ganz unumwunden seine "sondere Unterthänigkeit" zu. Da- gegen entschloß sich der Kaiser auch seinerseits zu derjenigen Concession, an welcher dem Churfürsten jetzt bei weitem das meiste lag. Er vergönnte ihm mit seiner Landschaft und sei- nen Unterthanen bei seiner Kirchenordnung zu bleiben, wie dieselbe jetzt im Brauche sey, bis zu einem künftigen Con- cilium oder bis die Reichsstände etwas besseres bedacht ha- ben würden. Hiedurch wurden die Absichten des Churfür- sten, deren wir oben gedacht, erst vollständig erfüllt. Die in Brandenburg geschehene Religionsveränderung wurde von Seiten des Kaisers gewissermaaßen legalisirt; statt das gute Vernehmen zu stören, diente sie vielmehr dazu es zu befe- stigen. Mit Freuden verpflichtete sich der Churfürst weder seine Kirchenordnung zu überschreiten noch auch in den schmal- kaldischen Bund zu treten.
Man hat den Protestanten oftmals vorgeworfen daß sie die geistliche Reform um weltlicher Vortheile willen un- ternommen. Hier wenigstens, im Verhältniß zum Kaiser, zeigt sich das gerade Gegentheil. Für alle Opposition im Reiche, für die freie reichsfürstliche Stellung überhaupt gab es nie eine wichtigere Angelegenheit als die clevische. Sie gaben ihre Theilnahme daran auf, um der geistlichen Con- cessionen willen, die ihnen gemacht wurden.
Darum war nun aber auch nach so vielem Wechsel der Versuche und Tendenzen das bleibende Resultat von allen doch eine weitere Befestigung der neuen Glaubensformen. In dem Gespräche hatten die Grundlehren, aus denen dieselben her- vorgegangen, ohne alle Frage die Oberhand behalten. Die formelle Bestätigung der brandenburgischen Kirchenordnung,
15*
Vertrag mit Brandenburg.
ganz unumwunden ſeine „ſondere Unterthänigkeit“ zu. Da- gegen entſchloß ſich der Kaiſer auch ſeinerſeits zu derjenigen Conceſſion, an welcher dem Churfürſten jetzt bei weitem das meiſte lag. Er vergönnte ihm mit ſeiner Landſchaft und ſei- nen Unterthanen bei ſeiner Kirchenordnung zu bleiben, wie dieſelbe jetzt im Brauche ſey, bis zu einem künftigen Con- cilium oder bis die Reichsſtände etwas beſſeres bedacht ha- ben würden. Hiedurch wurden die Abſichten des Churfür- ſten, deren wir oben gedacht, erſt vollſtändig erfüllt. Die in Brandenburg geſchehene Religionsveränderung wurde von Seiten des Kaiſers gewiſſermaaßen legaliſirt; ſtatt das gute Vernehmen zu ſtören, diente ſie vielmehr dazu es zu befe- ſtigen. Mit Freuden verpflichtete ſich der Churfürſt weder ſeine Kirchenordnung zu überſchreiten noch auch in den ſchmal- kaldiſchen Bund zu treten.
Man hat den Proteſtanten oftmals vorgeworfen daß ſie die geiſtliche Reform um weltlicher Vortheile willen un- ternommen. Hier wenigſtens, im Verhältniß zum Kaiſer, zeigt ſich das gerade Gegentheil. Für alle Oppoſition im Reiche, für die freie reichsfürſtliche Stellung überhaupt gab es nie eine wichtigere Angelegenheit als die cleviſche. Sie gaben ihre Theilnahme daran auf, um der geiſtlichen Con- ceſſionen willen, die ihnen gemacht wurden.
Darum war nun aber auch nach ſo vielem Wechſel der Verſuche und Tendenzen das bleibende Reſultat von allen doch eine weitere Befeſtigung der neuen Glaubensformen. In dem Geſpräche hatten die Grundlehren, aus denen dieſelben her- vorgegangen, ohne alle Frage die Oberhand behalten. Die formelle Beſtätigung der brandenburgiſchen Kirchenordnung,
15*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0239"n="227"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Vertrag mit <placeName>Brandenburg</placeName></hi>.</fw><lb/>
ganz unumwunden ſeine „ſondere Unterthänigkeit“ zu. Da-<lb/>
gegen entſchloß ſich der Kaiſer auch ſeinerſeits zu derjenigen<lb/>
Conceſſion, an welcher dem Churfürſten jetzt bei weitem das<lb/>
meiſte lag. Er vergönnte ihm mit ſeiner Landſchaft und ſei-<lb/>
nen Unterthanen bei ſeiner Kirchenordnung zu bleiben, wie<lb/>
dieſelbe jetzt im Brauche ſey, bis zu einem künftigen Con-<lb/>
cilium oder bis die Reichsſtände etwas beſſeres bedacht ha-<lb/>
ben würden. Hiedurch wurden die Abſichten des Churfür-<lb/>ſten, deren wir oben gedacht, erſt vollſtändig erfüllt. Die<lb/>
in <placeName>Brandenburg</placeName> geſchehene Religionsveränderung wurde von<lb/>
Seiten des Kaiſers gewiſſermaaßen legaliſirt; ſtatt das gute<lb/>
Vernehmen zu ſtören, diente ſie vielmehr dazu es zu befe-<lb/>ſtigen. Mit Freuden verpflichtete ſich der Churfürſt weder<lb/>ſeine Kirchenordnung zu überſchreiten noch auch in den ſchmal-<lb/>
kaldiſchen Bund zu treten.</p><lb/><p>Man hat den Proteſtanten oftmals vorgeworfen daß<lb/>ſie die geiſtliche Reform um weltlicher Vortheile willen un-<lb/>
ternommen. Hier wenigſtens, im Verhältniß zum Kaiſer,<lb/>
zeigt ſich das gerade Gegentheil. Für alle Oppoſition im<lb/>
Reiche, für die freie reichsfürſtliche Stellung überhaupt gab<lb/>
es nie eine wichtigere Angelegenheit als die cleviſche. Sie<lb/>
gaben ihre Theilnahme daran auf, um der geiſtlichen Con-<lb/>
ceſſionen willen, die ihnen gemacht wurden.</p><lb/><p>Darum war nun aber auch nach ſo vielem Wechſel der<lb/>
Verſuche und Tendenzen das bleibende Reſultat von allen doch<lb/>
eine weitere Befeſtigung der neuen Glaubensformen. In dem<lb/>
Geſpräche hatten die Grundlehren, aus denen dieſelben her-<lb/>
vorgegangen, ohne alle Frage die Oberhand behalten. Die<lb/>
formelle Beſtätigung der brandenburgiſchen Kirchenordnung,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">15*</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[227/0239]
Vertrag mit Brandenburg.
ganz unumwunden ſeine „ſondere Unterthänigkeit“ zu. Da-
gegen entſchloß ſich der Kaiſer auch ſeinerſeits zu derjenigen
Conceſſion, an welcher dem Churfürſten jetzt bei weitem das
meiſte lag. Er vergönnte ihm mit ſeiner Landſchaft und ſei-
nen Unterthanen bei ſeiner Kirchenordnung zu bleiben, wie
dieſelbe jetzt im Brauche ſey, bis zu einem künftigen Con-
cilium oder bis die Reichsſtände etwas beſſeres bedacht ha-
ben würden. Hiedurch wurden die Abſichten des Churfür-
ſten, deren wir oben gedacht, erſt vollſtändig erfüllt. Die
in Brandenburg geſchehene Religionsveränderung wurde von
Seiten des Kaiſers gewiſſermaaßen legaliſirt; ſtatt das gute
Vernehmen zu ſtören, diente ſie vielmehr dazu es zu befe-
ſtigen. Mit Freuden verpflichtete ſich der Churfürſt weder
ſeine Kirchenordnung zu überſchreiten noch auch in den ſchmal-
kaldiſchen Bund zu treten.
Man hat den Proteſtanten oftmals vorgeworfen daß
ſie die geiſtliche Reform um weltlicher Vortheile willen un-
ternommen. Hier wenigſtens, im Verhältniß zum Kaiſer,
zeigt ſich das gerade Gegentheil. Für alle Oppoſition im
Reiche, für die freie reichsfürſtliche Stellung überhaupt gab
es nie eine wichtigere Angelegenheit als die cleviſche. Sie
gaben ihre Theilnahme daran auf, um der geiſtlichen Con-
ceſſionen willen, die ihnen gemacht wurden.
Darum war nun aber auch nach ſo vielem Wechſel der
Verſuche und Tendenzen das bleibende Reſultat von allen doch
eine weitere Befeſtigung der neuen Glaubensformen. In dem
Geſpräche hatten die Grundlehren, aus denen dieſelben her-
vorgegangen, ohne alle Frage die Oberhand behalten. Die
formelle Beſtätigung der brandenburgiſchen Kirchenordnung,
15*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/239>, abgerufen am 24.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.