des obersten Priesters in Spanien keinen günstigen Eindruck machte. Die Großen des Reiches, die sich am Hofe be- fanden, sowohl weltlichen wie geistlichen Standes, nahmen Gelegenheit, mit dem Kaiser darüber zu sprechen, ihn an die Ergebenheit der spanischen Nation gegen den römischen Stuhl zu erinnern. Der Nuntius durfte den Gedanken hegen, die kirchlichen Functionen in Spanien einstellen zu lassen; die Prälaten sollten in Trauer gekleidet vor dem Kaiser erscheinen, um den Vicarius Christi von ihm zu fordern. Es gehörte ein unmittelbares Einschreiten des Hofes dazu, um eine Manifestation so auffallender Art zu verhindern. 1
Unter diesen Umständen konnte der kaiserliche Staats- rath nicht mehr so schlechtweg bei jenen ersten Instructio- nen stehen bleiben. Gattinara meinte, man dürfe den Papst nicht gefangen halten, wenn man anders in ihm den wahren Papst sehe. De Praet machte darauf aufmerk- sam, daß man die in Rom liegenden Truppen zur Verthei- digung des Königreichs Neapel brauche, und sie nur dann wegführen könne, wenn man den Papst befreit habe. Er rieth die Ausführung der Instruction durch den vielbedeu- tenden Zusatz: so viel als thunlich, zu ermäßigen. Der Staatsrath beschloß, daß der Papst auf jeden Fall befreit werden müsse. 2
In diesem Sinne ward nun auch bereits durch den Franciscaner-General degli Angeli mit dem Papst verhan- delt. Unglücklicherweise besitzen wir keine nähere Nachricht
1Castiglione 10. Dez. 1527, bei Pallavicini lib. II, c. 14.
2 Notiz bei Bucholz III, p. 119.
Fuͤnftes Buch. Erſtes Capitel.
des oberſten Prieſters in Spanien keinen günſtigen Eindruck machte. Die Großen des Reiches, die ſich am Hofe be- fanden, ſowohl weltlichen wie geiſtlichen Standes, nahmen Gelegenheit, mit dem Kaiſer darüber zu ſprechen, ihn an die Ergebenheit der ſpaniſchen Nation gegen den römiſchen Stuhl zu erinnern. Der Nuntius durfte den Gedanken hegen, die kirchlichen Functionen in Spanien einſtellen zu laſſen; die Prälaten ſollten in Trauer gekleidet vor dem Kaiſer erſcheinen, um den Vicarius Chriſti von ihm zu fordern. Es gehörte ein unmittelbares Einſchreiten des Hofes dazu, um eine Manifeſtation ſo auffallender Art zu verhindern. 1
Unter dieſen Umſtänden konnte der kaiſerliche Staats- rath nicht mehr ſo ſchlechtweg bei jenen erſten Inſtructio- nen ſtehen bleiben. Gattinara meinte, man dürfe den Papſt nicht gefangen halten, wenn man anders in ihm den wahren Papſt ſehe. De Praet machte darauf aufmerk- ſam, daß man die in Rom liegenden Truppen zur Verthei- digung des Königreichs Neapel brauche, und ſie nur dann wegführen könne, wenn man den Papſt befreit habe. Er rieth die Ausführung der Inſtruction durch den vielbedeu- tenden Zuſatz: ſo viel als thunlich, zu ermäßigen. Der Staatsrath beſchloß, daß der Papſt auf jeden Fall befreit werden müſſe. 2
In dieſem Sinne ward nun auch bereits durch den Franciscaner-General degli Angeli mit dem Papſt verhan- delt. Unglücklicherweiſe beſitzen wir keine nähere Nachricht
1Castiglione 10. Dez. 1527, bei Pallavicini lib. II, c. 14.
2 Notiz bei Bucholz III, p. 119.
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[20/0036]
Fuͤnftes Buch. Erſtes Capitel.
des oberſten Prieſters in Spanien keinen günſtigen Eindruck
machte. Die Großen des Reiches, die ſich am Hofe be-
fanden, ſowohl weltlichen wie geiſtlichen Standes, nahmen
Gelegenheit, mit dem Kaiſer darüber zu ſprechen, ihn an
die Ergebenheit der ſpaniſchen Nation gegen den römiſchen
Stuhl zu erinnern. Der Nuntius durfte den Gedanken
hegen, die kirchlichen Functionen in Spanien einſtellen zu
laſſen; die Prälaten ſollten in Trauer gekleidet vor dem
Kaiſer erſcheinen, um den Vicarius Chriſti von ihm zu
fordern. Es gehörte ein unmittelbares Einſchreiten des
Hofes dazu, um eine Manifeſtation ſo auffallender Art
zu verhindern. 1
Unter dieſen Umſtänden konnte der kaiſerliche Staats-
rath nicht mehr ſo ſchlechtweg bei jenen erſten Inſtructio-
nen ſtehen bleiben. Gattinara meinte, man dürfe den
Papſt nicht gefangen halten, wenn man anders in ihm
den wahren Papſt ſehe. De Praet machte darauf aufmerk-
ſam, daß man die in Rom liegenden Truppen zur Verthei-
digung des Königreichs Neapel brauche, und ſie nur dann
wegführen könne, wenn man den Papſt befreit habe. Er
rieth die Ausführung der Inſtruction durch den vielbedeu-
tenden Zuſatz: ſo viel als thunlich, zu ermäßigen. Der
Staatsrath beſchloß, daß der Papſt auf jeden Fall befreit
werden müſſe. 2
In dieſem Sinne ward nun auch bereits durch den
Franciscaner-General degli Angeli mit dem Papſt verhan-
delt. Unglücklicherweiſe beſitzen wir keine nähere Nachricht
1 Castiglione 10. Dez. 1527, bei Pallavicini lib. II, c. 14.
2 Notiz bei Bucholz III, p. 119.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/36>, abgerufen am 21.11.2024.
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