Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.Sechstes Buch. Neuntes Capitel. ten sich verbreitet haben. Wir finden sie unter andern inSalzburg, ohne daß wir sagen könnten, wie sie dahin ge- kommen. Eine Gemeinde von armen Leuten hegte sie, die sich von allem Gottesdienst lossagten, in Einöden zusammenkamen, durch gemeine Beisteuern Brüderschaften errichteten: sie nannten sich Gärtnerbrüder. Sie meinten, der Geist, Gutes zu thun, sey allen Menschen angeboren; es sey schon genug, wenn man nur das Gesetz erfülle; denn eben dadurch ziehe uns Gott an sich, daß man äu- ßerlich Recht thun müsse; Christus sey keineswegs der Er- füller des Gesetzes, sondern ein Lehrer christlichen Lebens. 1 Behauptungen von nicht sehr tiefsinniger, aber wahrhaft un- schädlicher Natur. An diesen armen Leuten wurden sie aber furchtbar gestraft. Einige von ihnen waren auf einer ihrer Versammlungen in dem Hause eines Pfarrers entdeckt wor- den, und hatten kein Bedenken getragen, auch die abwesenden Mitglieder ihres Bundes zu nennen. Hierauf wurden sie sämmtlich dem Gericht überliefert. Die Glaubensschwächeren, die sich zum Widerruf bewegen ließen, wurden erst mit dem Schwerte gerichtet, dann verbrannte man ihre Leiber. Die, welche nicht widerriefen, wurden auf dem Frohnhof bei le- bendigem Leibe dem Feuer übergeben. "Die haben lange gelebt, sagt eine gleichzeitige Nachricht, und Gott hart an- gerufen, ist gar erbärmlich zu hören gewesen." Oder man brachte sie in das Haus, wo sie häufig ihre Zusammen- 1 Newe Zeyttung von den widderteufern und yhrer Sect 1528.
Angehängt sind 13 Artikel "welche sie für warhaftig halten." Z. B. "Es sey ein inniges ziehen des Vaters damit er uns zu yhm ziehe, das sey wenn man lere recht thun von aussen." -- -- "Sie mögen Guts thun von yhnen selbst wie sie erschaffen." Sechstes Buch. Neuntes Capitel. ten ſich verbreitet haben. Wir finden ſie unter andern inSalzburg, ohne daß wir ſagen könnten, wie ſie dahin ge- kommen. Eine Gemeinde von armen Leuten hegte ſie, die ſich von allem Gottesdienſt losſagten, in Einöden zuſammenkamen, durch gemeine Beiſteuern Brüderſchaften errichteten: ſie nannten ſich Gärtnerbrüder. Sie meinten, der Geiſt, Gutes zu thun, ſey allen Menſchen angeboren; es ſey ſchon genug, wenn man nur das Geſetz erfülle; denn eben dadurch ziehe uns Gott an ſich, daß man äu- ßerlich Recht thun müſſe; Chriſtus ſey keineswegs der Er- füller des Geſetzes, ſondern ein Lehrer chriſtlichen Lebens. 1 Behauptungen von nicht ſehr tiefſinniger, aber wahrhaft un- ſchädlicher Natur. An dieſen armen Leuten wurden ſie aber furchtbar geſtraft. Einige von ihnen waren auf einer ihrer Verſammlungen in dem Hauſe eines Pfarrers entdeckt wor- den, und hatten kein Bedenken getragen, auch die abweſenden Mitglieder ihres Bundes zu nennen. Hierauf wurden ſie ſämmtlich dem Gericht überliefert. Die Glaubensſchwächeren, die ſich zum Widerruf bewegen ließen, wurden erſt mit dem Schwerte gerichtet, dann verbrannte man ihre Leiber. Die, welche nicht widerriefen, wurden auf dem Frohnhof bei le- bendigem Leibe dem Feuer übergeben. „Die haben lange gelebt, ſagt eine gleichzeitige Nachricht, und Gott hart an- gerufen, iſt gar erbärmlich zu hören geweſen.“ Oder man brachte ſie in das Haus, wo ſie häufig ihre Zuſammen- 1 Newe Zeyttung von den widderteufern und yhrer Sect 1528.
Angehaͤngt ſind 13 Artikel „welche ſie fuͤr warhaftig halten.“ Z. B. „Es ſey ein inniges ziehen des Vaters damit er uns zu yhm ziehe, das ſey wenn man lere recht thun von auſſen.“ — — „Sie moͤgen Guts thun von yhnen ſelbſt wie ſie erſchaffen.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0524" n="508"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sechstes Buch. Neuntes Capitel</hi>.</fw><lb/> ten ſich verbreitet haben. Wir finden ſie unter andern in<lb/> Salzburg, ohne daß wir ſagen könnten, wie ſie dahin ge-<lb/> kommen. Eine Gemeinde von armen Leuten hegte ſie,<lb/> die ſich von allem Gottesdienſt losſagten, in Einöden<lb/> zuſammenkamen, durch gemeine Beiſteuern Brüderſchaften<lb/> errichteten: ſie nannten ſich Gärtnerbrüder. Sie meinten,<lb/> der Geiſt, Gutes zu thun, ſey allen Menſchen angeboren;<lb/> es ſey ſchon genug, wenn man nur das Geſetz erfülle;<lb/> denn eben dadurch ziehe uns Gott an ſich, daß man äu-<lb/> ßerlich Recht thun müſſe; Chriſtus ſey keineswegs der Er-<lb/> füller des Geſetzes, ſondern ein Lehrer chriſtlichen Lebens. <note place="foot" n="1">Newe Zeyttung von den widderteufern und yhrer Sect 1528.<lb/> Angehaͤngt ſind 13 Artikel „welche ſie fuͤr warhaftig halten.“ Z. B.<lb/> „Es ſey ein inniges ziehen des Vaters damit er uns zu yhm ziehe,<lb/> das ſey wenn man lere recht thun von auſſen.“ — — „Sie moͤgen<lb/> Guts thun von yhnen ſelbſt wie ſie erſchaffen.“</note><lb/> Behauptungen von nicht ſehr tiefſinniger, aber wahrhaft un-<lb/> ſchädlicher Natur. An dieſen armen Leuten wurden ſie aber<lb/> furchtbar geſtraft. Einige von ihnen waren auf einer ihrer<lb/> Verſammlungen in dem Hauſe eines Pfarrers entdeckt wor-<lb/> den, und hatten kein Bedenken getragen, auch die abweſenden<lb/> Mitglieder ihres Bundes zu nennen. Hierauf wurden ſie<lb/> ſämmtlich dem Gericht überliefert. Die Glaubensſchwächeren,<lb/> die ſich zum Widerruf bewegen ließen, wurden erſt mit dem<lb/> Schwerte gerichtet, dann verbrannte man ihre Leiber. Die,<lb/> welche nicht widerriefen, wurden auf dem Frohnhof bei le-<lb/> bendigem Leibe dem Feuer übergeben. „Die haben lange<lb/> gelebt, ſagt eine gleichzeitige Nachricht, und Gott hart an-<lb/> gerufen, iſt gar erbärmlich zu hören geweſen.“ Oder man<lb/> brachte ſie in das Haus, wo ſie häufig ihre Zuſammen-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [508/0524]
Sechstes Buch. Neuntes Capitel.
ten ſich verbreitet haben. Wir finden ſie unter andern in
Salzburg, ohne daß wir ſagen könnten, wie ſie dahin ge-
kommen. Eine Gemeinde von armen Leuten hegte ſie,
die ſich von allem Gottesdienſt losſagten, in Einöden
zuſammenkamen, durch gemeine Beiſteuern Brüderſchaften
errichteten: ſie nannten ſich Gärtnerbrüder. Sie meinten,
der Geiſt, Gutes zu thun, ſey allen Menſchen angeboren;
es ſey ſchon genug, wenn man nur das Geſetz erfülle;
denn eben dadurch ziehe uns Gott an ſich, daß man äu-
ßerlich Recht thun müſſe; Chriſtus ſey keineswegs der Er-
füller des Geſetzes, ſondern ein Lehrer chriſtlichen Lebens. 1
Behauptungen von nicht ſehr tiefſinniger, aber wahrhaft un-
ſchädlicher Natur. An dieſen armen Leuten wurden ſie aber
furchtbar geſtraft. Einige von ihnen waren auf einer ihrer
Verſammlungen in dem Hauſe eines Pfarrers entdeckt wor-
den, und hatten kein Bedenken getragen, auch die abweſenden
Mitglieder ihres Bundes zu nennen. Hierauf wurden ſie
ſämmtlich dem Gericht überliefert. Die Glaubensſchwächeren,
die ſich zum Widerruf bewegen ließen, wurden erſt mit dem
Schwerte gerichtet, dann verbrannte man ihre Leiber. Die,
welche nicht widerriefen, wurden auf dem Frohnhof bei le-
bendigem Leibe dem Feuer übergeben. „Die haben lange
gelebt, ſagt eine gleichzeitige Nachricht, und Gott hart an-
gerufen, iſt gar erbärmlich zu hören geweſen.“ Oder man
brachte ſie in das Haus, wo ſie häufig ihre Zuſammen-
1 Newe Zeyttung von den widderteufern und yhrer Sect 1528.
Angehaͤngt ſind 13 Artikel „welche ſie fuͤr warhaftig halten.“ Z. B.
„Es ſey ein inniges ziehen des Vaters damit er uns zu yhm ziehe,
das ſey wenn man lere recht thun von auſſen.“ — — „Sie moͤgen
Guts thun von yhnen ſelbſt wie ſie erſchaffen.“
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