den mit ihnen zu befinden geglaubt hätte. Man war übereingekommen, daß er sich nach Orvieto begeben solle. Aber er besorgte noch immer, Hugo Moncada, der nach Lannoys Tode Vicekönig von Neapel geworden war, werde sich seiner Person auf dem Wege bemächtigen und ihn nach irgend einer kaiserlichen Festung abführen. 1 Er entschloß sich, in der Nacht vor dem bestimmten Tag durch die Pforte des vaticanischen Gartens verkleidet zu entfliehen. So kam er nach Orvieto 10 Dezember 1527.
Hier gelangte er nun wohl wieder zu dem Gefühl ei- ner Möglichkeit von Selbstbestimmung, allein so wie er seine Augen erhob, fand er sich doch allenthalben von Ge- fahr umgeben.
Auf der einen Seite sah er sein Land größtentheils in den Händen des Siegers, der ihn mißhandelt hatte. Wäh- rend des Winters ward seine Hauptstadt von den kaiserli- chen Truppen, die noch immer nicht vollständig besoldet worden, erst recht zu Grunde gerichtet.
Auf der andern Seite waren aber auch seine Freunde, welche die Miene angenommen ihn zu beschützen, ihm wider- wärtig und verderblich. Florenz, welches das Haus Medici aufs neue verjagt hatte und eine Republik im Sinne Sa- vonarolas zu gründen versuchte, fand Schutz bei Frankreich. Die Venezianer hatten sich der Städte Ravenna und Cer- via bemächtigt, welche Julius II wieder erworben zu ha- ben, sich zu so hoher Ehre gerechnet.
Clemens fürchtete jetzt die eine wie die andere Partei.
1Jovius Vita Pompeji Columnae 197 f. Guicciardini lib. 18, p. 469.
Fuͤnftes Buch. Erſtes Capitel.
den mit ihnen zu befinden geglaubt hätte. Man war übereingekommen, daß er ſich nach Orvieto begeben ſolle. Aber er beſorgte noch immer, Hugo Moncada, der nach Lannoys Tode Vicekönig von Neapel geworden war, werde ſich ſeiner Perſon auf dem Wege bemächtigen und ihn nach irgend einer kaiſerlichen Feſtung abführen. 1 Er entſchloß ſich, in der Nacht vor dem beſtimmten Tag durch die Pforte des vaticaniſchen Gartens verkleidet zu entfliehen. So kam er nach Orvieto 10 Dezember 1527.
Hier gelangte er nun wohl wieder zu dem Gefühl ei- ner Möglichkeit von Selbſtbeſtimmung, allein ſo wie er ſeine Augen erhob, fand er ſich doch allenthalben von Ge- fahr umgeben.
Auf der einen Seite ſah er ſein Land größtentheils in den Händen des Siegers, der ihn mißhandelt hatte. Wäh- rend des Winters ward ſeine Hauptſtadt von den kaiſerli- chen Truppen, die noch immer nicht vollſtändig beſoldet worden, erſt recht zu Grunde gerichtet.
Auf der andern Seite waren aber auch ſeine Freunde, welche die Miene angenommen ihn zu beſchützen, ihm wider- wärtig und verderblich. Florenz, welches das Haus Medici aufs neue verjagt hatte und eine Republik im Sinne Sa- vonarolas zu gründen verſuchte, fand Schutz bei Frankreich. Die Venezianer hatten ſich der Städte Ravenna und Cer- via bemächtigt, welche Julius II wieder erworben zu ha- ben, ſich zu ſo hoher Ehre gerechnet.
Clemens fürchtete jetzt die eine wie die andere Partei.
1Jovius Vita Pompeji Columnae 197 f. Guicciardini lib. 18, p. 469.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0038"n="22"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Fuͤnftes Buch. Erſtes Capitel</hi>.</fw><lb/>
den mit ihnen zu befinden geglaubt hätte. Man war<lb/>
übereingekommen, daß er ſich nach Orvieto begeben ſolle.<lb/>
Aber er beſorgte noch immer, Hugo Moncada, der nach<lb/>
Lannoys Tode Vicekönig von Neapel geworden war, werde<lb/>ſich ſeiner Perſon auf dem Wege bemächtigen und ihn nach<lb/>
irgend einer kaiſerlichen Feſtung abführen. <noteplace="foot"n="1"><hirendition="#aq">Jovius Vita Pompeji Columnae 197 f. Guicciardini lib.<lb/>
18, p. 469.</hi></note> Er entſchloß<lb/>ſich, in der Nacht vor dem beſtimmten Tag durch die Pforte<lb/>
des vaticaniſchen Gartens verkleidet zu entfliehen. So kam<lb/>
er nach Orvieto 10 Dezember 1527.</p><lb/><p>Hier gelangte er nun wohl wieder zu dem Gefühl ei-<lb/>
ner Möglichkeit von Selbſtbeſtimmung, allein ſo wie er<lb/>ſeine Augen erhob, fand er ſich doch allenthalben von Ge-<lb/>
fahr umgeben.</p><lb/><p>Auf der einen Seite ſah er ſein Land größtentheils in<lb/>
den Händen des Siegers, der ihn mißhandelt hatte. Wäh-<lb/>
rend des Winters ward ſeine Hauptſtadt von den kaiſerli-<lb/>
chen Truppen, die noch immer nicht vollſtändig beſoldet<lb/>
worden, erſt recht zu Grunde gerichtet.</p><lb/><p>Auf der andern Seite waren aber auch ſeine Freunde,<lb/>
welche die Miene angenommen ihn zu beſchützen, ihm wider-<lb/>
wärtig und verderblich. Florenz, welches das Haus Medici<lb/>
aufs neue verjagt hatte und eine Republik im Sinne Sa-<lb/>
vonarolas zu gründen verſuchte, fand Schutz bei Frankreich.<lb/>
Die Venezianer hatten ſich der Städte Ravenna und Cer-<lb/>
via bemächtigt, welche Julius <hirendition="#aq">II</hi> wieder erworben zu ha-<lb/>
ben, ſich zu ſo hoher Ehre gerechnet.</p><lb/><p>Clemens fürchtete jetzt die eine wie die andere Partei.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[22/0038]
Fuͤnftes Buch. Erſtes Capitel.
den mit ihnen zu befinden geglaubt hätte. Man war
übereingekommen, daß er ſich nach Orvieto begeben ſolle.
Aber er beſorgte noch immer, Hugo Moncada, der nach
Lannoys Tode Vicekönig von Neapel geworden war, werde
ſich ſeiner Perſon auf dem Wege bemächtigen und ihn nach
irgend einer kaiſerlichen Feſtung abführen. 1 Er entſchloß
ſich, in der Nacht vor dem beſtimmten Tag durch die Pforte
des vaticaniſchen Gartens verkleidet zu entfliehen. So kam
er nach Orvieto 10 Dezember 1527.
Hier gelangte er nun wohl wieder zu dem Gefühl ei-
ner Möglichkeit von Selbſtbeſtimmung, allein ſo wie er
ſeine Augen erhob, fand er ſich doch allenthalben von Ge-
fahr umgeben.
Auf der einen Seite ſah er ſein Land größtentheils in
den Händen des Siegers, der ihn mißhandelt hatte. Wäh-
rend des Winters ward ſeine Hauptſtadt von den kaiſerli-
chen Truppen, die noch immer nicht vollſtändig beſoldet
worden, erſt recht zu Grunde gerichtet.
Auf der andern Seite waren aber auch ſeine Freunde,
welche die Miene angenommen ihn zu beſchützen, ihm wider-
wärtig und verderblich. Florenz, welches das Haus Medici
aufs neue verjagt hatte und eine Republik im Sinne Sa-
vonarolas zu gründen verſuchte, fand Schutz bei Frankreich.
Die Venezianer hatten ſich der Städte Ravenna und Cer-
via bemächtigt, welche Julius II wieder erworben zu ha-
ben, ſich zu ſo hoher Ehre gerechnet.
Clemens fürchtete jetzt die eine wie die andere Partei.
1 Jovius Vita Pompeji Columnae 197 f. Guicciardini lib.
18, p. 469.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/38>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.