Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.Siebentes Buch. Siebentes Capitel. selber, niemals von den Andern. Wenn er um sich sah, sokonnte ihm nicht entgehn, daß er jetzt weder bei dem Kai- ser noch bei seinen nähern Verbündeten auf Hülfe rechnen dürfe. Der Stellvertreter des Erzbischof Albrecht in Mag- deburg hat ihn sogar gewarnt und ihm lediglich friedliche Rathschläge ertheilt. Er mußte sich besinnen, daß der all- vermögende bairische Rath, über den er sich wegwerfend aus- gedrückt, sein Freund nicht war. Erwägungen dieser Art aber lagen nicht in seiner Sinnesweise. Trotzend auf das Recht das ihm durch das Urtel zu Theil geworden, schritt er ge- gen die Stadt täglich gewaltsamer vor. 1 Die Besitzthümer derselben die in seinem Gebiete lagen, zog er ein; die Bauern auf diesen Gütern mußten das Getreide ausdreschen und das Korn in die Hauptorte seiner Gerichte führen; 2 ihre Ren- ten und Zinsen mußten in seinen Ämtern gezahlt werden. Auch von andern Seiten schnitt er ihnen die Zufuhr ab; er ließ Holz in ihren Forsten schlagen; wehe dem der sich au- ßerhalb der Mauern betreten ließ! In ein ähnliches Ver- hältniß setzte er sich zu gleicher Zeit gegen Braunschweig, obwohl er hier größeren Widerstand fand. Wenn er die Eichen des Stadtforstes fällen ließ, kamen ihm die Bürger wohl darin zuvor, daß sie das Holz nach Hause fahren ließen. Wenn er sich an braunschweigischen Bauern vergriff, so setzte 1 Sein Plan zeigt sich schon in folgender Stelle eines Brie- fes an Held, Nov. 1540: "wiewohl wir - - wohl vertrauwen, die Statt Goßlar in 4 Wochen zu erobern, wann wir ihnen allein die Zu- fuhr verlegten, denn sie haben weder Leut noch zu fressen darinnen." 2 Klagschrift von Goßlar: "welches sich über 1000 Scheffel
Korns, unser Stadt Maßen, der drei und viertehalb auf ein Fuder einsmals kunnen geladen und gefurt werden, thut erstrecken." Siebentes Buch. Siebentes Capitel. ſelber, niemals von den Andern. Wenn er um ſich ſah, ſokonnte ihm nicht entgehn, daß er jetzt weder bei dem Kai- ſer noch bei ſeinen nähern Verbündeten auf Hülfe rechnen dürfe. Der Stellvertreter des Erzbiſchof Albrecht in Mag- deburg hat ihn ſogar gewarnt und ihm lediglich friedliche Rathſchläge ertheilt. Er mußte ſich beſinnen, daß der all- vermögende bairiſche Rath, über den er ſich wegwerfend aus- gedrückt, ſein Freund nicht war. Erwägungen dieſer Art aber lagen nicht in ſeiner Sinnesweiſe. Trotzend auf das Recht das ihm durch das Urtel zu Theil geworden, ſchritt er ge- gen die Stadt täglich gewaltſamer vor. 1 Die Beſitzthümer derſelben die in ſeinem Gebiete lagen, zog er ein; die Bauern auf dieſen Gütern mußten das Getreide ausdreſchen und das Korn in die Hauptorte ſeiner Gerichte führen; 2 ihre Ren- ten und Zinſen mußten in ſeinen Ämtern gezahlt werden. Auch von andern Seiten ſchnitt er ihnen die Zufuhr ab; er ließ Holz in ihren Forſten ſchlagen; wehe dem der ſich au- ßerhalb der Mauern betreten ließ! In ein ähnliches Ver- hältniß ſetzte er ſich zu gleicher Zeit gegen Braunſchweig, obwohl er hier größeren Widerſtand fand. Wenn er die Eichen des Stadtforſtes fällen ließ, kamen ihm die Bürger wohl darin zuvor, daß ſie das Holz nach Hauſe fahren ließen. Wenn er ſich an braunſchweigiſchen Bauern vergriff, ſo ſetzte 1 Sein Plan zeigt ſich ſchon in folgender Stelle eines Brie- fes an Held, Nov. 1540: „wiewohl wir ‒ ‒ wohl vertrauwen, die Statt Goßlar in 4 Wochen zu erobern, wann wir ihnen allein die Zu- fuhr verlegten, denn ſie haben weder Leut noch zu freſſen darinnen.“ 2 Klagſchrift von Goßlar: „welches ſich uͤber 1000 Scheffel
Korns, unſer Stadt Maßen, der drei und viertehalb auf ein Fuder einsmals kunnen geladen und gefurt werden, thut erſtrecken.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0290" n="278"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebentes Buch. Siebentes Capitel</hi>.</fw><lb/> ſelber, niemals von den Andern. Wenn er um ſich ſah, ſo<lb/> konnte ihm nicht entgehn, daß er jetzt weder bei dem Kai-<lb/> ſer noch bei ſeinen nähern Verbündeten auf Hülfe rechnen<lb/> dürfe. Der Stellvertreter des Erzbiſchof <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118647733">Albrecht</persName> in <placeName>Mag-<lb/> deburg</placeName> hat ihn ſogar gewarnt und ihm lediglich friedliche<lb/> Rathſchläge ertheilt. Er mußte ſich beſinnen, daß der all-<lb/> vermögende bairiſche Rath, über den er ſich wegwerfend aus-<lb/> gedrückt, ſein Freund nicht war. Erwägungen dieſer Art aber<lb/> lagen nicht in ſeiner Sinnesweiſe. Trotzend auf das Recht<lb/> das ihm durch das Urtel zu Theil geworden, ſchritt er ge-<lb/> gen die Stadt täglich gewaltſamer vor. <note place="foot" n="1">Sein Plan zeigt ſich ſchon in folgender Stelle eines Brie-<lb/> fes an <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119703637">Held</persName>, Nov. 1540: „<choice><sic>wiewobl</sic><corr>wiewohl</corr></choice> wir ‒ ‒ wohl vertrauwen, die<lb/> Statt <placeName>Goßlar</placeName> in 4 Wochen zu erobern, wann wir ihnen allein die Zu-<lb/> fuhr verlegten, denn ſie haben weder Leut noch zu freſſen darinnen.“</note> Die Beſitzthümer<lb/> derſelben die in ſeinem Gebiete lagen, zog er ein; die Bauern<lb/> auf dieſen Gütern mußten das Getreide ausdreſchen und das<lb/> Korn in die Hauptorte ſeiner Gerichte führen; <note place="foot" n="2">Klagſchrift von <placeName>Goßlar</placeName>: „welches ſich uͤber 1000 Scheffel<lb/> Korns, unſer Stadt <placeName>Maßen</placeName>, der drei und viertehalb auf ein Fuder<lb/> einsmals kunnen geladen und gefurt werden, thut erſtrecken.“</note> ihre Ren-<lb/> ten und Zinſen mußten in ſeinen Ämtern gezahlt werden.<lb/> Auch von andern Seiten ſchnitt er ihnen die Zufuhr ab; er<lb/> ließ Holz in ihren Forſten ſchlagen; wehe dem der ſich au-<lb/> ßerhalb der Mauern betreten ließ! In ein ähnliches Ver-<lb/> hältniß ſetzte er ſich zu gleicher Zeit gegen <placeName>Braunſchweig</placeName>,<lb/> obwohl er hier größeren Widerſtand fand. Wenn er die<lb/> Eichen des Stadtforſtes fällen ließ, kamen ihm die Bürger<lb/> wohl darin zuvor, daß ſie das Holz nach Hauſe fahren ließen.<lb/> Wenn er ſich an braunſchweigiſchen Bauern vergriff, ſo ſetzte<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [278/0290]
Siebentes Buch. Siebentes Capitel.
ſelber, niemals von den Andern. Wenn er um ſich ſah, ſo
konnte ihm nicht entgehn, daß er jetzt weder bei dem Kai-
ſer noch bei ſeinen nähern Verbündeten auf Hülfe rechnen
dürfe. Der Stellvertreter des Erzbiſchof Albrecht in Mag-
deburg hat ihn ſogar gewarnt und ihm lediglich friedliche
Rathſchläge ertheilt. Er mußte ſich beſinnen, daß der all-
vermögende bairiſche Rath, über den er ſich wegwerfend aus-
gedrückt, ſein Freund nicht war. Erwägungen dieſer Art aber
lagen nicht in ſeiner Sinnesweiſe. Trotzend auf das Recht
das ihm durch das Urtel zu Theil geworden, ſchritt er ge-
gen die Stadt täglich gewaltſamer vor. 1 Die Beſitzthümer
derſelben die in ſeinem Gebiete lagen, zog er ein; die Bauern
auf dieſen Gütern mußten das Getreide ausdreſchen und das
Korn in die Hauptorte ſeiner Gerichte führen; 2 ihre Ren-
ten und Zinſen mußten in ſeinen Ämtern gezahlt werden.
Auch von andern Seiten ſchnitt er ihnen die Zufuhr ab; er
ließ Holz in ihren Forſten ſchlagen; wehe dem der ſich au-
ßerhalb der Mauern betreten ließ! In ein ähnliches Ver-
hältniß ſetzte er ſich zu gleicher Zeit gegen Braunſchweig,
obwohl er hier größeren Widerſtand fand. Wenn er die
Eichen des Stadtforſtes fällen ließ, kamen ihm die Bürger
wohl darin zuvor, daß ſie das Holz nach Hauſe fahren ließen.
Wenn er ſich an braunſchweigiſchen Bauern vergriff, ſo ſetzte
1 Sein Plan zeigt ſich ſchon in folgender Stelle eines Brie-
fes an Held, Nov. 1540: „wiewohl wir ‒ ‒ wohl vertrauwen, die
Statt Goßlar in 4 Wochen zu erobern, wann wir ihnen allein die Zu-
fuhr verlegten, denn ſie haben weder Leut noch zu freſſen darinnen.“
2 Klagſchrift von Goßlar: „welches ſich uͤber 1000 Scheffel
Korns, unſer Stadt Maßen, der drei und viertehalb auf ein Fuder
einsmals kunnen geladen und gefurt werden, thut erſtrecken.“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |