Vor diesem antiprotestantischen Interesse verschwand das osmanische. Der Papst trug kein Bedenken die Unterhand- lungen der Venezianer gut zu heißen. Er war sehr zufrie- den, daß Franz I seine Verbindung mit dem Großherrn be- nutzte um auch für die übrigen Mächte des Bundes Un- terhandlungen anzuknüpfen. Dem französischen Gesandten, der sich zu diesem Zwecke nach Constantinopel begab, sagte er, der König werde sich damit das Lob Gottes und der Menschen verdienen. 1
Hatte er bisher eben um des osmanischen Krieges wil- len das gute Vernehmen zwischen dem Kaiser und dem Kö- nig herzustellen gesucht, so stieg ihm nun der Gedanke auf, den Kriegskräften der beiden Fürsten eine gemeinschaftliche Rich- tung gegen die von der römischen Kirche Abgewichenen zu geben: beinahe wie einst in den hierarchischen Jahrhunder- ten die Päpste die Waffen der Gläubigen bald gegen die Saracenen, bald gegen die Ketzer ins Feld geführt ha- ben. Mit großem Eifer brachte Paul III die Friedensunter- handlungen und zunächst die alten Vorschläge über die Ab- tretung von Mailand wieder in Gang. Er ließ sich ver- nehmen: wenn der Kaiser noch immer verweigern wolle darauf einzugehn, so würde er beweisen daß er zum Ver- derben der Christenheit geboren sey. Unter dem Wort Chri- stenheit verstand er das geschlossene System der römischen Kirche, und er behauptete nicht ohne Grund, daß dieß durch die Connivenz des Kaisers in diesem Augenblick höchlich ge- fährdet sey.
Wir wissen in welchen Schwankungen die Politik des
1Le protonotaire Monluc au roi 20 Oct. 39. RibierI, 476.
Wechſel politiſcher Tendenzen.
Vor dieſem antiproteſtantiſchen Intereſſe verſchwand das osmaniſche. Der Papſt trug kein Bedenken die Unterhand- lungen der Venezianer gut zu heißen. Er war ſehr zufrie- den, daß Franz I ſeine Verbindung mit dem Großherrn be- nutzte um auch für die übrigen Mächte des Bundes Un- terhandlungen anzuknüpfen. Dem franzöſiſchen Geſandten, der ſich zu dieſem Zwecke nach Conſtantinopel begab, ſagte er, der König werde ſich damit das Lob Gottes und der Menſchen verdienen. 1
Hatte er bisher eben um des osmaniſchen Krieges wil- len das gute Vernehmen zwiſchen dem Kaiſer und dem Kö- nig herzuſtellen geſucht, ſo ſtieg ihm nun der Gedanke auf, den Kriegskräften der beiden Fürſten eine gemeinſchaftliche Rich- tung gegen die von der römiſchen Kirche Abgewichenen zu geben: beinahe wie einſt in den hierarchiſchen Jahrhunder- ten die Päpſte die Waffen der Gläubigen bald gegen die Saracenen, bald gegen die Ketzer ins Feld geführt ha- ben. Mit großem Eifer brachte Paul III die Friedensunter- handlungen und zunächſt die alten Vorſchläge über die Ab- tretung von Mailand wieder in Gang. Er ließ ſich ver- nehmen: wenn der Kaiſer noch immer verweigern wolle darauf einzugehn, ſo würde er beweiſen daß er zum Ver- derben der Chriſtenheit geboren ſey. Unter dem Wort Chri- ſtenheit verſtand er das geſchloſſene Syſtem der römiſchen Kirche, und er behauptete nicht ohne Grund, daß dieß durch die Connivenz des Kaiſers in dieſem Augenblick höchlich ge- fährdet ſey.
Wir wiſſen in welchen Schwankungen die Politik des
1Le protonotaire Monluc au roi 20 Oct. 39. RibierI, 476.
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Wechſel politiſcher Tendenzen.
Vor dieſem antiproteſtantiſchen Intereſſe verſchwand das
osmaniſche. Der Papſt trug kein Bedenken die Unterhand-
lungen der Venezianer gut zu heißen. Er war ſehr zufrie-
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nutzte um auch für die übrigen Mächte des Bundes Un-
terhandlungen anzuknüpfen. Dem franzöſiſchen Geſandten,
der ſich zu dieſem Zwecke nach Conſtantinopel begab, ſagte
er, der König werde ſich damit das Lob Gottes und der
Menſchen verdienen. 1
Hatte er bisher eben um des osmaniſchen Krieges wil-
len das gute Vernehmen zwiſchen dem Kaiſer und dem Kö-
nig herzuſtellen geſucht, ſo ſtieg ihm nun der Gedanke auf, den
Kriegskräften der beiden Fürſten eine gemeinſchaftliche Rich-
tung gegen die von der römiſchen Kirche Abgewichenen zu
geben: beinahe wie einſt in den hierarchiſchen Jahrhunder-
ten die Päpſte die Waffen der Gläubigen bald gegen die
Saracenen, bald gegen die Ketzer ins Feld geführt ha-
ben. Mit großem Eifer brachte Paul III die Friedensunter-
handlungen und zunächſt die alten Vorſchläge über die Ab-
tretung von Mailand wieder in Gang. Er ließ ſich ver-
nehmen: wenn der Kaiſer noch immer verweigern wolle
darauf einzugehn, ſo würde er beweiſen daß er zum Ver-
derben der Chriſtenheit geboren ſey. Unter dem Wort Chri-
ſtenheit verſtand er das geſchloſſene Syſtem der römiſchen
Kirche, und er behauptete nicht ohne Grund, daß dieß durch
die Connivenz des Kaiſers in dieſem Augenblick höchlich ge-
fährdet ſey.
Wir wiſſen in welchen Schwankungen die Politik des
1 Le protonotaire Monluc au roi 20 Oct. 39. Ribier I, 476.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/183>, abgerufen am 25.11.2024.
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