Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.Wiedertäufer. Salzburger Gärtnerbrüder. künfte gehalten und unter einander gepredigt hatten; sperrtesie hier ein und zündete das Haus an. "Die haben," fährt jene Nachricht fort, "jämmerlich unter einander ge- schrieen, zuletzt ihr Leben aufgegeben, Gott helfe ihnen und uns allen." Unter Andern hatte ein junges schönes Fräu- lein von 16 Jahren auf keine Weise zum Widerruf gebracht werden können: wie denn in diesem Alter die Seele der stärksten und schwungvollsten moralischen Hingebung fähig ist; gewiß war sie der Dinge, deren man sie anklagte, schuldig, aber übrigens mit dem Bewußtseyn und dem Ausdruck der reinen Unschuld. Jedermann bat um ihr Le- ben. Der Nachrichter nahm sie auf den Arm, trug sie an die Roßtränke, tauchte sie unter das Wasser, so lange bis sie ertrunken war, dann zog er den entseelten Leib wie- der hervor und übergab ihn dem Feuer. 1 Auf ganz verschiedene Folgerungen wurden nun aber 1 Newe Zeyttung. In Zauners Salzburger Chronik, V, 119,
finden sich, obwohl ihm jene Nachricht unbekannt geblieben ist, doch sonst einige ergänzende Notizen über jenen Pfarrer u. s. w. Wiedertaͤufer. Salzburger Gaͤrtnerbruͤder. künfte gehalten und unter einander gepredigt hatten; ſperrteſie hier ein und zündete das Haus an. „Die haben,“ fährt jene Nachricht fort, „jämmerlich unter einander ge- ſchrieen, zuletzt ihr Leben aufgegeben, Gott helfe ihnen und uns allen.“ Unter Andern hatte ein junges ſchönes Fräu- lein von 16 Jahren auf keine Weiſe zum Widerruf gebracht werden können: wie denn in dieſem Alter die Seele der ſtärkſten und ſchwungvollſten moraliſchen Hingebung fähig iſt; gewiß war ſie der Dinge, deren man ſie anklagte, ſchuldig, aber übrigens mit dem Bewußtſeyn und dem Ausdruck der reinen Unſchuld. Jedermann bat um ihr Le- ben. Der Nachrichter nahm ſie auf den Arm, trug ſie an die Roßtränke, tauchte ſie unter das Waſſer, ſo lange bis ſie ertrunken war, dann zog er den entſeelten Leib wie- der hervor und übergab ihn dem Feuer. 1 Auf ganz verſchiedene Folgerungen wurden nun aber 1 Newe Zeyttung. In Zauners Salzburger Chronik, V, 119,
finden ſich, obwohl ihm jene Nachricht unbekannt geblieben iſt, doch ſonſt einige ergaͤnzende Notizen uͤber jenen Pfarrer u. ſ. w. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0525" n="509"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Wiedertaͤufer. Salzburger Gaͤrtnerbruͤder</hi>.</fw><lb/> künfte gehalten und unter einander gepredigt hatten; ſperrte<lb/> ſie hier ein und zündete das Haus an. „Die haben,“<lb/> fährt jene Nachricht fort, „jämmerlich unter einander ge-<lb/> ſchrieen, zuletzt ihr Leben aufgegeben, Gott helfe ihnen und<lb/> uns allen.“ Unter Andern hatte ein junges ſchönes Fräu-<lb/> lein von 16 Jahren auf keine Weiſe zum Widerruf gebracht<lb/> werden können: wie denn in dieſem Alter die Seele der<lb/> ſtärkſten und ſchwungvollſten moraliſchen Hingebung fähig<lb/> iſt; gewiß war ſie der Dinge, deren man ſie anklagte,<lb/> ſchuldig, aber übrigens mit dem Bewußtſeyn und dem<lb/> Ausdruck der reinen Unſchuld. Jedermann bat um ihr Le-<lb/> ben. Der Nachrichter nahm ſie auf den Arm, trug ſie<lb/> an die Roßtränke, tauchte ſie unter das Waſſer, ſo lange<lb/> bis ſie ertrunken war, dann zog er den entſeelten Leib wie-<lb/> der hervor und übergab ihn dem Feuer. <note place="foot" n="1">Newe Zeyttung. In Zauners Salzburger Chronik, <hi rendition="#aq">V</hi>, 119,<lb/> finden ſich, obwohl ihm jene Nachricht unbekannt geblieben iſt, doch<lb/> ſonſt einige ergaͤnzende Notizen uͤber jenen Pfarrer u. ſ. w.</note></p><lb/> <p>Auf ganz verſchiedene Folgerungen wurden nun aber<lb/> Andere von denſelben Fragen über Erlöſung und Rechtfer-<lb/> tigung geführt. Sie nahmen eine durchgreifende Trennung<lb/> zwiſchen Geiſt und Fleiſch an. Statt zu ſagen, der Menſch<lb/> könne durch eigne Kraft das Gute thun, er werde durch<lb/> Rechtthun ſelig, das ſey die Lehre Chriſti, behaupteten ſie<lb/> vielmehr, nur das Fleiſch ſündige; der Geiſt werde davon<lb/> nicht berührt, er ſey bei dem Sündenfall nicht mitgefallen.<lb/> Durch die Wiederbringung werde der ganze Menſch ſo frei<lb/> wie vor dem Falle, ja noch freier. Indem ſie nun Chriſto<lb/> dieſe Wiederbringung zuſchrieben, lehrten ſie doch, daß deſ-<lb/> ſen Menſchheit von beſonderer Art geweſen ſey. Er habe<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [509/0525]
Wiedertaͤufer. Salzburger Gaͤrtnerbruͤder.
künfte gehalten und unter einander gepredigt hatten; ſperrte
ſie hier ein und zündete das Haus an. „Die haben,“
fährt jene Nachricht fort, „jämmerlich unter einander ge-
ſchrieen, zuletzt ihr Leben aufgegeben, Gott helfe ihnen und
uns allen.“ Unter Andern hatte ein junges ſchönes Fräu-
lein von 16 Jahren auf keine Weiſe zum Widerruf gebracht
werden können: wie denn in dieſem Alter die Seele der
ſtärkſten und ſchwungvollſten moraliſchen Hingebung fähig
iſt; gewiß war ſie der Dinge, deren man ſie anklagte,
ſchuldig, aber übrigens mit dem Bewußtſeyn und dem
Ausdruck der reinen Unſchuld. Jedermann bat um ihr Le-
ben. Der Nachrichter nahm ſie auf den Arm, trug ſie
an die Roßtränke, tauchte ſie unter das Waſſer, ſo lange
bis ſie ertrunken war, dann zog er den entſeelten Leib wie-
der hervor und übergab ihn dem Feuer. 1
Auf ganz verſchiedene Folgerungen wurden nun aber
Andere von denſelben Fragen über Erlöſung und Rechtfer-
tigung geführt. Sie nahmen eine durchgreifende Trennung
zwiſchen Geiſt und Fleiſch an. Statt zu ſagen, der Menſch
könne durch eigne Kraft das Gute thun, er werde durch
Rechtthun ſelig, das ſey die Lehre Chriſti, behaupteten ſie
vielmehr, nur das Fleiſch ſündige; der Geiſt werde davon
nicht berührt, er ſey bei dem Sündenfall nicht mitgefallen.
Durch die Wiederbringung werde der ganze Menſch ſo frei
wie vor dem Falle, ja noch freier. Indem ſie nun Chriſto
dieſe Wiederbringung zuſchrieben, lehrten ſie doch, daß deſ-
ſen Menſchheit von beſonderer Art geweſen ſey. Er habe
1 Newe Zeyttung. In Zauners Salzburger Chronik, V, 119,
finden ſich, obwohl ihm jene Nachricht unbekannt geblieben iſt, doch
ſonſt einige ergaͤnzende Notizen uͤber jenen Pfarrer u. ſ. w.
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