nen bisherigen Bündnissen, namentlich dem mit den Türken entsagte, sich die Unterstützung der beiden östreichischen Brü- der, unter andern zur Wiedereroberung von Belgrad, ver- sprechen ließ, und dagegen einwilligte, daß nach seinem Tode auch derjenige Theil von Ungarn den er im Besitz habe, möge er nun Kinder hinterlassen oder nicht, an Ferdinand fallen solle. 1
Diese Verbindungen aber machten auch wieder einen großen Eindruck in Frankreich. Der venezianische Gesandte versichert, als die Nachricht von dem Abschluß der Ligue zwischen dem Kaiser, dem Papst und der Republik Venedig am französischen Hofe ankam, habe Jedermann seine Augen auf den König gewandt, und ihm stille Vorwürfe gemacht. Der Christenheit Verluste verursacht zu haben, an einer Un- ternehmung nicht Theil nehmen zu können, die auch in der französischen Nation ein starkes Mitgefühl für sich hatte, war die mißliche Seite der von Franz I ergriffenen Politik. Er durfte darin nicht zu weit gehn.
Unter diesen Umständen nun gelang es dem Papst Paul, eine Zusammenkunft zwischen dem König und dem Kaiser zu Stande zu bringen, im Mai 1538, zu Nizza, die freilich noch nicht zum Ziel führte. Nicht von Frieden, sondern nur von einem längeren Waffenstillstand war zuletzt die Rede. Der König hätte einen zwanzigjährigen gewünscht, hauptsächlich um Piemont so lange als möglich in Besitz behalten zu kön- nen; der Kaiser, der seinen Schwager nicht so lange be- raubt sehen wollte, dachte nur einen dreijährigen zu bewilli- gen; dem Papst gelang es einen Stillstand auf zehn Jahre
1 Friedensvertrag bei KatonaXX, ii, 1077.
Waffenſtillſtand zu Nizza.
nen bisherigen Bündniſſen, namentlich dem mit den Türken entſagte, ſich die Unterſtützung der beiden öſtreichiſchen Brü- der, unter andern zur Wiedereroberung von Belgrad, ver- ſprechen ließ, und dagegen einwilligte, daß nach ſeinem Tode auch derjenige Theil von Ungarn den er im Beſitz habe, möge er nun Kinder hinterlaſſen oder nicht, an Ferdinand fallen ſolle. 1
Dieſe Verbindungen aber machten auch wieder einen großen Eindruck in Frankreich. Der venezianiſche Geſandte verſichert, als die Nachricht von dem Abſchluß der Ligue zwiſchen dem Kaiſer, dem Papſt und der Republik Venedig am franzöſiſchen Hofe ankam, habe Jedermann ſeine Augen auf den König gewandt, und ihm ſtille Vorwürfe gemacht. Der Chriſtenheit Verluſte verurſacht zu haben, an einer Un- ternehmung nicht Theil nehmen zu können, die auch in der franzöſiſchen Nation ein ſtarkes Mitgefühl für ſich hatte, war die mißliche Seite der von Franz I ergriffenen Politik. Er durfte darin nicht zu weit gehn.
Unter dieſen Umſtänden nun gelang es dem Papſt Paul, eine Zuſammenkunft zwiſchen dem König und dem Kaiſer zu Stande zu bringen, im Mai 1538, zu Nizza, die freilich noch nicht zum Ziel führte. Nicht von Frieden, ſondern nur von einem längeren Waffenſtillſtand war zuletzt die Rede. Der König hätte einen zwanzigjährigen gewünſcht, hauptſächlich um Piemont ſo lange als möglich in Beſitz behalten zu kön- nen; der Kaiſer, der ſeinen Schwager nicht ſo lange be- raubt ſehen wollte, dachte nur einen dreijährigen zu bewilli- gen; dem Papſt gelang es einen Stillſtand auf zehn Jahre
1 Friedensvertrag bei KatonaXX, ii, 1077.
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Waffenſtillſtand zu Nizza.
nen bisherigen Bündniſſen, namentlich dem mit den Türken
entſagte, ſich die Unterſtützung der beiden öſtreichiſchen Brü-
der, unter andern zur Wiedereroberung von Belgrad, ver-
ſprechen ließ, und dagegen einwilligte, daß nach ſeinem Tode
auch derjenige Theil von Ungarn den er im Beſitz habe,
möge er nun Kinder hinterlaſſen oder nicht, an Ferdinand
fallen ſolle. 1
Dieſe Verbindungen aber machten auch wieder einen
großen Eindruck in Frankreich. Der venezianiſche Geſandte
verſichert, als die Nachricht von dem Abſchluß der Ligue
zwiſchen dem Kaiſer, dem Papſt und der Republik Venedig
am franzöſiſchen Hofe ankam, habe Jedermann ſeine Augen
auf den König gewandt, und ihm ſtille Vorwürfe gemacht.
Der Chriſtenheit Verluſte verurſacht zu haben, an einer Un-
ternehmung nicht Theil nehmen zu können, die auch in der
franzöſiſchen Nation ein ſtarkes Mitgefühl für ſich hatte, war
die mißliche Seite der von Franz I ergriffenen Politik. Er
durfte darin nicht zu weit gehn.
Unter dieſen Umſtänden nun gelang es dem Papſt Paul,
eine Zuſammenkunft zwiſchen dem König und dem Kaiſer zu
Stande zu bringen, im Mai 1538, zu Nizza, die freilich noch
nicht zum Ziel führte. Nicht von Frieden, ſondern nur von
einem längeren Waffenſtillſtand war zuletzt die Rede. Der
König hätte einen zwanzigjährigen gewünſcht, hauptſächlich
um Piemont ſo lange als möglich in Beſitz behalten zu kön-
nen; der Kaiſer, der ſeinen Schwager nicht ſo lange be-
raubt ſehen wollte, dachte nur einen dreijährigen zu bewilli-
gen; dem Papſt gelang es einen Stillſtand auf zehn Jahre
1 Friedensvertrag bei Katona XX, ii, 1077.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/131>, abgerufen am 28.11.2024.
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