des Christenthums hielt, mußte endlich den Neuerern wei- chen, welche die scholastischen Doctrinen aus der Epistel an die Römer widerlegten. 1
Es waren jedoch nur zwei, drei Orte, wo die Bewe- gung im Ganzen so friedlich abging; in andern kam es darüber zu gewaltsamen Ereignissen, z. B. in Soest und in Paderborn.
In Soest waren die Bürgermeister und Rathsherrn wider ihren Willen genöthigt worden, die lutherische Predigt zu gestatten, die augsburgische Confession, eine evangelische Kirchenordnung anzunehmen. 2 Da sie jedoch im Amte blieben, konnte es an Reibungen zwischen ihnen und den Wortführern der evangelischen Partei in der Gemeinde nicht fehlen. Besonders war ihnen ein Gerber verhaßt, des Na- mens Schlachtorp, und um ihr wankendes Ansehen we- nigstens in bürgerlichen Dingen wiederherzustellen, ergriffen sie die Gelegenheit, beim ersten Exceß, den derselbe mit ein paar Andern beim Weine beging, -- sie hatten da eigent- lich nur tapfer geschimpft -- ihn festzunehmen, vor Ge- richt zu stellen, und was Niemand erwartete, er selbst am wenigsten, denn sonst hätte er leicht entfliehen können, mit den Uebrigen zum Tode zu verurtheilen. Da half nun keine Einrede über die Geringfügigkeit des Vergehens, keine Für- bitte; der Tag der Hinrichtung ward festgesetzt; um diesen Act zu schützen, vertraute der Rath den ergebensten unter den Bür-
1 Der andre damals ausgetretene Bürgermeister war Andreas Kleinsorg, Großvater des Gerhard von Kleinsorgen, der eine west- fälische Kirchengeschichte im katholischen Sinne verfaßt hat.
2 Den katholischen Geistlichen ward vorgeschrieben "ut ho- neste viverent -- -- abolita superstitione tantum;" sie wichen größtentheils aus der Stadt.
Reform. in Weſtfalen. Soeſt.
des Chriſtenthums hielt, mußte endlich den Neuerern wei- chen, welche die ſcholaſtiſchen Doctrinen aus der Epiſtel an die Römer widerlegten. 1
Es waren jedoch nur zwei, drei Orte, wo die Bewe- gung im Ganzen ſo friedlich abging; in andern kam es darüber zu gewaltſamen Ereigniſſen, z. B. in Soeſt und in Paderborn.
In Soeſt waren die Bürgermeiſter und Rathsherrn wider ihren Willen genöthigt worden, die lutheriſche Predigt zu geſtatten, die augsburgiſche Confeſſion, eine evangeliſche Kirchenordnung anzunehmen. 2 Da ſie jedoch im Amte blieben, konnte es an Reibungen zwiſchen ihnen und den Wortführern der evangeliſchen Partei in der Gemeinde nicht fehlen. Beſonders war ihnen ein Gerber verhaßt, des Na- mens Schlachtorp, und um ihr wankendes Anſehen we- nigſtens in bürgerlichen Dingen wiederherzuſtellen, ergriffen ſie die Gelegenheit, beim erſten Exceß, den derſelbe mit ein paar Andern beim Weine beging, — ſie hatten da eigent- lich nur tapfer geſchimpft — ihn feſtzunehmen, vor Ge- richt zu ſtellen, und was Niemand erwartete, er ſelbſt am wenigſten, denn ſonſt hätte er leicht entfliehen können, mit den Uebrigen zum Tode zu verurtheilen. Da half nun keine Einrede über die Geringfügigkeit des Vergehens, keine Für- bitte; der Tag der Hinrichtung ward feſtgeſetzt; um dieſen Act zu ſchützen, vertraute der Rath den ergebenſten unter den Bür-
1 Der andre damals ausgetretene Buͤrgermeiſter war Andreas Kleinſorg, Großvater des Gerhard von Kleinſorgen, der eine weſt- faͤliſche Kirchengeſchichte im katholiſchen Sinne verfaßt hat.
2 Den katholiſchen Geiſtlichen ward vorgeſchrieben „ut ho- neste viverent — — abolita superstitione tantum;“ ſie wichen groͤßtentheils aus der Stadt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0509"n="493"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Reform. in Weſtfalen. Soeſt</hi>.</fw><lb/>
des Chriſtenthums hielt, mußte endlich den Neuerern wei-<lb/>
chen, welche die ſcholaſtiſchen Doctrinen aus der Epiſtel<lb/>
an die Römer widerlegten. <noteplace="foot"n="1">Der andre damals ausgetretene Buͤrgermeiſter war Andreas<lb/>
Kleinſorg, Großvater des Gerhard von Kleinſorgen, der eine weſt-<lb/>
faͤliſche Kirchengeſchichte im katholiſchen Sinne verfaßt hat.</note></p><lb/><p>Es waren jedoch nur zwei, drei Orte, wo die Bewe-<lb/>
gung im Ganzen ſo friedlich abging; in andern kam es<lb/>
darüber zu gewaltſamen Ereigniſſen, z. B. in Soeſt und<lb/>
in Paderborn.</p><lb/><p>In Soeſt waren die Bürgermeiſter und Rathsherrn<lb/>
wider ihren Willen genöthigt worden, die lutheriſche Predigt<lb/>
zu geſtatten, die augsburgiſche Confeſſion, eine evangeliſche<lb/>
Kirchenordnung anzunehmen. <noteplace="foot"n="2">Den katholiſchen Geiſtlichen ward vorgeſchrieben <hirendition="#aq">„ut ho-<lb/>
neste viverent —— abolita superstitione tantum;“</hi>ſie wichen<lb/>
groͤßtentheils aus der Stadt.</note> Da ſie jedoch im Amte<lb/>
blieben, konnte es an Reibungen zwiſchen ihnen und den<lb/>
Wortführern der evangeliſchen Partei in der Gemeinde nicht<lb/>
fehlen. Beſonders war ihnen ein Gerber verhaßt, des Na-<lb/>
mens Schlachtorp, und um ihr wankendes Anſehen we-<lb/>
nigſtens in bürgerlichen Dingen wiederherzuſtellen, ergriffen<lb/>ſie die Gelegenheit, beim erſten Exceß, den derſelbe mit ein<lb/>
paar Andern beim Weine beging, —ſie hatten da eigent-<lb/>
lich nur tapfer geſchimpft — ihn feſtzunehmen, vor Ge-<lb/>
richt zu ſtellen, und was Niemand erwartete, er ſelbſt am<lb/>
wenigſten, denn ſonſt hätte er leicht entfliehen können, mit<lb/>
den Uebrigen zum Tode zu verurtheilen. Da half nun keine<lb/>
Einrede über die Geringfügigkeit des Vergehens, keine Für-<lb/>
bitte; der Tag der Hinrichtung ward feſtgeſetzt; um dieſen Act<lb/>
zu ſchützen, vertraute der Rath den ergebenſten unter den Bür-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[493/0509]
Reform. in Weſtfalen. Soeſt.
des Chriſtenthums hielt, mußte endlich den Neuerern wei-
chen, welche die ſcholaſtiſchen Doctrinen aus der Epiſtel
an die Römer widerlegten. 1
Es waren jedoch nur zwei, drei Orte, wo die Bewe-
gung im Ganzen ſo friedlich abging; in andern kam es
darüber zu gewaltſamen Ereigniſſen, z. B. in Soeſt und
in Paderborn.
In Soeſt waren die Bürgermeiſter und Rathsherrn
wider ihren Willen genöthigt worden, die lutheriſche Predigt
zu geſtatten, die augsburgiſche Confeſſion, eine evangeliſche
Kirchenordnung anzunehmen. 2 Da ſie jedoch im Amte
blieben, konnte es an Reibungen zwiſchen ihnen und den
Wortführern der evangeliſchen Partei in der Gemeinde nicht
fehlen. Beſonders war ihnen ein Gerber verhaßt, des Na-
mens Schlachtorp, und um ihr wankendes Anſehen we-
nigſtens in bürgerlichen Dingen wiederherzuſtellen, ergriffen
ſie die Gelegenheit, beim erſten Exceß, den derſelbe mit ein
paar Andern beim Weine beging, — ſie hatten da eigent-
lich nur tapfer geſchimpft — ihn feſtzunehmen, vor Ge-
richt zu ſtellen, und was Niemand erwartete, er ſelbſt am
wenigſten, denn ſonſt hätte er leicht entfliehen können, mit
den Uebrigen zum Tode zu verurtheilen. Da half nun keine
Einrede über die Geringfügigkeit des Vergehens, keine Für-
bitte; der Tag der Hinrichtung ward feſtgeſetzt; um dieſen Act
zu ſchützen, vertraute der Rath den ergebenſten unter den Bür-
1 Der andre damals ausgetretene Buͤrgermeiſter war Andreas
Kleinſorg, Großvater des Gerhard von Kleinſorgen, der eine weſt-
faͤliſche Kirchengeſchichte im katholiſchen Sinne verfaßt hat.
2 Den katholiſchen Geiſtlichen ward vorgeſchrieben „ut ho-
neste viverent — — abolita superstitione tantum;“ ſie wichen
groͤßtentheils aus der Stadt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/509>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.