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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Fünftes Buch. Zweites Capitel.
Sanftmüthigen, die Friedfertigen, auch auf die politischen
Verhältnisse an. "Wer das Schwerd nimmt, soll durch
das Schwerd umkommen." Der Krieg, sagt er, wagt alles,
gewinnt wenig, und verliert gewiß, aber "Sanftmuth ver-
liert nichts, wagt wenig und gewinnt alles."

Damit war nun Churfürst Johann leicht zu überzeu-
gen, der das Evangelium eben so verstand, wie Luther, und
von ganzem Herzen liebte; er war nur durch den heftigen
Verbündeten mit fortgerissen worden. Jetzt stellte er dem-
selben vor, ein Angriff könne dem Evangelium Unehre brin-
den und man müsse davon abstehn. Der Landgraf erwie-
derte, das Bündniß der Feinde, von ihnen versiegelt und
beschworen, sey so gut wie der Angriff selbst; er machte
auf die Vortheile aufmerksam, die ein rasches Vorschreiten
mit sich bringe; das würde Manchen aufwecken, der jetzt
schlafe; auf diese Weise werde man zu sicherem Vertrage
gelangen. Der Churfürst war aber nun nicht mehr zu be-
wegen. Er sendete seinen Sohn, von einem zuverlässigen
Rath, des Namens Wildenfels, begleitet, nach Cassel, mit
so bestimmter Anweisung, daß der Landgraf sich endlich ent-
schließen mußte, Luthers Rath zu befolgen und vor allem
das Bündniß bekannt zu machen, die darin genannten Für-
sten zur Verantwortung aufzufordern. Zunächst sandte er
es seinem Schwiegervater zu. 1


den nemlich schon in einer Instruction in Neudeckers Actenstücken p.
33 erwähnt; einer Urkunde, die zwar auch undatirt ist, aber ohne
Zweifel noch in den März fällt, da der Churfürst darin sagt, er habe
einige seiner Freunde auf Freitag nach Judica schirstkünftig (3. April)
zu sich beschieden.
1 Schreiben im Weim. Arch. undatirt, aber von der ersten

Fuͤnftes Buch. Zweites Capitel.
Sanftmüthigen, die Friedfertigen, auch auf die politiſchen
Verhältniſſe an. „Wer das Schwerd nimmt, ſoll durch
das Schwerd umkommen.“ Der Krieg, ſagt er, wagt alles,
gewinnt wenig, und verliert gewiß, aber „Sanftmuth ver-
liert nichts, wagt wenig und gewinnt alles.“

Damit war nun Churfürſt Johann leicht zu überzeu-
gen, der das Evangelium eben ſo verſtand, wie Luther, und
von ganzem Herzen liebte; er war nur durch den heftigen
Verbündeten mit fortgeriſſen worden. Jetzt ſtellte er dem-
ſelben vor, ein Angriff könne dem Evangelium Unehre brin-
den und man müſſe davon abſtehn. Der Landgraf erwie-
derte, das Bündniß der Feinde, von ihnen verſiegelt und
beſchworen, ſey ſo gut wie der Angriff ſelbſt; er machte
auf die Vortheile aufmerkſam, die ein raſches Vorſchreiten
mit ſich bringe; das würde Manchen aufwecken, der jetzt
ſchlafe; auf dieſe Weiſe werde man zu ſicherem Vertrage
gelangen. Der Churfürſt war aber nun nicht mehr zu be-
wegen. Er ſendete ſeinen Sohn, von einem zuverläſſigen
Rath, des Namens Wildenfels, begleitet, nach Caſſel, mit
ſo beſtimmter Anweiſung, daß der Landgraf ſich endlich ent-
ſchließen mußte, Luthers Rath zu befolgen und vor allem
das Bündniß bekannt zu machen, die darin genannten Für-
ſten zur Verantwortung aufzufordern. Zunächſt ſandte er
es ſeinem Schwiegervater zu. 1


den nemlich ſchon in einer Inſtruction in Neudeckers Actenſtuͤcken p.
33 erwaͤhnt; einer Urkunde, die zwar auch undatirt iſt, aber ohne
Zweifel noch in den Maͤrz faͤllt, da der Churfuͤrſt darin ſagt, er habe
einige ſeiner Freunde auf Freitag nach Judica ſchirſtkuͤnftig (3. April)
zu ſich beſchieden.
1 Schreiben im Weim. Arch. undatirt, aber von der erſten
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[42/0058] Fuͤnftes Buch. Zweites Capitel. Sanftmüthigen, die Friedfertigen, auch auf die politiſchen Verhältniſſe an. „Wer das Schwerd nimmt, ſoll durch das Schwerd umkommen.“ Der Krieg, ſagt er, wagt alles, gewinnt wenig, und verliert gewiß, aber „Sanftmuth ver- liert nichts, wagt wenig und gewinnt alles.“ Damit war nun Churfürſt Johann leicht zu überzeu- gen, der das Evangelium eben ſo verſtand, wie Luther, und von ganzem Herzen liebte; er war nur durch den heftigen Verbündeten mit fortgeriſſen worden. Jetzt ſtellte er dem- ſelben vor, ein Angriff könne dem Evangelium Unehre brin- den und man müſſe davon abſtehn. Der Landgraf erwie- derte, das Bündniß der Feinde, von ihnen verſiegelt und beſchworen, ſey ſo gut wie der Angriff ſelbſt; er machte auf die Vortheile aufmerkſam, die ein raſches Vorſchreiten mit ſich bringe; das würde Manchen aufwecken, der jetzt ſchlafe; auf dieſe Weiſe werde man zu ſicherem Vertrage gelangen. Der Churfürſt war aber nun nicht mehr zu be- wegen. Er ſendete ſeinen Sohn, von einem zuverläſſigen Rath, des Namens Wildenfels, begleitet, nach Caſſel, mit ſo beſtimmter Anweiſung, daß der Landgraf ſich endlich ent- ſchließen mußte, Luthers Rath zu befolgen und vor allem das Bündniß bekannt zu machen, die darin genannten Für- ſten zur Verantwortung aufzufordern. Zunächſt ſandte er es ſeinem Schwiegervater zu. 1 1 1 Schreiben im Weim. Arch. undatirt, aber von der erſten 1 den nemlich ſchon in einer Inſtruction in Neudeckers Actenſtuͤcken p. 33 erwaͤhnt; einer Urkunde, die zwar auch undatirt iſt, aber ohne Zweifel noch in den Maͤrz faͤllt, da der Churfuͤrſt darin ſagt, er habe einige ſeiner Freunde auf Freitag nach Judica ſchirſtkuͤnftig (3. April) zu ſich beſchieden.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/58>, abgerufen am 06.05.2024.