Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.Siebentes Buch. Fünftes Capitel. Sündhaftigkeit nach der Taufe betreffend, mit geringer Ab-weichung wiederholt. 1 Nicht so ganz unbedingt war dieß mit dem Artikel von der Rechtfertigung selbst der Fall. Die aufgestellte Formel genügte keinem der beiden Theile; eine andre, die Melanchthon in Vorschlag brachte, wollte doch den Katholiken nicht einleuchten: vielmehr traten diese mit einer dritten hervor, die man dem Legaten Contarini zuschrieb. 2 Wenigstens haben wir eine in demselben Monat verfaßte Ab- handlung von ihm, in welcher dieselben Ideen vorgetra- gen werden die der Artikel enthält. Allerdings ward darin die Lehre, welche späterhin in der katholischen Kirche festge- halten worden, von der inhärirenden Gerechtigkeit, d. i. von der an den Glauben von Christi Verdienst in dem Menschen gewirkten Tugend, ebenfalls behauptet: aber sie trat neben dem Dogma von der imputativen Gerechtigkeit, d. i. dem uns zu Gute kommenden Verdienste Christi, stark in Schat- ten. Eben hierin lag der unterscheidende Character der in Italien entwickelten Doctrin, die sich dem Protestantismus anschloß: man brauchte in Regensburg einige Ausdrücke die den deutschen Theologen nicht geläufig waren: aber sie ver- kannten darum nicht, daß dieß ihre eigene Lehre sey, die Lehre von dem lebendigen Glauben, der durch die Liebe thä- tig ist, aber die Rechtfertigung allein in dem Verdienste Christi sucht: die nemliche, mit der sie sich den Meinungen von dem Werthe und der Nothwendigkeit der guten kirchlichen Werke 1 Der verdammte Satz ist: In puero post baptismum ne-
gare remanens peccatum est Paulum et Christum simul concul- care; in den Regensburger Artikeln heißt es: Etsi post baptismum in renatis remaneat materiale peccatum etc. Siebentes Buch. Fuͤnftes Capitel. Sündhaftigkeit nach der Taufe betreffend, mit geringer Ab-weichung wiederholt. 1 Nicht ſo ganz unbedingt war dieß mit dem Artikel von der Rechtfertigung ſelbſt der Fall. Die aufgeſtellte Formel genügte keinem der beiden Theile; eine andre, die Melanchthon in Vorſchlag brachte, wollte doch den Katholiken nicht einleuchten: vielmehr traten dieſe mit einer dritten hervor, die man dem Legaten Contarini zuſchrieb. 2 Wenigſtens haben wir eine in demſelben Monat verfaßte Ab- handlung von ihm, in welcher dieſelben Ideen vorgetra- gen werden die der Artikel enthält. Allerdings ward darin die Lehre, welche ſpäterhin in der katholiſchen Kirche feſtge- halten worden, von der inhärirenden Gerechtigkeit, d. i. von der an den Glauben von Chriſti Verdienſt in dem Menſchen gewirkten Tugend, ebenfalls behauptet: aber ſie trat neben dem Dogma von der imputativen Gerechtigkeit, d. i. dem uns zu Gute kommenden Verdienſte Chriſti, ſtark in Schat- ten. Eben hierin lag der unterſcheidende Character der in Italien entwickelten Doctrin, die ſich dem Proteſtantismus anſchloß: man brauchte in Regensburg einige Ausdrücke die den deutſchen Theologen nicht geläufig waren: aber ſie ver- kannten darum nicht, daß dieß ihre eigene Lehre ſey, die Lehre von dem lebendigen Glauben, der durch die Liebe thä- tig iſt, aber die Rechtfertigung allein in dem Verdienſte Chriſti ſucht: die nemliche, mit der ſie ſich den Meinungen von dem Werthe und der Nothwendigkeit der guten kirchlichen Werke 1 Der verdammte Satz iſt: In puero post baptismum ne-
gare remanens peccatum est Paulum et Christum simul concul- care; in den Regensburger Artikeln heißt es: Etsi post baptismum in renatis remaneat materiale peccatum etc. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0222" n="210"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebentes Buch. Fuͤnftes Capitel</hi>.</fw><lb/> Sündhaftigkeit nach der Taufe betreffend, mit geringer Ab-<lb/> weichung wiederholt. <note place="foot" n="1">Der verdammte Satz iſt: <hi rendition="#aq">In puero post baptismum ne-<lb/> gare remanens peccatum est <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118641549">Paulum</persName> et Christum simul concul-<lb/> care;</hi> in den Regensburger Artikeln heißt es: <hi rendition="#aq">Etsi post baptismum<lb/> in renatis remaneat materiale peccatum etc.</hi></note> Nicht ſo ganz unbedingt war dieß<lb/> mit dem Artikel von der Rechtfertigung ſelbſt der Fall. Die<lb/> aufgeſtellte Formel genügte keinem der beiden Theile; eine<lb/> andre, die <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118580485">Melanchthon</persName> in Vorſchlag brachte, wollte doch den<lb/> Katholiken nicht einleuchten: vielmehr traten dieſe mit einer<lb/> dritten hervor, die man dem Legaten <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118996193">Contarini</persName> zuſchrieb. <note place="foot" n="2"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118670646">Cruciger</persName> an <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118517287">Bugenhagen</persName> 5 Mai <hi rendition="#aq">Corp. Ref. IV,</hi> 552.</note><lb/> Wenigſtens haben wir eine in demſelben Monat verfaßte Ab-<lb/> handlung von ihm, in welcher dieſelben Ideen vorgetra-<lb/> gen werden die der Artikel enthält. Allerdings ward darin<lb/> die Lehre, welche ſpäterhin in der katholiſchen Kirche feſtge-<lb/> halten worden, von der inhärirenden Gerechtigkeit, d. i. von<lb/> der an den Glauben von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118557513">Chriſti</persName> Verdienſt in dem Menſchen<lb/> gewirkten Tugend, ebenfalls behauptet: aber ſie trat neben<lb/> dem Dogma von der imputativen Gerechtigkeit, d. i. dem<lb/> uns zu Gute kommenden Verdienſte <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118557513">Chriſti</persName>, ſtark in Schat-<lb/> ten. Eben hierin lag der unterſcheidende Character der in<lb/><placeName>Italien</placeName> entwickelten Doctrin, die ſich dem Proteſtantismus<lb/> anſchloß: man brauchte in <placeName>Regensburg</placeName> einige Ausdrücke die<lb/> den deutſchen Theologen nicht geläufig waren: aber ſie ver-<lb/> kannten darum nicht, daß dieß ihre eigene Lehre ſey, die<lb/> Lehre von dem lebendigen Glauben, der durch die Liebe thä-<lb/> tig iſt, aber die Rechtfertigung allein in dem Verdienſte <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118557513">Chriſti</persName><lb/> ſucht: die nemliche, mit der ſie ſich den Meinungen von dem<lb/> Werthe und der Nothwendigkeit der guten kirchlichen Werke<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [210/0222]
Siebentes Buch. Fuͤnftes Capitel.
Sündhaftigkeit nach der Taufe betreffend, mit geringer Ab-
weichung wiederholt. 1 Nicht ſo ganz unbedingt war dieß
mit dem Artikel von der Rechtfertigung ſelbſt der Fall. Die
aufgeſtellte Formel genügte keinem der beiden Theile; eine
andre, die Melanchthon in Vorſchlag brachte, wollte doch den
Katholiken nicht einleuchten: vielmehr traten dieſe mit einer
dritten hervor, die man dem Legaten Contarini zuſchrieb. 2
Wenigſtens haben wir eine in demſelben Monat verfaßte Ab-
handlung von ihm, in welcher dieſelben Ideen vorgetra-
gen werden die der Artikel enthält. Allerdings ward darin
die Lehre, welche ſpäterhin in der katholiſchen Kirche feſtge-
halten worden, von der inhärirenden Gerechtigkeit, d. i. von
der an den Glauben von Chriſti Verdienſt in dem Menſchen
gewirkten Tugend, ebenfalls behauptet: aber ſie trat neben
dem Dogma von der imputativen Gerechtigkeit, d. i. dem
uns zu Gute kommenden Verdienſte Chriſti, ſtark in Schat-
ten. Eben hierin lag der unterſcheidende Character der in
Italien entwickelten Doctrin, die ſich dem Proteſtantismus
anſchloß: man brauchte in Regensburg einige Ausdrücke die
den deutſchen Theologen nicht geläufig waren: aber ſie ver-
kannten darum nicht, daß dieß ihre eigene Lehre ſey, die
Lehre von dem lebendigen Glauben, der durch die Liebe thä-
tig iſt, aber die Rechtfertigung allein in dem Verdienſte Chriſti
ſucht: die nemliche, mit der ſie ſich den Meinungen von dem
Werthe und der Nothwendigkeit der guten kirchlichen Werke
1 Der verdammte Satz iſt: In puero post baptismum ne-
gare remanens peccatum est Paulum et Christum simul concul-
care; in den Regensburger Artikeln heißt es: Etsi post baptismum
in renatis remaneat materiale peccatum etc.
2 Cruciger an Bugenhagen 5 Mai Corp. Ref. IV, 552.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |