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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Wechsel politischer Tendenzen.

Vor diesem antiprotestantischen Interesse verschwand das
osmanische. Der Papst trug kein Bedenken die Unterhand-
lungen der Venezianer gut zu heißen. Er war sehr zufrie-
den, daß Franz I seine Verbindung mit dem Großherrn be-
nutzte um auch für die übrigen Mächte des Bundes Un-
terhandlungen anzuknüpfen. Dem französischen Gesandten,
der sich zu diesem Zwecke nach Constantinopel begab, sagte
er, der König werde sich damit das Lob Gottes und der
Menschen verdienen. 1

Hatte er bisher eben um des osmanischen Krieges wil-
len das gute Vernehmen zwischen dem Kaiser und dem Kö-
nig herzustellen gesucht, so stieg ihm nun der Gedanke auf, den
Kriegskräften der beiden Fürsten eine gemeinschaftliche Rich-
tung gegen die von der römischen Kirche Abgewichenen zu
geben: beinahe wie einst in den hierarchischen Jahrhunder-
ten die Päpste die Waffen der Gläubigen bald gegen die
Saracenen, bald gegen die Ketzer ins Feld geführt ha-
ben. Mit großem Eifer brachte Paul III die Friedensunter-
handlungen und zunächst die alten Vorschläge über die Ab-
tretung von Mailand wieder in Gang. Er ließ sich ver-
nehmen: wenn der Kaiser noch immer verweigern wolle
darauf einzugehn, so würde er beweisen daß er zum Ver-
derben der Christenheit geboren sey. Unter dem Wort Chri-
stenheit verstand er das geschlossene System der römischen
Kirche, und er behauptete nicht ohne Grund, daß dieß durch
die Connivenz des Kaisers in diesem Augenblick höchlich ge-
fährdet sey.

Wir wissen in welchen Schwankungen die Politik des

1 Le protonotaire Monluc au roi 20 Oct. 39. Ribier I, 476.
Wechſel politiſcher Tendenzen.

Vor dieſem antiproteſtantiſchen Intereſſe verſchwand das
osmaniſche. Der Papſt trug kein Bedenken die Unterhand-
lungen der Venezianer gut zu heißen. Er war ſehr zufrie-
den, daß Franz I ſeine Verbindung mit dem Großherrn be-
nutzte um auch für die übrigen Mächte des Bundes Un-
terhandlungen anzuknüpfen. Dem franzöſiſchen Geſandten,
der ſich zu dieſem Zwecke nach Conſtantinopel begab, ſagte
er, der König werde ſich damit das Lob Gottes und der
Menſchen verdienen. 1

Hatte er bisher eben um des osmaniſchen Krieges wil-
len das gute Vernehmen zwiſchen dem Kaiſer und dem Kö-
nig herzuſtellen geſucht, ſo ſtieg ihm nun der Gedanke auf, den
Kriegskräften der beiden Fürſten eine gemeinſchaftliche Rich-
tung gegen die von der römiſchen Kirche Abgewichenen zu
geben: beinahe wie einſt in den hierarchiſchen Jahrhunder-
ten die Päpſte die Waffen der Gläubigen bald gegen die
Saracenen, bald gegen die Ketzer ins Feld geführt ha-
ben. Mit großem Eifer brachte Paul III die Friedensunter-
handlungen und zunächſt die alten Vorſchläge über die Ab-
tretung von Mailand wieder in Gang. Er ließ ſich ver-
nehmen: wenn der Kaiſer noch immer verweigern wolle
darauf einzugehn, ſo würde er beweiſen daß er zum Ver-
derben der Chriſtenheit geboren ſey. Unter dem Wort Chri-
ſtenheit verſtand er das geſchloſſene Syſtem der römiſchen
Kirche, und er behauptete nicht ohne Grund, daß dieß durch
die Connivenz des Kaiſers in dieſem Augenblick höchlich ge-
fährdet ſey.

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[171/0183] Wechſel politiſcher Tendenzen. Vor dieſem antiproteſtantiſchen Intereſſe verſchwand das osmaniſche. Der Papſt trug kein Bedenken die Unterhand- lungen der Venezianer gut zu heißen. Er war ſehr zufrie- den, daß Franz I ſeine Verbindung mit dem Großherrn be- nutzte um auch für die übrigen Mächte des Bundes Un- terhandlungen anzuknüpfen. Dem franzöſiſchen Geſandten, der ſich zu dieſem Zwecke nach Conſtantinopel begab, ſagte er, der König werde ſich damit das Lob Gottes und der Menſchen verdienen. 1 Hatte er bisher eben um des osmaniſchen Krieges wil- len das gute Vernehmen zwiſchen dem Kaiſer und dem Kö- nig herzuſtellen geſucht, ſo ſtieg ihm nun der Gedanke auf, den Kriegskräften der beiden Fürſten eine gemeinſchaftliche Rich- tung gegen die von der römiſchen Kirche Abgewichenen zu geben: beinahe wie einſt in den hierarchiſchen Jahrhunder- ten die Päpſte die Waffen der Gläubigen bald gegen die Saracenen, bald gegen die Ketzer ins Feld geführt ha- ben. Mit großem Eifer brachte Paul III die Friedensunter- handlungen und zunächſt die alten Vorſchläge über die Ab- tretung von Mailand wieder in Gang. Er ließ ſich ver- nehmen: wenn der Kaiſer noch immer verweigern wolle darauf einzugehn, ſo würde er beweiſen daß er zum Ver- derben der Chriſtenheit geboren ſey. Unter dem Wort Chri- ſtenheit verſtand er das geſchloſſene Syſtem der römiſchen Kirche, und er behauptete nicht ohne Grund, daß dieß durch die Connivenz des Kaiſers in dieſem Augenblick höchlich ge- fährdet ſey. Wir wiſſen in welchen Schwankungen die Politik des 1 Le protonotaire Monluc au roi 20 Oct. 39. Ribier I, 476.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/183>, abgerufen am 25.11.2024.