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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Emancipation von Zürich 1522.
digten in den Klöstern zu beginnen. Der Bürgermeister
schlug den beiden Theilen aufs neue vor, ihre Streitig-
keiten der Entscheidung von Propst und Capitel anheimzu-
stellen. Aber Zwingli erklärte, er sey der Prediger, der Bi-
schof der Stadt; er habe die Seelsorge derselben mit seinem
Eid übernommen; er werde nicht dulden, daß in den Klö-
stern, wo man ohnedieß keinen rechten Beruf habe, wider
Gottes Wort gepredigt werde, und sollte er an der Kan-
zel erscheinen und öffentlich widersprechen. Schon war Je-
dermann auf seiner Seite; der Bürgermeister erklärte end-
lich im Namen des Rathes, dessen Wille sey, daß das
reine Gottes Wort und nichts anderes in der Stadt gepre-
digt werde.

Früher war die Predigt nach der Schrift nur erlaubt,
den Leutpriestern anempfohlen worden; jetzt ward sie gebo-
ten, und zwar auch den Mönchen.

Und fragen wir, worauf Zwingli bei diesem Verfah-
ren sich gründete, welches Recht er den Anordnungen des Bi-
schofs entgegensetzte, -- so entspringt dieß vor allem aus dem
Begriff von der Gemeinde. Er ist der Meinung, daß alles,
was die Schrift von der Kirche sage, eben hauptsächlich auch
von den einzelnen Gemeinden gelte. Er scheint angenom-
men zu haben, 1 daß eine solche, sobald sie nur nichts Neues
aufzubringen suche, sondern sich damit begnüge, das Wort
Gottes zu hören und danach in streitigen Fällen zu urthei-

1 Zweite Disputation Zw. W. I, p. 470. Hieraus folgt auch,
daß diese unsere Zusammenrufung, die nit zu nachteil einiger Chri-
sten, sondern das Wort Gottes zu verhören versammelt ist, nit irren
mag: denn sy nit setzen noch entsetzen undernimmt, sunder allein hören
will, was in gemeldten spänen im Worte Gottes erfunden wird.

Emancipation von Zuͤrich 1522.
digten in den Klöſtern zu beginnen. Der Bürgermeiſter
ſchlug den beiden Theilen aufs neue vor, ihre Streitig-
keiten der Entſcheidung von Propſt und Capitel anheimzu-
ſtellen. Aber Zwingli erklärte, er ſey der Prediger, der Bi-
ſchof der Stadt; er habe die Seelſorge derſelben mit ſeinem
Eid übernommen; er werde nicht dulden, daß in den Klö-
ſtern, wo man ohnedieß keinen rechten Beruf habe, wider
Gottes Wort gepredigt werde, und ſollte er an der Kan-
zel erſcheinen und öffentlich widerſprechen. Schon war Je-
dermann auf ſeiner Seite; der Bürgermeiſter erklärte end-
lich im Namen des Rathes, deſſen Wille ſey, daß das
reine Gottes Wort und nichts anderes in der Stadt gepre-
digt werde.

Früher war die Predigt nach der Schrift nur erlaubt,
den Leutprieſtern anempfohlen worden; jetzt ward ſie gebo-
ten, und zwar auch den Mönchen.

Und fragen wir, worauf Zwingli bei dieſem Verfah-
ren ſich gründete, welches Recht er den Anordnungen des Bi-
ſchofs entgegenſetzte, — ſo entſpringt dieß vor allem aus dem
Begriff von der Gemeinde. Er iſt der Meinung, daß alles,
was die Schrift von der Kirche ſage, eben hauptſächlich auch
von den einzelnen Gemeinden gelte. Er ſcheint angenom-
men zu haben, 1 daß eine ſolche, ſobald ſie nur nichts Neues
aufzubringen ſuche, ſondern ſich damit begnüge, das Wort
Gottes zu hören und danach in ſtreitigen Fällen zu urthei-

1 Zweite Disputation Zw. W. I, p. 470. Hieraus folgt auch,
daß dieſe unſere Zuſammenrufung, die nit zu nachteil einiger Chri-
ſten, ſondern das Wort Gottes zu verhoͤren verſammelt iſt, nit irren
mag: denn ſy nit ſetzen noch entſetzen undernimmt, ſunder allein hoͤren
will, was in gemeldten ſpaͤnen im Worte Gottes erfunden wird.
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[71/0087] Emancipation von Zuͤrich 1522. digten in den Klöſtern zu beginnen. Der Bürgermeiſter ſchlug den beiden Theilen aufs neue vor, ihre Streitig- keiten der Entſcheidung von Propſt und Capitel anheimzu- ſtellen. Aber Zwingli erklärte, er ſey der Prediger, der Bi- ſchof der Stadt; er habe die Seelſorge derſelben mit ſeinem Eid übernommen; er werde nicht dulden, daß in den Klö- ſtern, wo man ohnedieß keinen rechten Beruf habe, wider Gottes Wort gepredigt werde, und ſollte er an der Kan- zel erſcheinen und öffentlich widerſprechen. Schon war Je- dermann auf ſeiner Seite; der Bürgermeiſter erklärte end- lich im Namen des Rathes, deſſen Wille ſey, daß das reine Gottes Wort und nichts anderes in der Stadt gepre- digt werde. Früher war die Predigt nach der Schrift nur erlaubt, den Leutprieſtern anempfohlen worden; jetzt ward ſie gebo- ten, und zwar auch den Mönchen. Und fragen wir, worauf Zwingli bei dieſem Verfah- ren ſich gründete, welches Recht er den Anordnungen des Bi- ſchofs entgegenſetzte, — ſo entſpringt dieß vor allem aus dem Begriff von der Gemeinde. Er iſt der Meinung, daß alles, was die Schrift von der Kirche ſage, eben hauptſächlich auch von den einzelnen Gemeinden gelte. Er ſcheint angenom- men zu haben, 1 daß eine ſolche, ſobald ſie nur nichts Neues aufzubringen ſuche, ſondern ſich damit begnüge, das Wort Gottes zu hören und danach in ſtreitigen Fällen zu urthei- 1 Zweite Disputation Zw. W. I, p. 470. Hieraus folgt auch, daß dieſe unſere Zuſammenrufung, die nit zu nachteil einiger Chri- ſten, ſondern das Wort Gottes zu verhoͤren verſammelt iſt, nit irren mag: denn ſy nit ſetzen noch entſetzen undernimmt, ſunder allein hoͤren will, was in gemeldten ſpaͤnen im Worte Gottes erfunden wird.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/87>, abgerufen am 27.11.2024.