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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Sechstes Capitel.
treten. Unmittelbar nachdem die Unterhandlungen des Kaisers
sowohl mit Frankreich als mit Cleve abgebrochen worden, schon
im Juni 1540, hatte der König dem Herzog Eröffnungen ma-
chen lassen; 1 es war nicht allein ein Bund zur Gegenwehr son-
dern auch eine verwandtschaftliche Verbindung beider Häuser
beschlossen worden; im April 1541 war dann der Herzog nach
Frankreich gereist und hatte sich mit der Prinzessin Johanna von
Navarra
verlobt. Die Abrede war, daß der Erstgeborne aus
dieser Ehe dereinst Navarra und Cleve vereinigen solle. Es
läßt sich fragen, ob es den Franzosen damit vollkommen Ernst
gewesen ist (wenigstens die Prinzessin leugnete später ihre
Einwilligung ab), für den Augenblick aber war ihnen der
Bund auf jeden Fall in hohem Grade erwünscht. Ohne
Zweifel glaubten sie sich eine neue Einwirkung auf Deutsch-
land
versprechen zu können, da sie Gerechtsame verfochten
die mit den Interessen so vieler deutscher Fürsten, denen die
Vermehrung der niederländischen Macht des Kaisers nicht
angenehm seyn konnte, zusammentrafen. Wir haben gesehen
wie viel Mühe, welche Concessionen es dem Kaiser kostete
die dahin zielenden Verbindungen entweder zu zerstören oder
zu verhindern. Und noch war es ihm nicht völlig gelun-
gen. Aber auch ohne dieß war die clevische Allianz schon
aus militärischen Rücksichten für Franz I von Wichtigkeit.
Einem französischen Angriff auf die Niederlande konnte nun
immer ein clevischer entgegen kommen. Gogreff zählte dem
König die festen Plätze auf, von wo es leicht seyn werde
die Niederlande anzugreifen: -- Zütphen gegen Utrecht, Hard-

1 Instruction des Herzog Wilhelm für Joh. Gogreff und Heinr.
v. Wachtendonk
, Düsseldorf 20 Juni 1540. (Archiv zu Düsseldorf.)

Siebentes Buch. Sechstes Capitel.
treten. Unmittelbar nachdem die Unterhandlungen des Kaiſers
ſowohl mit Frankreich als mit Cleve abgebrochen worden, ſchon
im Juni 1540, hatte der König dem Herzog Eröffnungen ma-
chen laſſen; 1 es war nicht allein ein Bund zur Gegenwehr ſon-
dern auch eine verwandtſchaftliche Verbindung beider Häuſer
beſchloſſen worden; im April 1541 war dann der Herzog nach
Frankreich gereiſt und hatte ſich mit der Prinzeſſin Johanna von
Navarra
verlobt. Die Abrede war, daß der Erſtgeborne aus
dieſer Ehe dereinſt Navarra und Cleve vereinigen ſolle. Es
läßt ſich fragen, ob es den Franzoſen damit vollkommen Ernſt
geweſen iſt (wenigſtens die Prinzeſſin leugnete ſpäter ihre
Einwilligung ab), für den Augenblick aber war ihnen der
Bund auf jeden Fall in hohem Grade erwünſcht. Ohne
Zweifel glaubten ſie ſich eine neue Einwirkung auf Deutſch-
land
verſprechen zu können, da ſie Gerechtſame verfochten
die mit den Intereſſen ſo vieler deutſcher Fürſten, denen die
Vermehrung der niederländiſchen Macht des Kaiſers nicht
angenehm ſeyn konnte, zuſammentrafen. Wir haben geſehen
wie viel Mühe, welche Conceſſionen es dem Kaiſer koſtete
die dahin zielenden Verbindungen entweder zu zerſtören oder
zu verhindern. Und noch war es ihm nicht völlig gelun-
gen. Aber auch ohne dieß war die cleviſche Allianz ſchon
aus militäriſchen Rückſichten für Franz I von Wichtigkeit.
Einem franzöſiſchen Angriff auf die Niederlande konnte nun
immer ein cleviſcher entgegen kommen. Gogreff zählte dem
König die feſten Plätze auf, von wo es leicht ſeyn werde
die Niederlande anzugreifen: — Zütphen gegen Utrecht, Hard-

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[246/0258] Siebentes Buch. Sechstes Capitel. treten. Unmittelbar nachdem die Unterhandlungen des Kaiſers ſowohl mit Frankreich als mit Cleve abgebrochen worden, ſchon im Juni 1540, hatte der König dem Herzog Eröffnungen ma- chen laſſen; 1 es war nicht allein ein Bund zur Gegenwehr ſon- dern auch eine verwandtſchaftliche Verbindung beider Häuſer beſchloſſen worden; im April 1541 war dann der Herzog nach Frankreich gereiſt und hatte ſich mit der Prinzeſſin Johanna von Navarra verlobt. Die Abrede war, daß der Erſtgeborne aus dieſer Ehe dereinſt Navarra und Cleve vereinigen ſolle. Es läßt ſich fragen, ob es den Franzoſen damit vollkommen Ernſt geweſen iſt (wenigſtens die Prinzeſſin leugnete ſpäter ihre Einwilligung ab), für den Augenblick aber war ihnen der Bund auf jeden Fall in hohem Grade erwünſcht. Ohne Zweifel glaubten ſie ſich eine neue Einwirkung auf Deutſch- land verſprechen zu können, da ſie Gerechtſame verfochten die mit den Intereſſen ſo vieler deutſcher Fürſten, denen die Vermehrung der niederländiſchen Macht des Kaiſers nicht angenehm ſeyn konnte, zuſammentrafen. Wir haben geſehen wie viel Mühe, welche Conceſſionen es dem Kaiſer koſtete die dahin zielenden Verbindungen entweder zu zerſtören oder zu verhindern. Und noch war es ihm nicht völlig gelun- gen. Aber auch ohne dieß war die cleviſche Allianz ſchon aus militäriſchen Rückſichten für Franz I von Wichtigkeit. Einem franzöſiſchen Angriff auf die Niederlande konnte nun immer ein cleviſcher entgegen kommen. Gogreff zählte dem König die feſten Plätze auf, von wo es leicht ſeyn werde die Niederlande anzugreifen: — Zütphen gegen Utrecht, Hard- 1 Inſtruction des Herzog Wilhelm fuͤr Joh. Gogreff und Heinr. v. Wachtendonk, Duͤſſeldorf 20 Juni 1540. (Archiv zu Duͤſſeldorf.)

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/258>, abgerufen am 24.11.2024.