Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.Siebentes Buch. Siebentes Capitel. mißvergnügt: "mir kommen Gedanken," sagt er einmal, "vondenen ich wollte, sie kämen mir nicht." 1 Hie und da habe ich sogar zu bemerken geglaubt, daß sich in Luther selbst eine ursprünglich richtige und reinere Auffassung durch die Einwir- kung des Hofes trübte. Was den Fürsten beschränkte war der mancherlei nach- 1 Luther an Justus Jonas: Aula est sapiens et gaudet sese
esse actricem: -- olim et ipsi vellent sese fuisse spectatores -- incipio unice gaudere, nos ab aula excludi et contemni. D. W. IV, 627. Siebentes Buch. Siebentes Capitel. mißvergnügt: „mir kommen Gedanken,“ ſagt er einmal, „vondenen ich wollte, ſie kämen mir nicht.“ 1 Hie und da habe ich ſogar zu bemerken geglaubt, daß ſich in Luther ſelbſt eine urſprünglich richtige und reinere Auffaſſung durch die Einwir- kung des Hofes trübte. Was den Fürſten beſchränkte war der mancherlei nach- 1 Luther an Juſtus Jonas: Aula est sapiens et gaudet sese
esse actricem: — olim et ipsi vellent sese fuisse spectatores — incipio unice gaudere, nos ab aula excludi et contemni. D. W. IV, 627. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0278" n="266"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebentes Buch. Siebentes Capitel</hi>.</fw><lb/> mißvergnügt: „mir kommen Gedanken,“ ſagt er einmal, „von<lb/> denen ich wollte, ſie kämen mir nicht.“ <note place="foot" n="1"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118575449">Luther</persName> an <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118712926">Juſtus Jonas</persName>: <hi rendition="#aq">Aula est sapiens et gaudet sese<lb/> esse actricem: — olim et ipsi vellent sese fuisse spectatores —<lb/> incipio unice gaudere, nos ab aula excludi et contemni.</hi> D. W.<lb/><hi rendition="#aq">IV,</hi> 627.</note> Hie und da habe<lb/> ich ſogar zu bemerken geglaubt, daß ſich in <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118575449">Luther</persName> ſelbſt eine<lb/> urſprünglich richtige und reinere Auffaſſung durch die Einwir-<lb/> kung des Hofes trübte.</p><lb/> <p>Was den Fürſten beſchränkte war der mancherlei nach-<lb/> barliche Hader in dem er befangen war. Einer Sinnes-<lb/> weiſe wie der ſeinen, widerſpricht es nicht, daß er, ſehr<lb/> entfernt nach dem Fremden und Entlegenen zu trachten,<lb/> doch ſeine Rechte und Anſprüche, die er freilich für un-<lb/> leugbar hielt, mit Eiferſucht behauptete. Dem Grafen von<lb/><placeName>Schwarzburg</placeName>, der ſeine Herrſchaften beim Reiche zu verſteuern<lb/> Miene macht, ſchickt er unverzüglich einen Drommeter nach<lb/><placeName>Arnſtadt</placeName> und läßt ihm ungnädige Anzeigung thun; den Er-<lb/> furtern die ihm einen Abtrag verſagen, läßt er dafür das<lb/> Amt <placeName>Großrudſtedt</placeName> mit bewaffnetem Volk entreißen. Nun<lb/> geſchah aber daß Streitigkeiten dieſer Art nur allzu oft und<lb/> allzu nah mit der Religionsſache in Berührung kamen. Wir<lb/> wiſſen, wie <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118712373">Johann Friedrich</persName> mit ſeinen Nachbarn <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118647733">Albrecht</persName><lb/> und <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118716921">Georg</persName>, die den alten Glauben in <placeName>Norddeutſchland</placeName> auf-<lb/> recht zu erhalten ſuchten, in mannichfaltige Händel über al-<lb/> lerlei Beſitzthümer, Anſprüche, Gerichtsbarkeiten, z. B. mit<lb/> dem letztern über das Burggrafthum zu <placeName>Magdeburg</placeName> und das<lb/><persName ref="nognd">Grävengeding</persName> in <placeName>Halle</placeName> verwickelt war. Von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119024918">Heinrich von<lb/> Braunſchweig</persName> fürchtet er, er hege Gedanken wie ſeine Alt-<lb/> vordern <persName ref="http://d-nb.info/gnd/124912974">Heinrich der Stolze</persName> und <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118548336">Heinrich der Löwe</persName>, und<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [266/0278]
Siebentes Buch. Siebentes Capitel.
mißvergnügt: „mir kommen Gedanken,“ ſagt er einmal, „von
denen ich wollte, ſie kämen mir nicht.“ 1 Hie und da habe
ich ſogar zu bemerken geglaubt, daß ſich in Luther ſelbſt eine
urſprünglich richtige und reinere Auffaſſung durch die Einwir-
kung des Hofes trübte.
Was den Fürſten beſchränkte war der mancherlei nach-
barliche Hader in dem er befangen war. Einer Sinnes-
weiſe wie der ſeinen, widerſpricht es nicht, daß er, ſehr
entfernt nach dem Fremden und Entlegenen zu trachten,
doch ſeine Rechte und Anſprüche, die er freilich für un-
leugbar hielt, mit Eiferſucht behauptete. Dem Grafen von
Schwarzburg, der ſeine Herrſchaften beim Reiche zu verſteuern
Miene macht, ſchickt er unverzüglich einen Drommeter nach
Arnſtadt und läßt ihm ungnädige Anzeigung thun; den Er-
furtern die ihm einen Abtrag verſagen, läßt er dafür das
Amt Großrudſtedt mit bewaffnetem Volk entreißen. Nun
geſchah aber daß Streitigkeiten dieſer Art nur allzu oft und
allzu nah mit der Religionsſache in Berührung kamen. Wir
wiſſen, wie Johann Friedrich mit ſeinen Nachbarn Albrecht
und Georg, die den alten Glauben in Norddeutſchland auf-
recht zu erhalten ſuchten, in mannichfaltige Händel über al-
lerlei Beſitzthümer, Anſprüche, Gerichtsbarkeiten, z. B. mit
dem letztern über das Burggrafthum zu Magdeburg und das
Grävengeding in Halle verwickelt war. Von Heinrich von
Braunſchweig fürchtet er, er hege Gedanken wie ſeine Alt-
vordern Heinrich der Stolze und Heinrich der Löwe, und
1 Luther an Juſtus Jonas: Aula est sapiens et gaudet sese
esse actricem: — olim et ipsi vellent sese fuisse spectatores —
incipio unice gaudere, nos ab aula excludi et contemni. D. W.
IV, 627.
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