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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Doppel-Ehe des Landgrafen Philipp.
fragt. Um ihre Ehre zu schützen, legte sie die Schriften
vor, mit denen sich der Landgraf bei ihr selbst gerechtfertigt
hatte. Hierauf erhob sich aber ein noch viel lauteres Geschrei,
wie über das unerhörte, ärgerliche Beginnen des Landgrafen,
so auch über den Churfürsten, den man für einverstanden
hielt, und dem man auch den Beichtrath der Theologen zur
Last legte. Johann Friedrich war ganz erstaunt und entrü-
stet. 1 Er glaubte dort auch nach der geschehenen großen
Veränderung wieder den üblen Willen wahrzunehmen, der
unter der frühern Regierung vorgewaltet. Bittere Schrif-
ten wurden gewechselt: Botschafter giengen von einem Hof-
lager nach dem andern: Tagsatzungen wurden gehalten; der
Landgraf erklärte endlich, das Geheimniß sey ihm unerträg-
lich: er wolle und müsse desselben überhoben werden.

Melanchthon war auf der Reise nach Hagenau begrif-
fen, als diese Dinge ins allgemeine Gespräch kamen. Er
war nicht stark genug, um die Mißbilligung jenes Beicht-
raths den er mit Luther ausgestellt, die er von allen Sei-
ten vernahm, zu ertragen. Die schmerzlichen Gedanken die
er sich darüber machte, warfen ihn in Weimar aufs Kran-
kenlager und man glaubte seine Genesung nur der kräftigen
Zusprache, dem Gebete Luthers zu verdanken. Luther, aus
stärkerem Stoffe gebildet, erhob sich auf einen Standpunct,
von welchem er die Sache ruhiger ansah. Es sey ein Un-
terschied, sagte er, was in den Nöthen des Gewissens vor

1 Schreiben Johann Friedrichs an Philipp Dienstag Viti 1540.
Seinen Räthen befiehlt er, dem Landgrafen keinen Beistand zu lei-
sten, "dieweil dieß ein groß vast unerhort werk; hette es von den
Theologen gerathen wer da wolt, so wäre es vor ein recht gegen der
welt zu verteidingen unmüglich."

Doppel-Ehe des Landgrafen Philipp.
fragt. Um ihre Ehre zu ſchützen, legte ſie die Schriften
vor, mit denen ſich der Landgraf bei ihr ſelbſt gerechtfertigt
hatte. Hierauf erhob ſich aber ein noch viel lauteres Geſchrei,
wie über das unerhörte, ärgerliche Beginnen des Landgrafen,
ſo auch über den Churfürſten, den man für einverſtanden
hielt, und dem man auch den Beichtrath der Theologen zur
Laſt legte. Johann Friedrich war ganz erſtaunt und entrü-
ſtet. 1 Er glaubte dort auch nach der geſchehenen großen
Veränderung wieder den üblen Willen wahrzunehmen, der
unter der frühern Regierung vorgewaltet. Bittere Schrif-
ten wurden gewechſelt: Botſchafter giengen von einem Hof-
lager nach dem andern: Tagſatzungen wurden gehalten; der
Landgraf erklärte endlich, das Geheimniß ſey ihm unerträg-
lich: er wolle und müſſe deſſelben überhoben werden.

Melanchthon war auf der Reiſe nach Hagenau begrif-
fen, als dieſe Dinge ins allgemeine Geſpräch kamen. Er
war nicht ſtark genug, um die Mißbilligung jenes Beicht-
raths den er mit Luther ausgeſtellt, die er von allen Sei-
ten vernahm, zu ertragen. Die ſchmerzlichen Gedanken die
er ſich darüber machte, warfen ihn in Weimar aufs Kran-
kenlager und man glaubte ſeine Geneſung nur der kräftigen
Zuſprache, dem Gebete Luthers zu verdanken. Luther, aus
ſtärkerem Stoffe gebildet, erhob ſich auf einen Standpunct,
von welchem er die Sache ruhiger anſah. Es ſey ein Un-
terſchied, ſagte er, was in den Nöthen des Gewiſſens vor

1 Schreiben Johann Friedrichs an Philipp Dienſtag Viti 1540.
Seinen Raͤthen befiehlt er, dem Landgrafen keinen Beiſtand zu lei-
ſten, „dieweil dieß ein groß vaſt unerhort werk; hette es von den
Theologen gerathen wer da wolt, ſo waͤre es vor ein recht gegen der
welt zu verteidingen unmuͤglich.“
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[261/0273] Doppel-Ehe des Landgrafen Philipp. fragt. Um ihre Ehre zu ſchützen, legte ſie die Schriften vor, mit denen ſich der Landgraf bei ihr ſelbſt gerechtfertigt hatte. Hierauf erhob ſich aber ein noch viel lauteres Geſchrei, wie über das unerhörte, ärgerliche Beginnen des Landgrafen, ſo auch über den Churfürſten, den man für einverſtanden hielt, und dem man auch den Beichtrath der Theologen zur Laſt legte. Johann Friedrich war ganz erſtaunt und entrü- ſtet. 1 Er glaubte dort auch nach der geſchehenen großen Veränderung wieder den üblen Willen wahrzunehmen, der unter der frühern Regierung vorgewaltet. Bittere Schrif- ten wurden gewechſelt: Botſchafter giengen von einem Hof- lager nach dem andern: Tagſatzungen wurden gehalten; der Landgraf erklärte endlich, das Geheimniß ſey ihm unerträg- lich: er wolle und müſſe deſſelben überhoben werden. Melanchthon war auf der Reiſe nach Hagenau begrif- fen, als dieſe Dinge ins allgemeine Geſpräch kamen. Er war nicht ſtark genug, um die Mißbilligung jenes Beicht- raths den er mit Luther ausgeſtellt, die er von allen Sei- ten vernahm, zu ertragen. Die ſchmerzlichen Gedanken die er ſich darüber machte, warfen ihn in Weimar aufs Kran- kenlager und man glaubte ſeine Geneſung nur der kräftigen Zuſprache, dem Gebete Luthers zu verdanken. Luther, aus ſtärkerem Stoffe gebildet, erhob ſich auf einen Standpunct, von welchem er die Sache ruhiger anſah. Es ſey ein Un- terſchied, ſagte er, was in den Nöthen des Gewiſſens vor 1 Schreiben Johann Friedrichs an Philipp Dienſtag Viti 1540. Seinen Raͤthen befiehlt er, dem Landgrafen keinen Beiſtand zu lei- ſten, „dieweil dieß ein groß vaſt unerhort werk; hette es von den Theologen gerathen wer da wolt, ſo waͤre es vor ein recht gegen der welt zu verteidingen unmuͤglich.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/273>, abgerufen am 26.11.2024.