstützen? Mußten sie
nicht fürchten, daß ein Sieg über dieselbe späterhin ihnen
zum Verderben gereichen, der Kaiser, so wie er die Hände
frei habe, sich wider sie wenden werde?

Wir haben schon bemerkt, sie fürchteten den Kaiser nicht
mehr. Sie fühlten sich gewissermaßen auch im Verhältniß
zum Papst als seine Verbündeten. Der Vicecanzler Naves
sagte ihnen, wohl müsse der Kaiser gemach thun, weil er
von Pfaffen umgeben und mit diesen auch so mancher welt-
liche Fürst verbunden sey; aber in seinen Sinn komme nicht,
Jemanden der Religion halber zu beleidigen. Immer mehr,
fügte er vertraulich hinzu, werde die Hinterlist des Papstes
dem Kaiser bekannt: das sey wohl eine Veranstaltung Got-
tes, um sein Wort zu fördern. Mit Freuden ergriff der
sächsische Abgeordnete Burkhard diese Aussicht. Die Welt
schien ihm der Zerstörung des Papstthums entgegen zu rei-
fen. Johann Friedrich ließ dem Kaiser Ergebenheit und alle
guten Dienste anbieten, wenn er sich in Sachen der Reli-
gion so zeige wie man erwarte. Dieß Mal entschloß er sich,
wie der Landgraf, in Person an dem Reichstag zu erschei-
nen. Wenn es bisher immer das Verfahren der Protestan-
ten gewesen war, vor aller Berathschlagung über geforderte
Hülfe auf eine Erledigung der Streitfragen über Frieden und
Recht zu dringen, so zeigten sie jetzt gleich im Beginn das
gute Vertrauen mit dem sie erfüllt waren auch dadurch, daß
sie an jenen Berathungen Theil nahmen, nur unter dem Vor-

Siebentes Buch. Achtes Capitel.

Und ſollten wohl die Proteſtanten geneigt ſeyn, den
Kaiſer, der mehr als einmal durch ſeine Feindſeligkeiten ge-
gen Frankreich verhindert worden war ſie mit Krieg zu über-
ziehen, jetzt gegen dieſe Macht zu unterſtützen? Mußten ſie
nicht fürchten, daß ein Sieg über dieſelbe ſpäterhin ihnen
zum Verderben gereichen, der Kaiſer, ſo wie er die Hände
frei habe, ſich wider ſie wenden werde?

Wir haben ſchon bemerkt, ſie fürchteten den Kaiſer nicht
mehr. Sie fühlten ſich gewiſſermaßen auch im Verhältniß
zum Papſt als ſeine Verbündeten. Der Vicecanzler Naves
ſagte ihnen, wohl müſſe der Kaiſer gemach thun, weil er
von Pfaffen umgeben und mit dieſen auch ſo mancher welt-
liche Fürſt verbunden ſey; aber in ſeinen Sinn komme nicht,
Jemanden der Religion halber zu beleidigen. Immer mehr,
fügte er vertraulich hinzu, werde die Hinterliſt des Papſtes
dem Kaiſer bekannt: das ſey wohl eine Veranſtaltung Got-
tes, um ſein Wort zu fördern. Mit Freuden ergriff der
ſächſiſche Abgeordnete Burkhard dieſe Ausſicht. Die Welt
ſchien ihm der Zerſtörung des Papſtthums entgegen zu rei-
fen. Johann Friedrich ließ dem Kaiſer Ergebenheit und alle
guten Dienſte anbieten, wenn er ſich in Sachen der Reli-
gion ſo zeige wie man erwarte. Dieß Mal entſchloß er ſich,
wie der Landgraf, in Perſon an dem Reichstag zu erſchei-
nen. Wenn es bisher immer das Verfahren der Proteſtan-
ten geweſen war, vor aller Berathſchlagung über geforderte
Hülfe auf eine Erledigung der Streitfragen über Frieden und
Recht zu dringen, ſo zeigten ſie jetzt gleich im Beginn das
gute Vertrauen mit dem ſie erfüllt waren auch dadurch, daß
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[300/0312] Siebentes Buch. Achtes Capitel. Und ſollten wohl die Proteſtanten geneigt ſeyn, den Kaiſer, der mehr als einmal durch ſeine Feindſeligkeiten ge- gen Frankreich verhindert worden war ſie mit Krieg zu über- ziehen, jetzt gegen dieſe Macht zu unterſtützen? Mußten ſie nicht fürchten, daß ein Sieg über dieſelbe ſpäterhin ihnen zum Verderben gereichen, der Kaiſer, ſo wie er die Hände frei habe, ſich wider ſie wenden werde? Wir haben ſchon bemerkt, ſie fürchteten den Kaiſer nicht mehr. Sie fühlten ſich gewiſſermaßen auch im Verhältniß zum Papſt als ſeine Verbündeten. Der Vicecanzler Naves ſagte ihnen, wohl müſſe der Kaiſer gemach thun, weil er von Pfaffen umgeben und mit dieſen auch ſo mancher welt- liche Fürſt verbunden ſey; aber in ſeinen Sinn komme nicht, Jemanden der Religion halber zu beleidigen. Immer mehr, fügte er vertraulich hinzu, werde die Hinterliſt des Papſtes dem Kaiſer bekannt: das ſey wohl eine Veranſtaltung Got- tes, um ſein Wort zu fördern. Mit Freuden ergriff der ſächſiſche Abgeordnete Burkhard dieſe Ausſicht. Die Welt ſchien ihm der Zerſtörung des Papſtthums entgegen zu rei- fen. Johann Friedrich ließ dem Kaiſer Ergebenheit und alle guten Dienſte anbieten, wenn er ſich in Sachen der Reli- gion ſo zeige wie man erwarte. Dieß Mal entſchloß er ſich, wie der Landgraf, in Perſon an dem Reichstag zu erſchei- nen. Wenn es bisher immer das Verfahren der Proteſtan- ten geweſen war, vor aller Berathſchlagung über geforderte Hülfe auf eine Erledigung der Streitfragen über Frieden und Recht zu dringen, ſo zeigten ſie jetzt gleich im Beginn das gute Vertrauen mit dem ſie erfüllt waren auch dadurch, daß ſie an jenen Berathungen Theil nahmen, nur unter dem Vor-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/312>, abgerufen am 22.11.2024.