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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Sechstes Buch. Drittes Capitel.
nisses. Wie merkwürdig, daß Zürich seinen nächsten Ver-
bündeten den Eintritt in das schmalkaldische Bündniß, wie
es wenigstens scheint, so ernstlich vorgeschlagen hat.

Es giebt wohl keinen Zeitpunkt, in welchem die Eid-
genossenschaft wie einer innern Umgestaltung in Folge der
fortschreitenden Kirchenreform, so auch ihrer Wiederverei-
nigung mit Deutschland so nahe gewesen wäre wie damals.
Die beiden Factionen, in welche sie zerfiel, waren von den
entsprechenden Elementem des deutschen Mutterlandes ge-
waltig angezogen. Zwingli meinte, man müsse die Sache
in der Schweiz zu Ende bringen, ehe der Kaiser in Deutsch-
land freie Hand bekomme. Ferdinand fürchtete eine allge-
meine Vereinigung der Evangelischen. In dem ungewöhn-
lich lebhaften Widerstand, den er überall fand, glaubte er
schon die Wirkungen des Selbstvertrauens wahrzunehmen,
das ein solcher Bund ihnen einflöße. 1

Allein die religiöse Differenz verhinderte die Vereini-
gung auch dieß Mal.

Auf der Versammlung zu Frankfurt a. M. im Juni
1531 kam die Sache noch einmal zur Sprache.

Bern und Zürich hatten aufs neue erklärt, die Butze-
rische Formel nicht annehmen zu wollen; nicht weil sie ihnen
unchristlich erscheine, sondern weil sie zu dunkel sey und
leicht zu gefährlichen Mißverständnissen Anlaß geben könne. 2


1 Es cierto que se haran todos unos y peores que nunca
por las fuercas y ventaja que de dia en dia van cobrando los que
siguen estas sectas Prina
27. März 1531.
2 Briefwechsei zwischen Bern, Basel und Zürich bei Escher
und Hottinger Archiv II, p. 290. Basel besteht darauf, Butzers Er-
klärung sey "also luter, das sie mit irem (der Gegner) natürlichen lyb-
lichen substanzlichen oder wesentlichen Lyb gar keine Gemeinschaft hat."

Sechstes Buch. Drittes Capitel.
niſſes. Wie merkwürdig, daß Zürich ſeinen nächſten Ver-
bündeten den Eintritt in das ſchmalkaldiſche Bündniß, wie
es wenigſtens ſcheint, ſo ernſtlich vorgeſchlagen hat.

Es giebt wohl keinen Zeitpunkt, in welchem die Eid-
genoſſenſchaft wie einer innern Umgeſtaltung in Folge der
fortſchreitenden Kirchenreform, ſo auch ihrer Wiederverei-
nigung mit Deutſchland ſo nahe geweſen wäre wie damals.
Die beiden Factionen, in welche ſie zerfiel, waren von den
entſprechenden Elementem des deutſchen Mutterlandes ge-
waltig angezogen. Zwingli meinte, man müſſe die Sache
in der Schweiz zu Ende bringen, ehe der Kaiſer in Deutſch-
land freie Hand bekomme. Ferdinand fürchtete eine allge-
meine Vereinigung der Evangeliſchen. In dem ungewöhn-
lich lebhaften Widerſtand, den er überall fand, glaubte er
ſchon die Wirkungen des Selbſtvertrauens wahrzunehmen,
das ein ſolcher Bund ihnen einflöße. 1

Allein die religiöſe Differenz verhinderte die Vereini-
gung auch dieß Mal.

Auf der Verſammlung zu Frankfurt a. M. im Juni
1531 kam die Sache noch einmal zur Sprache.

Bern und Zürich hatten aufs neue erklärt, die Butze-
riſche Formel nicht annehmen zu wollen; nicht weil ſie ihnen
unchriſtlich erſcheine, ſondern weil ſie zu dunkel ſey und
leicht zu gefährlichen Mißverſtändniſſen Anlaß geben könne. 2


1 Es cierto que se haran todos unos y peores que nunca
por las fuerças y ventaja que de dia en dia van cobrando los que
siguen estas sectas Prina
27. Maͤrz 1531.
2 Briefwechſei zwiſchen Bern, Baſel und Zuͤrich bei Eſcher
und Hottinger Archiv II, p. 290. Baſel beſteht darauf, Butzers Er-
klaͤrung ſey „alſo luter, das ſie mit irem (der Gegner) natuͤrlichen lyb-
lichen ſubſtanzlichen oder weſentlichen Lyb gar keine Gemeinſchaft hat.“
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[350/0366] Sechstes Buch. Drittes Capitel. niſſes. Wie merkwürdig, daß Zürich ſeinen nächſten Ver- bündeten den Eintritt in das ſchmalkaldiſche Bündniß, wie es wenigſtens ſcheint, ſo ernſtlich vorgeſchlagen hat. Es giebt wohl keinen Zeitpunkt, in welchem die Eid- genoſſenſchaft wie einer innern Umgeſtaltung in Folge der fortſchreitenden Kirchenreform, ſo auch ihrer Wiederverei- nigung mit Deutſchland ſo nahe geweſen wäre wie damals. Die beiden Factionen, in welche ſie zerfiel, waren von den entſprechenden Elementem des deutſchen Mutterlandes ge- waltig angezogen. Zwingli meinte, man müſſe die Sache in der Schweiz zu Ende bringen, ehe der Kaiſer in Deutſch- land freie Hand bekomme. Ferdinand fürchtete eine allge- meine Vereinigung der Evangeliſchen. In dem ungewöhn- lich lebhaften Widerſtand, den er überall fand, glaubte er ſchon die Wirkungen des Selbſtvertrauens wahrzunehmen, das ein ſolcher Bund ihnen einflöße. 1 Allein die religiöſe Differenz verhinderte die Vereini- gung auch dieß Mal. Auf der Verſammlung zu Frankfurt a. M. im Juni 1531 kam die Sache noch einmal zur Sprache. Bern und Zürich hatten aufs neue erklärt, die Butze- riſche Formel nicht annehmen zu wollen; nicht weil ſie ihnen unchriſtlich erſcheine, ſondern weil ſie zu dunkel ſey und leicht zu gefährlichen Mißverſtändniſſen Anlaß geben könne. 2 1 Es cierto que se haran todos unos y peores que nunca por las fuerças y ventaja que de dia en dia van cobrando los que siguen estas sectas Prina 27. Maͤrz 1531. 2 Briefwechſei zwiſchen Bern, Baſel und Zuͤrich bei Eſcher und Hottinger Archiv II, p. 290. Baſel beſteht darauf, Butzers Er- klaͤrung ſey „alſo luter, das ſie mit irem (der Gegner) natuͤrlichen lyb- lichen ſubſtanzlichen oder weſentlichen Lyb gar keine Gemeinſchaft hat.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/366>, abgerufen am 24.11.2024.