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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Fünftes Capitel.
mehr die Rede sey, -- daß der Kaiser die Colloquenten ein-
seitig gewählt habe, den Protestanten sich zuneige, gleich als
wolle er noch ganz zu ihnen treten, -- der Churfürst von
Mainz soll gesagt haben, die Katholischen seyen ohne Schutz,
sie würden sich einen andern Kaiser suchen müssen.

Die Hofnung und Absicht des Kaisers war gewesen,
an dem vereinigten Deutschland eine Stütze gegen den Papst
zu finden. Nicht selten sagte Granvella, der Kaiser sey zur
Zeit zu schwach um sich des Papstes zu begeben: man müsse
ihm in dieser Beziehung entgegenkommen, einmüthig in ihn
dringen. Ein Reichstagsbeschluß in diesem Sinne hätte auch
die einheimischen Gegner in Zaum gehalten. Da nun aber
ein solcher nicht erfolgt war, so würde jede Abweichung von
dem gewohnten Wege nicht anders als willkührlich erschie-
nen seyn und den katholischen Fürsten im Reiche eine Art
Recht gegen ihn gegeben, sie und den Papst zu offenbarer
Feindschaft gebracht haben.

An der sich wieder aufhebenden Wechselseitigkeit dieser
Bedingungen scheiterte überhaupt das ganze Unternehmen der
Aussöhnung.

Von einer Gesandtschaft des Kaisers gieng es aus, der
gar kein Hehl hatte daß er mit dem Papst unzufrieden sey;
-- wollte er es aber ins Werk setzen, so wußte er sich doch
nicht stark genug um sich des Papstes ganz zu entschlagen:
er selber rief ihn herbei --; aber dadurch bewirkte er wie-
der, daß der Papst Gelegenheit bekam das ganze Vorhaben,
das ihm ohnehin ein Greuel war, rückgängig zu machen.

Viel zu tief hatte diese Gewalt in Deutschland Wurzel
geschlagen, als daß ihr ohne den entschlossensten Gegensatz
etwas abgewonnen werden konnte.


Siebentes Buch. Fuͤnftes Capitel.
mehr die Rede ſey, — daß der Kaiſer die Colloquenten ein-
ſeitig gewählt habe, den Proteſtanten ſich zuneige, gleich als
wolle er noch ganz zu ihnen treten, — der Churfürſt von
Mainz ſoll geſagt haben, die Katholiſchen ſeyen ohne Schutz,
ſie würden ſich einen andern Kaiſer ſuchen müſſen.

Die Hofnung und Abſicht des Kaiſers war geweſen,
an dem vereinigten Deutſchland eine Stütze gegen den Papſt
zu finden. Nicht ſelten ſagte Granvella, der Kaiſer ſey zur
Zeit zu ſchwach um ſich des Papſtes zu begeben: man müſſe
ihm in dieſer Beziehung entgegenkommen, einmüthig in ihn
dringen. Ein Reichstagsbeſchluß in dieſem Sinne hätte auch
die einheimiſchen Gegner in Zaum gehalten. Da nun aber
ein ſolcher nicht erfolgt war, ſo würde jede Abweichung von
dem gewohnten Wege nicht anders als willkührlich erſchie-
nen ſeyn und den katholiſchen Fürſten im Reiche eine Art
Recht gegen ihn gegeben, ſie und den Papſt zu offenbarer
Feindſchaft gebracht haben.

An der ſich wieder aufhebenden Wechſelſeitigkeit dieſer
Bedingungen ſcheiterte überhaupt das ganze Unternehmen der
Ausſöhnung.

Von einer Geſandtſchaft des Kaiſers gieng es aus, der
gar kein Hehl hatte daß er mit dem Papſt unzufrieden ſey;
— wollte er es aber ins Werk ſetzen, ſo wußte er ſich doch
nicht ſtark genug um ſich des Papſtes ganz zu entſchlagen:
er ſelber rief ihn herbei —; aber dadurch bewirkte er wie-
der, daß der Papſt Gelegenheit bekam das ganze Vorhaben,
das ihm ohnehin ein Greuel war, rückgängig zu machen.

Viel zu tief hatte dieſe Gewalt in Deutſchland Wurzel
geſchlagen, als daß ihr ohne den entſchloſſenſten Gegenſatz
etwas abgewonnen werden konnte.


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[220/0232] Siebentes Buch. Fuͤnftes Capitel. mehr die Rede ſey, — daß der Kaiſer die Colloquenten ein- ſeitig gewählt habe, den Proteſtanten ſich zuneige, gleich als wolle er noch ganz zu ihnen treten, — der Churfürſt von Mainz ſoll geſagt haben, die Katholiſchen ſeyen ohne Schutz, ſie würden ſich einen andern Kaiſer ſuchen müſſen. Die Hofnung und Abſicht des Kaiſers war geweſen, an dem vereinigten Deutſchland eine Stütze gegen den Papſt zu finden. Nicht ſelten ſagte Granvella, der Kaiſer ſey zur Zeit zu ſchwach um ſich des Papſtes zu begeben: man müſſe ihm in dieſer Beziehung entgegenkommen, einmüthig in ihn dringen. Ein Reichstagsbeſchluß in dieſem Sinne hätte auch die einheimiſchen Gegner in Zaum gehalten. Da nun aber ein ſolcher nicht erfolgt war, ſo würde jede Abweichung von dem gewohnten Wege nicht anders als willkührlich erſchie- nen ſeyn und den katholiſchen Fürſten im Reiche eine Art Recht gegen ihn gegeben, ſie und den Papſt zu offenbarer Feindſchaft gebracht haben. An der ſich wieder aufhebenden Wechſelſeitigkeit dieſer Bedingungen ſcheiterte überhaupt das ganze Unternehmen der Ausſöhnung. Von einer Geſandtſchaft des Kaiſers gieng es aus, der gar kein Hehl hatte daß er mit dem Papſt unzufrieden ſey; — wollte er es aber ins Werk ſetzen, ſo wußte er ſich doch nicht ſtark genug um ſich des Papſtes ganz zu entſchlagen: er ſelber rief ihn herbei —; aber dadurch bewirkte er wie- der, daß der Papſt Gelegenheit bekam das ganze Vorhaben, das ihm ohnehin ein Greuel war, rückgängig zu machen. Viel zu tief hatte dieſe Gewalt in Deutſchland Wurzel geſchlagen, als daß ihr ohne den entſchloſſenſten Gegenſatz etwas abgewonnen werden konnte.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/232>, abgerufen am 23.11.2024.