besaß, auf dem linken Elbufer zu den reformatorischen Ein- richtungen schritt, sich auf dem rechten, wo er das nicht konnte, an den Bischof von Brandenburg gehalten haben würde, hätte dieser nur nicht die ihm präsentirten verheira- theten Candidaten zurückgewiesen. Nunmehr aber war die- ser Bischof, Matthias von Jagow, den Ideen der Reform selber beigetreten. "Gelobt sey Gott," schreibt ihm Fürst Georg, "der Ew Liebden seine Gnade verliehen hat, den vornehmsten Theil ihres bischöflichen Amtes nun in der That ausüben zu können." Der Bischof weigerte sich nicht län- ger, den anhaltischen Candidaten die Weihen zu geben. Fürst Georg, der eben auch die hierarchischen Gebräuche, bei de- nen er hergekommen, nur ungern fallen ließ, konnte jetzt wie- der nach seinen ursprünglichen Absichten verfahren.
In weiterer Entfernung fühlte sich durch das Beispiel der brandenburgischen Brüder auch die Schwester, die Herzo- gin Elisabeth von Braunschweig Calenberg, vorwärts getrie- ben: nach einem Besuch Markgraf Johanns in Münden ent- schloß sie sich bereits im Frühjahr 1538 mit einigen ihrer Jungfrauen und Mägde das Abendmahl unter beiderlei Ge- stalt zu empfangen. 1 Ihr Gemahl Erich war anderer Ge- sinnung, doch hinderte er sie nicht: er sagte wohl, da sie ihn in seiner Religion nicht irre, wolle er sie auch in der ihren nicht beunruhigen. 2 Er sah ihre Meinung noch durch- aus als Privatsache an. Eine ganz andre Bedeutung be- kam dieselbe aber, als Erich bald nachher starb, und mit der
beſaß, auf dem linken Elbufer zu den reformatoriſchen Ein- richtungen ſchritt, ſich auf dem rechten, wo er das nicht konnte, an den Biſchof von Brandenburg gehalten haben würde, hätte dieſer nur nicht die ihm präſentirten verheira- theten Candidaten zurückgewieſen. Nunmehr aber war die- ſer Biſchof, Matthias von Jagow, den Ideen der Reform ſelber beigetreten. „Gelobt ſey Gott,“ ſchreibt ihm Fürſt Georg, „der Ew Liebden ſeine Gnade verliehen hat, den vornehmſten Theil ihres biſchöflichen Amtes nun in der That ausüben zu können.“ Der Biſchof weigerte ſich nicht län- ger, den anhaltiſchen Candidaten die Weihen zu geben. Fürſt Georg, der eben auch die hierarchiſchen Gebräuche, bei de- nen er hergekommen, nur ungern fallen ließ, konnte jetzt wie- der nach ſeinen urſprünglichen Abſichten verfahren.
In weiterer Entfernung fühlte ſich durch das Beiſpiel der brandenburgiſchen Brüder auch die Schweſter, die Herzo- gin Eliſabeth von Braunſchweig Calenberg, vorwärts getrie- ben: nach einem Beſuch Markgraf Johanns in Münden ent- ſchloß ſie ſich bereits im Frühjahr 1538 mit einigen ihrer Jungfrauen und Mägde das Abendmahl unter beiderlei Ge- ſtalt zu empfangen. 1 Ihr Gemahl Erich war anderer Ge- ſinnung, doch hinderte er ſie nicht: er ſagte wohl, da ſie ihn in ſeiner Religion nicht irre, wolle er ſie auch in der ihren nicht beunruhigen. 2 Er ſah ihre Meinung noch durch- aus als Privatſache an. Eine ganz andre Bedeutung be- kam dieſelbe aber, als Erich bald nachher ſtarb, und mit der
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Siebentes Buch. Drittes Capitel.
beſaß, auf dem linken Elbufer zu den reformatoriſchen Ein-
richtungen ſchritt, ſich auf dem rechten, wo er das nicht
konnte, an den Biſchof von Brandenburg gehalten haben
würde, hätte dieſer nur nicht die ihm präſentirten verheira-
theten Candidaten zurückgewieſen. Nunmehr aber war die-
ſer Biſchof, Matthias von Jagow, den Ideen der Reform
ſelber beigetreten. „Gelobt ſey Gott,“ ſchreibt ihm Fürſt
Georg, „der Ew Liebden ſeine Gnade verliehen hat, den
vornehmſten Theil ihres biſchöflichen Amtes nun in der That
ausüben zu können.“ Der Biſchof weigerte ſich nicht län-
ger, den anhaltiſchen Candidaten die Weihen zu geben. Fürſt
Georg, der eben auch die hierarchiſchen Gebräuche, bei de-
nen er hergekommen, nur ungern fallen ließ, konnte jetzt wie-
der nach ſeinen urſprünglichen Abſichten verfahren.
In weiterer Entfernung fühlte ſich durch das Beiſpiel
der brandenburgiſchen Brüder auch die Schweſter, die Herzo-
gin Eliſabeth von Braunſchweig Calenberg, vorwärts getrie-
ben: nach einem Beſuch Markgraf Johanns in Münden ent-
ſchloß ſie ſich bereits im Frühjahr 1538 mit einigen ihrer
Jungfrauen und Mägde das Abendmahl unter beiderlei Ge-
ſtalt zu empfangen. 1 Ihr Gemahl Erich war anderer Ge-
ſinnung, doch hinderte er ſie nicht: er ſagte wohl, da ſie
ihn in ſeiner Religion nicht irre, wolle er ſie auch in der
ihren nicht beunruhigen. 2 Er ſah ihre Meinung noch durch-
aus als Privatſache an. Eine ganz andre Bedeutung be-
kam dieſelbe aber, als Erich bald nachher ſtarb, und mit der
1 Es war Sonntag Judica, 7 April: Havemann Herzogin
Eliſabeth p. 38.
2 Rehtmeyer Braunſchw. Chronicon T. II, p. 790.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/174>, abgerufen am 24.07.2024.
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