Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Friede von Kadan in religiöser Beziehung.

Ein Hauptgrund für den Churfürsten von Sachsen,
in der Wahlangelegenheit nachzugeben, lag darin, daß Kö-
nig Ferdinand, von dem ja sonst nichts als widerwärtige
Einwirkungen auf das Gericht zu erwarten gewesen wären,
sich anheischig machte, "nachdem ein Mißverstand wegen des
nürnbergischen Friedens vorgefallen," eine wirkliche Einstel-
lung der bisher wider die in demselben Begriffenen ein-
geleiteten Processe zu bewirken. Man muß diese Worte
wohl erwägen. Das Geständniß, daß ein Mißverstand
vorgefallen, das Versprechen einer wirklichen Abstellung,
sind offenbar bestimmt, die von dem Kammergericht vor-
gebrachte Einwendung, so viel an dem Könige liegt, zu be-
seitigen. So verstand man es auch von Seiten der Pro-
testanten. 1 Wir kennen die Weisung nicht, die der König
hierauf an das Kammergericht erlassen haben wird; aber
in der That finden wir auch keine Klagen über ein weite-
res Vorschreiten dieses Gerichtshofes.

Dabei blieb es allerdings, daß die Wohlthat des Still-
stands nur denen zu Gute kommen sollte, welche in dem
nürnbergischen Frieden namentlich aufgeführt worden: al-
lein zugleich ward doch auch in Kadan eine andere Be-
stimmung getroffen, welche eine der wesentlichsten Erweite-
rungen des Protestantismus möglich machte.

König Ferdinand hatte den Herzog von Wirtembreg

1 Sächsisches Bedenken zur Zusammenkunft in Wien 1535.
Die Fürwendung des Kammergerichts, als nehme es keine Religions-
sachen vor, sey durch den Vertrag abgeschnitten, "indem das sich K.
Mt. verpflichtet hat obwol uf berürten nürnbergischen Frieden etwas
Mißverstand, -- welcher Mißverstand eben des Kammergerichts Ge-
genfürwendung gewest, -- fürgefallen, soll er doch aufgehoben seyn."
Ranke d. Gesch. III. 31
Friede von Kadan in religioͤſer Beziehung.

Ein Hauptgrund für den Churfürſten von Sachſen,
in der Wahlangelegenheit nachzugeben, lag darin, daß Kö-
nig Ferdinand, von dem ja ſonſt nichts als widerwärtige
Einwirkungen auf das Gericht zu erwarten geweſen wären,
ſich anheiſchig machte, „nachdem ein Mißverſtand wegen des
nürnbergiſchen Friedens vorgefallen,“ eine wirkliche Einſtel-
lung der bisher wider die in demſelben Begriffenen ein-
geleiteten Proceſſe zu bewirken. Man muß dieſe Worte
wohl erwägen. Das Geſtändniß, daß ein Mißverſtand
vorgefallen, das Verſprechen einer wirklichen Abſtellung,
ſind offenbar beſtimmt, die von dem Kammergericht vor-
gebrachte Einwendung, ſo viel an dem Könige liegt, zu be-
ſeitigen. So verſtand man es auch von Seiten der Pro-
teſtanten. 1 Wir kennen die Weiſung nicht, die der König
hierauf an das Kammergericht erlaſſen haben wird; aber
in der That finden wir auch keine Klagen über ein weite-
res Vorſchreiten dieſes Gerichtshofes.

Dabei blieb es allerdings, daß die Wohlthat des Still-
ſtands nur denen zu Gute kommen ſollte, welche in dem
nürnbergiſchen Frieden namentlich aufgeführt worden: al-
lein zugleich ward doch auch in Kadan eine andere Be-
ſtimmung getroffen, welche eine der weſentlichſten Erweite-
rungen des Proteſtantismus möglich machte.

König Ferdinand hatte den Herzog von Wirtembreg

1 Saͤchſiſches Bedenken zur Zuſammenkunft in Wien 1535.
Die Fuͤrwendung des Kammergerichts, als nehme es keine Religions-
ſachen vor, ſey durch den Vertrag abgeſchnitten, „indem das ſich K.
Mt. verpflichtet hat obwol uf beruͤrten nuͤrnbergiſchen Frieden etwas
Mißverſtand, — welcher Mißverſtand eben des Kammergerichts Ge-
genfuͤrwendung geweſt, — fuͤrgefallen, ſoll er doch aufgehoben ſeyn.“
Ranke d. Geſch. III. 31
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0497" n="481"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Friede von Kadan in religio&#x0364;&#x017F;er Beziehung</hi>.</fw><lb/>
          <p>Ein Hauptgrund für den Churfür&#x017F;ten von Sach&#x017F;en,<lb/>
in der Wahlangelegenheit nachzugeben, lag darin, daß Kö-<lb/>
nig Ferdinand, von dem ja &#x017F;on&#x017F;t nichts als widerwärtige<lb/>
Einwirkungen auf das Gericht zu erwarten gewe&#x017F;en wären,<lb/>
&#x017F;ich anhei&#x017F;chig machte, &#x201E;nachdem ein Mißver&#x017F;tand wegen des<lb/>
nürnbergi&#x017F;chen Friedens vorgefallen,&#x201C; eine wirkliche Ein&#x017F;tel-<lb/>
lung der bisher wider die in dem&#x017F;elben Begriffenen ein-<lb/>
geleiteten Proce&#x017F;&#x017F;e zu bewirken. Man muß die&#x017F;e Worte<lb/>
wohl erwägen. Das Ge&#x017F;tändniß, daß ein Mißver&#x017F;tand<lb/>
vorgefallen, das Ver&#x017F;prechen einer wirklichen Ab&#x017F;tellung,<lb/>
&#x017F;ind offenbar be&#x017F;timmt, die von dem Kammergericht vor-<lb/>
gebrachte Einwendung, &#x017F;o viel an dem Könige liegt, zu be-<lb/>
&#x017F;eitigen. So ver&#x017F;tand man es auch von Seiten der Pro-<lb/>
te&#x017F;tanten. <note place="foot" n="1">Sa&#x0364;ch&#x017F;i&#x017F;ches Bedenken zur Zu&#x017F;ammenkunft in Wien 1535.<lb/>
Die Fu&#x0364;rwendung des Kammergerichts, als nehme es keine Religions-<lb/>
&#x017F;achen vor, &#x017F;ey durch den Vertrag abge&#x017F;chnitten, &#x201E;indem das &#x017F;ich K.<lb/>
Mt. verpflichtet hat obwol uf beru&#x0364;rten nu&#x0364;rnbergi&#x017F;chen Frieden etwas<lb/>
Mißver&#x017F;tand, &#x2014; welcher Mißver&#x017F;tand eben des Kammergerichts Ge-<lb/>
genfu&#x0364;rwendung gewe&#x017F;t, &#x2014; fu&#x0364;rgefallen, &#x017F;oll er doch aufgehoben &#x017F;eyn.&#x201C;</note> Wir kennen die Wei&#x017F;ung nicht, die der König<lb/>
hierauf an das Kammergericht erla&#x017F;&#x017F;en haben wird; aber<lb/>
in der That finden wir auch keine Klagen über ein weite-<lb/>
res Vor&#x017F;chreiten die&#x017F;es Gerichtshofes.</p><lb/>
          <p>Dabei blieb es allerdings, daß die Wohlthat des Still-<lb/>
&#x017F;tands nur denen zu Gute kommen &#x017F;ollte, welche in dem<lb/>
nürnbergi&#x017F;chen Frieden namentlich aufgeführt worden: al-<lb/>
lein zugleich ward doch auch in Kadan eine andere Be-<lb/>
&#x017F;timmung getroffen, welche eine der we&#x017F;entlich&#x017F;ten Erweite-<lb/>
rungen des Prote&#x017F;tantismus möglich machte.</p><lb/>
          <p>König Ferdinand hatte den Herzog von Wirtembreg<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Ranke d. Ge&#x017F;ch. <hi rendition="#aq">III.</hi> 31</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[481/0497] Friede von Kadan in religioͤſer Beziehung. Ein Hauptgrund für den Churfürſten von Sachſen, in der Wahlangelegenheit nachzugeben, lag darin, daß Kö- nig Ferdinand, von dem ja ſonſt nichts als widerwärtige Einwirkungen auf das Gericht zu erwarten geweſen wären, ſich anheiſchig machte, „nachdem ein Mißverſtand wegen des nürnbergiſchen Friedens vorgefallen,“ eine wirkliche Einſtel- lung der bisher wider die in demſelben Begriffenen ein- geleiteten Proceſſe zu bewirken. Man muß dieſe Worte wohl erwägen. Das Geſtändniß, daß ein Mißverſtand vorgefallen, das Verſprechen einer wirklichen Abſtellung, ſind offenbar beſtimmt, die von dem Kammergericht vor- gebrachte Einwendung, ſo viel an dem Könige liegt, zu be- ſeitigen. So verſtand man es auch von Seiten der Pro- teſtanten. 1 Wir kennen die Weiſung nicht, die der König hierauf an das Kammergericht erlaſſen haben wird; aber in der That finden wir auch keine Klagen über ein weite- res Vorſchreiten dieſes Gerichtshofes. Dabei blieb es allerdings, daß die Wohlthat des Still- ſtands nur denen zu Gute kommen ſollte, welche in dem nürnbergiſchen Frieden namentlich aufgeführt worden: al- lein zugleich ward doch auch in Kadan eine andere Be- ſtimmung getroffen, welche eine der weſentlichſten Erweite- rungen des Proteſtantismus möglich machte. König Ferdinand hatte den Herzog von Wirtembreg 1 Saͤchſiſches Bedenken zur Zuſammenkunft in Wien 1535. Die Fuͤrwendung des Kammergerichts, als nehme es keine Religions- ſachen vor, ſey durch den Vertrag abgeſchnitten, „indem das ſich K. Mt. verpflichtet hat obwol uf beruͤrten nuͤrnbergiſchen Frieden etwas Mißverſtand, — welcher Mißverſtand eben des Kammergerichts Ge- genfuͤrwendung geweſt, — fuͤrgefallen, ſoll er doch aufgehoben ſeyn.“ Ranke d. Geſch. III. 31

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/497
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/497>, abgerufen am 18.05.2024.