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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Fünftes Buch. Erstes Capitel.

Noch im Januar 1528 drang Lautrec ins Königreich
Neapel ein. Das deutsche Heer, das der Prinz von Ora-
nien nicht ohne große Mühe endlich aus Rom weggeführt
hatte, stellte sich ihm bei Troja in den Weg, und wünschte
es zu einer Feldschlacht zu bringen. Aber Lautrec erwartete
venezianische Verstärkungen und begnügte sich indeß, die
Kaiserlichen das Uebergewicht seines Geschützes fühlen zu
lassen. Nachdem die Verstärkungen angekommen, bei der
starken Hinneigung, die sich im ganzen Reiche zu Gunsten
Frankreichs offenbarte, selbst von Geschütz entblöst, hielten
es endlich die Kaiserlichen für nothwendig sich nach Nea-
pel zurückzuziehen, vor allem dieß zu vertheidigen; denn das
Haupt folge nicht den Gliedern nach, sondern die Glieder
dem Haupte. Gegen Ende April langte Lautrec vor Nea-
pel an, schlug sein Lager zu beiden Seiten der Heerstraße
von Capua auf und eröffnete die Belagerung. Es schien
fast unmöglich, daß die volkreiche, für den Mangel an
Nahrungsmitteln mehr als jede andere empfindliche Stadt
sich einem siegreichen Heere gegenüber lange würde halten kön-
nen. Schon war der größte Theil des Reiches in den Hän-
den der Verbündeten. Die Venezianer nahmen die apu-
lischen Häfen in Besitz. Filippino Doria brachte den Kai-
serlichen in den Gewässern von Amalfi eine Niederlage bei.
In England berechnete man bereits die Zeit, wo Neapel ge-
fallen, wo alles beendigt seyn würde. Ueberhaupt hegte man
dort die kühnsten Hoffnungen. Wolsey meinte einmal, man
müsse den Papst vermögen, den Kaiser wegen der schweren
Beleidigungen, die er von ihm erfahren habe, geradezu ab-
zusetzen. Er möge nur erklären, daß den Churfürsten wie-

Fuͤnftes Buch. Erſtes Capitel.

Noch im Januar 1528 drang Lautrec ins Königreich
Neapel ein. Das deutſche Heer, das der Prinz von Ora-
nien nicht ohne große Mühe endlich aus Rom weggeführt
hatte, ſtellte ſich ihm bei Troja in den Weg, und wünſchte
es zu einer Feldſchlacht zu bringen. Aber Lautrec erwartete
venezianiſche Verſtärkungen und begnügte ſich indeß, die
Kaiſerlichen das Uebergewicht ſeines Geſchützes fühlen zu
laſſen. Nachdem die Verſtärkungen angekommen, bei der
ſtarken Hinneigung, die ſich im ganzen Reiche zu Gunſten
Frankreichs offenbarte, ſelbſt von Geſchütz entblöst, hielten
es endlich die Kaiſerlichen für nothwendig ſich nach Nea-
pel zurückzuziehen, vor allem dieß zu vertheidigen; denn das
Haupt folge nicht den Gliedern nach, ſondern die Glieder
dem Haupte. Gegen Ende April langte Lautrec vor Nea-
pel an, ſchlug ſein Lager zu beiden Seiten der Heerſtraße
von Capua auf und eröffnete die Belagerung. Es ſchien
faſt unmöglich, daß die volkreiche, für den Mangel an
Nahrungsmitteln mehr als jede andere empfindliche Stadt
ſich einem ſiegreichen Heere gegenüber lange würde halten kön-
nen. Schon war der größte Theil des Reiches in den Hän-
den der Verbündeten. Die Venezianer nahmen die apu-
liſchen Häfen in Beſitz. Filippino Doria brachte den Kai-
ſerlichen in den Gewäſſern von Amalfi eine Niederlage bei.
In England berechnete man bereits die Zeit, wo Neapel ge-
fallen, wo alles beendigt ſeyn würde. Ueberhaupt hegte man
dort die kühnſten Hoffnungen. Wolſey meinte einmal, man
müſſe den Papſt vermögen, den Kaiſer wegen der ſchweren
Beleidigungen, die er von ihm erfahren habe, geradezu ab-
zuſetzen. Er möge nur erklären, daß den Churfürſten wie-

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[24/0040] Fuͤnftes Buch. Erſtes Capitel. Noch im Januar 1528 drang Lautrec ins Königreich Neapel ein. Das deutſche Heer, das der Prinz von Ora- nien nicht ohne große Mühe endlich aus Rom weggeführt hatte, ſtellte ſich ihm bei Troja in den Weg, und wünſchte es zu einer Feldſchlacht zu bringen. Aber Lautrec erwartete venezianiſche Verſtärkungen und begnügte ſich indeß, die Kaiſerlichen das Uebergewicht ſeines Geſchützes fühlen zu laſſen. Nachdem die Verſtärkungen angekommen, bei der ſtarken Hinneigung, die ſich im ganzen Reiche zu Gunſten Frankreichs offenbarte, ſelbſt von Geſchütz entblöst, hielten es endlich die Kaiſerlichen für nothwendig ſich nach Nea- pel zurückzuziehen, vor allem dieß zu vertheidigen; denn das Haupt folge nicht den Gliedern nach, ſondern die Glieder dem Haupte. Gegen Ende April langte Lautrec vor Nea- pel an, ſchlug ſein Lager zu beiden Seiten der Heerſtraße von Capua auf und eröffnete die Belagerung. Es ſchien faſt unmöglich, daß die volkreiche, für den Mangel an Nahrungsmitteln mehr als jede andere empfindliche Stadt ſich einem ſiegreichen Heere gegenüber lange würde halten kön- nen. Schon war der größte Theil des Reiches in den Hän- den der Verbündeten. Die Venezianer nahmen die apu- liſchen Häfen in Beſitz. Filippino Doria brachte den Kai- ſerlichen in den Gewäſſern von Amalfi eine Niederlage bei. In England berechnete man bereits die Zeit, wo Neapel ge- fallen, wo alles beendigt ſeyn würde. Ueberhaupt hegte man dort die kühnſten Hoffnungen. Wolſey meinte einmal, man müſſe den Papſt vermögen, den Kaiſer wegen der ſchweren Beleidigungen, die er von ihm erfahren habe, geradezu ab- zuſetzen. Er möge nur erklären, daß den Churfürſten wie-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/40>, abgerufen am 19.04.2024.