Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.Verfassung des schmalkaldischen Bundes. Campeggi möge ihn daran gehindert haben. Der Kai-ser ist einfältig, fuhr er fort, er versteht kein Latein. Man hätte mich und den König von Frankreich zu Schieds- richtern nehmen sollen; wir würden die gelehrtesten Leute aus ganz Europa berufen und die Sache bald zur Ent- scheidung gebracht haben. Dann kam er auf die Wahl zu reden. Warum wählen die Fürsten, sagte er, nicht einen Andern zum König, etwa den Herzog von Baiern, der ganz dazu passen würde? Sie mögen sich nicht von dem Kaiser betrügen lassen, wie dieser den Papst betrogen hat. Herr, setzte er hinzu, gleich als sey er selbst über diese Offenherzigkeit erschrocken, es darf Niemand erfah- ren, daß ich dieß gesagt habe, ich bin der Verbündete des Kaisers. -- In der That, fuhr er nach kurzer Pause fort, es wäre dem Kaiser ein Schimpf, wenn er Deutsch- land verlassen müßte, ohne diese Unruhen beigelegt zu ha- ben. Ich sehe, die Zeit ist da, wo entweder der Kaiser sich berühmt machen wird, oder der Chürfürst von Sachsen. Dahin war es gekommen, daß ein benachbarter geist- Wir lassen uns davon nicht irren: es entgeht uns Aber so viel ist doch auch klar, daß die föderative Hatte die erobernde Tendenz der schweizerischen Re- Verfaſſung des ſchmalkaldiſchen Bundes. Campeggi möge ihn daran gehindert haben. Der Kai-ſer iſt einfältig, fuhr er fort, er verſteht kein Latein. Man hätte mich und den König von Frankreich zu Schieds- richtern nehmen ſollen; wir würden die gelehrteſten Leute aus ganz Europa berufen und die Sache bald zur Ent- ſcheidung gebracht haben. Dann kam er auf die Wahl zu reden. Warum wählen die Fürſten, ſagte er, nicht einen Andern zum König, etwa den Herzog von Baiern, der ganz dazu paſſen würde? Sie mögen ſich nicht von dem Kaiſer betrügen laſſen, wie dieſer den Papſt betrogen hat. Herr, ſetzte er hinzu, gleich als ſey er ſelbſt über dieſe Offenherzigkeit erſchrocken, es darf Niemand erfah- ren, daß ich dieß geſagt habe, ich bin der Verbündete des Kaiſers. — In der That, fuhr er nach kurzer Pauſe fort, es wäre dem Kaiſer ein Schimpf, wenn er Deutſch- land verlaſſen müßte, ohne dieſe Unruhen beigelegt zu ha- ben. Ich ſehe, die Zeit iſt da, wo entweder der Kaiſer ſich berühmt machen wird, oder der Chürfürſt von Sachſen. Dahin war es gekommen, daß ein benachbarter geiſt- Wir laſſen uns davon nicht irren: es entgeht uns Aber ſo viel iſt doch auch klar, daß die föderative Hatte die erobernde Tendenz der ſchweizeriſchen Re- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0413" n="397"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Verfaſſung des ſchmalkaldiſchen Bundes</hi>.</fw><lb/> Campeggi möge ihn daran gehindert haben. Der Kai-<lb/> ſer iſt einfältig, fuhr er fort, er verſteht kein Latein. Man<lb/> hätte mich und den König von Frankreich zu Schieds-<lb/> richtern nehmen ſollen; wir würden die gelehrteſten Leute<lb/> aus ganz Europa berufen und die Sache bald zur Ent-<lb/> ſcheidung gebracht haben. Dann kam er auf die Wahl<lb/> zu reden. Warum wählen die Fürſten, ſagte er, nicht<lb/> einen Andern zum König, etwa den Herzog von Baiern,<lb/> der ganz dazu paſſen würde? Sie mögen ſich nicht von<lb/> dem Kaiſer betrügen laſſen, wie dieſer den Papſt betrogen<lb/> hat. Herr, ſetzte er hinzu, gleich als ſey er ſelbſt über<lb/> dieſe Offenherzigkeit erſchrocken, es darf Niemand erfah-<lb/> ren, daß ich dieß geſagt habe, ich bin der Verbündete des<lb/> Kaiſers. — In der That, fuhr er nach kurzer Pauſe fort,<lb/> es wäre dem Kaiſer ein Schimpf, wenn er Deutſch-<lb/> land verlaſſen müßte, ohne dieſe Unruhen beigelegt zu ha-<lb/> ben. Ich ſehe, die Zeit iſt da, wo entweder der Kaiſer<lb/> ſich berühmt machen wird, oder der Chürfürſt von Sachſen.</p><lb/> <p>Dahin war es gekommen, daß ein benachbarter geiſt-<lb/> reicher Fürſt die Ausſicht auf Ruhm und Weltbedeutung,<lb/> welche der Churfürſt habe, mit der des Kaiſers vergleichen<lb/> konnte.</p><lb/> <p>Wir laſſen uns davon nicht irren: es entgeht uns<lb/> nicht, daß der König mit Gedanken dieſer Art ſeinem dem<lb/> Kaiſer feindſeligen Herzen ſchmeichelte.</p><lb/> <p>Aber ſo viel iſt doch auch klar, daß die föderative<lb/> Stellung, welche der alte Churfürſt jetzt am Ende ſeiner<lb/> Tage eingenommen, eine hohe Bedeutung in ſich ſchloß.</p><lb/> <p>Hatte die erobernde Tendenz der ſchweizeriſchen Re-<lb/> form bei dem Verſuche, die gegenüberſtehenden Feindſelig-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [397/0413]
Verfaſſung des ſchmalkaldiſchen Bundes.
Campeggi möge ihn daran gehindert haben. Der Kai-
ſer iſt einfältig, fuhr er fort, er verſteht kein Latein. Man
hätte mich und den König von Frankreich zu Schieds-
richtern nehmen ſollen; wir würden die gelehrteſten Leute
aus ganz Europa berufen und die Sache bald zur Ent-
ſcheidung gebracht haben. Dann kam er auf die Wahl
zu reden. Warum wählen die Fürſten, ſagte er, nicht
einen Andern zum König, etwa den Herzog von Baiern,
der ganz dazu paſſen würde? Sie mögen ſich nicht von
dem Kaiſer betrügen laſſen, wie dieſer den Papſt betrogen
hat. Herr, ſetzte er hinzu, gleich als ſey er ſelbſt über
dieſe Offenherzigkeit erſchrocken, es darf Niemand erfah-
ren, daß ich dieß geſagt habe, ich bin der Verbündete des
Kaiſers. — In der That, fuhr er nach kurzer Pauſe fort,
es wäre dem Kaiſer ein Schimpf, wenn er Deutſch-
land verlaſſen müßte, ohne dieſe Unruhen beigelegt zu ha-
ben. Ich ſehe, die Zeit iſt da, wo entweder der Kaiſer
ſich berühmt machen wird, oder der Chürfürſt von Sachſen.
Dahin war es gekommen, daß ein benachbarter geiſt-
reicher Fürſt die Ausſicht auf Ruhm und Weltbedeutung,
welche der Churfürſt habe, mit der des Kaiſers vergleichen
konnte.
Wir laſſen uns davon nicht irren: es entgeht uns
nicht, daß der König mit Gedanken dieſer Art ſeinem dem
Kaiſer feindſeligen Herzen ſchmeichelte.
Aber ſo viel iſt doch auch klar, daß die föderative
Stellung, welche der alte Churfürſt jetzt am Ende ſeiner
Tage eingenommen, eine hohe Bedeutung in ſich ſchloß.
Hatte die erobernde Tendenz der ſchweizeriſchen Re-
form bei dem Verſuche, die gegenüberſtehenden Feindſelig-
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