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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Anstand zu Frankfurt.
er gab ihm Zeichen der Ungnade, über die sich derselbe hin-
wegzusetzen die Miene annahm: denn der Hofdienst mache
nur Arbeit und bringe nichts ein: die er aber nicht ableug-
nen konnte. Einem Andern, dem Erzbischof von Lunden,
übertrug er die Führung der deutschen Geschäfte.

Wir kennen bereits Johann von Veeze, der einst durch
Christian II auf den erzbischöflichen Stuhl von Lund erho-
ben, in dessen Fall verwickelt worden und mit ihm hatte
fliehen müssen; wir sind ihm schon dann und wann in kai-
serlichen Diensten, in die er dann übertrat, begegnet. Eine
Zeitlang hielt er die Fäden der Verbindung der niederlän-
dischen Regierung und der nordischen Gegner Christians in
seiner Hand. Dann erscheint er im Namen der Königin
Maria in Ungarn, um deren dortige Geschäfte zu führen.
Zuweilen dachte er wohl noch einmal in eignem Namen auf-
zutreten, entweder mit seinen erzbischöflichen Rechten in Dä-
nemark
, oder als Verwalter der Besitzthümer der Königin,
um selbst eine politische Rolle zu spielen. Allein die paar
Thaler Taggelder, von denen er leben mußte, um deren Er-
höhung wir ihn unaufhörlich bitten finden, erinnerten ihn
wohl, wie wenig unabhängig er sey. Und so widmete er
sich ganz den Geschäften seines Herrn. Er bildete recht ei-
nen Gegensatz von Matthias Held: um die Aufrechthaltung
der bisherigen Kirchenformen und der damit zusammenhän-
genden Reichsverfassung kümmerte er sich wenig: er lebte
und webte in weitaussehenden politischen Combinationen.
Den Vertrag mit Zapolya, der so bedeutend in jene Zeit
eingriff, hat er vermittelt; er hat zuerst den Rath gegeben
und den Versuch gemacht den Landgrafen von Hessen für
Östreich zu gewinnen. Der Protestantismus der schwäbi-

Anſtand zu Frankfurt.
er gab ihm Zeichen der Ungnade, über die ſich derſelbe hin-
wegzuſetzen die Miene annahm: denn der Hofdienſt mache
nur Arbeit und bringe nichts ein: die er aber nicht ableug-
nen konnte. Einem Andern, dem Erzbiſchof von Lunden,
übertrug er die Führung der deutſchen Geſchäfte.

Wir kennen bereits Johann von Veeze, der einſt durch
Chriſtian II auf den erzbiſchöflichen Stuhl von Lund erho-
ben, in deſſen Fall verwickelt worden und mit ihm hatte
fliehen müſſen; wir ſind ihm ſchon dann und wann in kai-
ſerlichen Dienſten, in die er dann übertrat, begegnet. Eine
Zeitlang hielt er die Fäden der Verbindung der niederlän-
diſchen Regierung und der nordiſchen Gegner Chriſtians in
ſeiner Hand. Dann erſcheint er im Namen der Königin
Maria in Ungarn, um deren dortige Geſchäfte zu führen.
Zuweilen dachte er wohl noch einmal in eignem Namen auf-
zutreten, entweder mit ſeinen erzbiſchöflichen Rechten in Dä-
nemark
, oder als Verwalter der Beſitzthümer der Königin,
um ſelbſt eine politiſche Rolle zu ſpielen. Allein die paar
Thaler Taggelder, von denen er leben mußte, um deren Er-
höhung wir ihn unaufhörlich bitten finden, erinnerten ihn
wohl, wie wenig unabhängig er ſey. Und ſo widmete er
ſich ganz den Geſchäften ſeines Herrn. Er bildete recht ei-
nen Gegenſatz von Matthias Held: um die Aufrechthaltung
der bisherigen Kirchenformen und der damit zuſammenhän-
genden Reichsverfaſſung kümmerte er ſich wenig: er lebte
und webte in weitausſehenden politiſchen Combinationen.
Den Vertrag mit Zapolya, der ſo bedeutend in jene Zeit
eingriff, hat er vermittelt; er hat zuerſt den Rath gegeben
und den Verſuch gemacht den Landgrafen von Heſſen für
Öſtreich zu gewinnen. Der Proteſtantismus der ſchwäbi-

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[127/0139] Anſtand zu Frankfurt. er gab ihm Zeichen der Ungnade, über die ſich derſelbe hin- wegzuſetzen die Miene annahm: denn der Hofdienſt mache nur Arbeit und bringe nichts ein: die er aber nicht ableug- nen konnte. Einem Andern, dem Erzbiſchof von Lunden, übertrug er die Führung der deutſchen Geſchäfte. Wir kennen bereits Johann von Veeze, der einſt durch Chriſtian II auf den erzbiſchöflichen Stuhl von Lund erho- ben, in deſſen Fall verwickelt worden und mit ihm hatte fliehen müſſen; wir ſind ihm ſchon dann und wann in kai- ſerlichen Dienſten, in die er dann übertrat, begegnet. Eine Zeitlang hielt er die Fäden der Verbindung der niederlän- diſchen Regierung und der nordiſchen Gegner Chriſtians in ſeiner Hand. Dann erſcheint er im Namen der Königin Maria in Ungarn, um deren dortige Geſchäfte zu führen. Zuweilen dachte er wohl noch einmal in eignem Namen auf- zutreten, entweder mit ſeinen erzbiſchöflichen Rechten in Dä- nemark, oder als Verwalter der Beſitzthümer der Königin, um ſelbſt eine politiſche Rolle zu ſpielen. Allein die paar Thaler Taggelder, von denen er leben mußte, um deren Er- höhung wir ihn unaufhörlich bitten finden, erinnerten ihn wohl, wie wenig unabhängig er ſey. Und ſo widmete er ſich ganz den Geſchäften ſeines Herrn. Er bildete recht ei- nen Gegenſatz von Matthias Held: um die Aufrechthaltung der bisherigen Kirchenformen und der damit zuſammenhän- genden Reichsverfaſſung kümmerte er ſich wenig: er lebte und webte in weitausſehenden politiſchen Combinationen. Den Vertrag mit Zapolya, der ſo bedeutend in jene Zeit eingriff, hat er vermittelt; er hat zuerſt den Rath gegeben und den Verſuch gemacht den Landgrafen von Heſſen für Öſtreich zu gewinnen. Der Proteſtantismus der ſchwäbi-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/139>, abgerufen am 01.05.2024.