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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Sechstes Buch. Neuntes Capitel.
gar bald sahen sich die Mollenhökschen genöthigt, in das
Rathhaus zu flüchten; als man Kanonen davor auffuhr
(zum Theil von Weibern herangezogen), reichten sie ihre
Hüte zu den Fenstern hinaus und ergaben sich. Sie hät-
ten wohl wissen können, daß das ihnen das Leben nicht
fristen werde. Unbarmherziger wurden nie Gefangene be-
handelt, als diese von denen, die noch so eben ihre Brü-
der im Geist gewesen. Viele wurden an Bäume gebun-
den und erschossen. "Wer den ersten Schuß thut," rief
Jan Bockelsohn aus, "erweist Gott einen Dienst damit";
die andern enthauptete man. 1

Mit der fanatischen Beschränktheit, mit der man nichts
anerkannte, als die eigene Lehre, hängt es zusammen, daß
man jede Abweichung mit Tod und Verderben bestrafte.
Aus der alles andere negirenden Idee erhebt sich noth-
wendig und allemal der Schrecken. Bei der Bekanntma-
chung jener Gesetztafel war einem Jeden, der dawider ver-
stoße, die Ausrottung aus dem Volke Gottes angedroht.
Und wehe dem nun vollends, der die göttliche Berechti-
gung der Machthaber antastete. Schon Matthys ließ
einen ehrlichen Schmied, Meister Truteling, der ihm ein
geringschätziges Wort gesagt, dafür mit dem Tode bestra-
fen. Wir erwähnten des Amtes der Rechtsvollstreckung,
das Knipperdolling empfing. Er hatte die Gewalt, einen

1 Ne ex crebris bombardarum tonitruis hostes oppidanos
inter se dissidere suspicentur neque tantam pulveris jacturam
faciant decretum est reliquos sexaginta lex gladio ferire, quae
poenae executio Knipperdollingo committitur, qui singulis diebus
aliquot pro arbitrio suo productos et tandem ad unum omnes
capite plectit, nisi quod propheta interim animi et exercitii causa
in nonnullos animadverterit
(Kersenbroik).

Sechstes Buch. Neuntes Capitel.
gar bald ſahen ſich die Mollenhökſchen genöthigt, in das
Rathhaus zu flüchten; als man Kanonen davor auffuhr
(zum Theil von Weibern herangezogen), reichten ſie ihre
Hüte zu den Fenſtern hinaus und ergaben ſich. Sie hät-
ten wohl wiſſen können, daß das ihnen das Leben nicht
friſten werde. Unbarmherziger wurden nie Gefangene be-
handelt, als dieſe von denen, die noch ſo eben ihre Brü-
der im Geiſt geweſen. Viele wurden an Bäume gebun-
den und erſchoſſen. „Wer den erſten Schuß thut,“ rief
Jan Bockelſohn aus, „erweiſt Gott einen Dienſt damit“;
die andern enthauptete man. 1

Mit der fanatiſchen Beſchränktheit, mit der man nichts
anerkannte, als die eigene Lehre, hängt es zuſammen, daß
man jede Abweichung mit Tod und Verderben beſtrafte.
Aus der alles andere negirenden Idee erhebt ſich noth-
wendig und allemal der Schrecken. Bei der Bekanntma-
chung jener Geſetztafel war einem Jeden, der dawider ver-
ſtoße, die Ausrottung aus dem Volke Gottes angedroht.
Und wehe dem nun vollends, der die göttliche Berechti-
gung der Machthaber antaſtete. Schon Matthys ließ
einen ehrlichen Schmied, Meiſter Truteling, der ihm ein
geringſchätziges Wort geſagt, dafür mit dem Tode beſtra-
fen. Wir erwähnten des Amtes der Rechtsvollſtreckung,
das Knipperdolling empfing. Er hatte die Gewalt, einen

1 Ne ex crebris bombardarum tonitruis hostes oppidanos
inter se dissidere suspicentur neque tantam pulveris jacturam
faciant decretum est reliquos sexaginta lex gladio ferire, quae
poenae executio Knipperdollingo committitur, qui singulis diebus
aliquot pro arbitrio suo productos et tandem ad unum omnes
capite plectit, nisi quod propheta interim animi et exercitii causa
in nonnullos animadverterit
(Kerſenbroik).
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[534/0550] Sechstes Buch. Neuntes Capitel. gar bald ſahen ſich die Mollenhökſchen genöthigt, in das Rathhaus zu flüchten; als man Kanonen davor auffuhr (zum Theil von Weibern herangezogen), reichten ſie ihre Hüte zu den Fenſtern hinaus und ergaben ſich. Sie hät- ten wohl wiſſen können, daß das ihnen das Leben nicht friſten werde. Unbarmherziger wurden nie Gefangene be- handelt, als dieſe von denen, die noch ſo eben ihre Brü- der im Geiſt geweſen. Viele wurden an Bäume gebun- den und erſchoſſen. „Wer den erſten Schuß thut,“ rief Jan Bockelſohn aus, „erweiſt Gott einen Dienſt damit“; die andern enthauptete man. 1 Mit der fanatiſchen Beſchränktheit, mit der man nichts anerkannte, als die eigene Lehre, hängt es zuſammen, daß man jede Abweichung mit Tod und Verderben beſtrafte. Aus der alles andere negirenden Idee erhebt ſich noth- wendig und allemal der Schrecken. Bei der Bekanntma- chung jener Geſetztafel war einem Jeden, der dawider ver- ſtoße, die Ausrottung aus dem Volke Gottes angedroht. Und wehe dem nun vollends, der die göttliche Berechti- gung der Machthaber antaſtete. Schon Matthys ließ einen ehrlichen Schmied, Meiſter Truteling, der ihm ein geringſchätziges Wort geſagt, dafür mit dem Tode beſtra- fen. Wir erwähnten des Amtes der Rechtsvollſtreckung, das Knipperdolling empfing. Er hatte die Gewalt, einen 1 Ne ex crebris bombardarum tonitruis hostes oppidanos inter se dissidere suspicentur neque tantam pulveris jacturam faciant decretum est reliquos sexaginta lex gladio ferire, quae poenae executio Knipperdollingo committitur, qui singulis diebus aliquot pro arbitrio suo productos et tandem ad unum omnes capite plectit, nisi quod propheta interim animi et exercitii causa in nonnullos animadverterit (Kerſenbroik).

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 534. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/550>, abgerufen am 22.11.2024.