wir sie vom eidgenössischen Standpunkt aus betrachten, im Grunde durchaus falsch; jener erfolglose Einfall ins berne- rische Gebiet nicht minder, als der Bund mit Ferdinand. Sie liefen wider das Bestehen und die Idee der gesamm- ten Eidgenossenschaft. Zu dem glücklichen Fortgang, in welchem die Bürgerstädte vermöge der siegreichen Lehre, die sie verfochten, begriffen waren, kam noch die Macht des vaterländischen Interesses und ein unläugbares Recht.
Auf keinen Fall war nun an weiteren Frieden in der Eidgenossenschaft zu denken. Die Gesandten der Bürger- städte, welche sich in das hohe Land begaben, um die al- ten Bundesbrüder von dieser Vereinigung abzumahnen, fan- den da wohl ihre Wappen an dem Galgen angeschlagen, sie sahen sich als Ketzer und Verräther behandelt; ihnen zum Trotz verhing man gegen die Abgewichenen die furchtbarsten Strafen. Auch die Reformirten der innern Schweiz haben ihre Märtyrer; ein Prediger aus dem Züricher Gebiet, Ja- cob Keyser, der von Zeit zu Zeit nach Gaster ging, um auch da eine evangelische Kirche zu versehen, ward auf diesem Weg, auf freier Reichsstraße, in dem Eschibacher Holz aufgegrif- fen und nach Schwytz geschleppt. Die Schwytzer hatten damals Gaster gar nicht zu belandvogten. Wäre dieß auch der Fall gewesen, so hätte die Sache doch vor die Utzna- cher Gerichte gehört. Nichts desto minder verdammte die Landsgemeinde den armen unschuldigen Mann zum Tode im Feuer, den er standhaft erlitt. 1
Da hielt nun aber auch Zürich nicht länger an sich. Als im Juni 1529 ein neuer Vogt von Unterwalden in
1 Bullinger Ref. Gesch. II, p. 148. Eidgenössische schweize- rische Märtyrer. Misc. Tig. II, p. 35 (unbedeutend).
Sechstes Buch. Zweites Capitel.
wir ſie vom eidgenöſſiſchen Standpunkt aus betrachten, im Grunde durchaus falſch; jener erfolgloſe Einfall ins berne- riſche Gebiet nicht minder, als der Bund mit Ferdinand. Sie liefen wider das Beſtehen und die Idee der geſamm- ten Eidgenoſſenſchaft. Zu dem glücklichen Fortgang, in welchem die Bürgerſtädte vermöge der ſiegreichen Lehre, die ſie verfochten, begriffen waren, kam noch die Macht des vaterländiſchen Intereſſes und ein unläugbares Recht.
Auf keinen Fall war nun an weiteren Frieden in der Eidgenoſſenſchaft zu denken. Die Geſandten der Bürger- ſtädte, welche ſich in das hohe Land begaben, um die al- ten Bundesbrüder von dieſer Vereinigung abzumahnen, fan- den da wohl ihre Wappen an dem Galgen angeſchlagen, ſie ſahen ſich als Ketzer und Verräther behandelt; ihnen zum Trotz verhing man gegen die Abgewichenen die furchtbarſten Strafen. Auch die Reformirten der innern Schweiz haben ihre Märtyrer; ein Prediger aus dem Züricher Gebiet, Ja- cob Keyſer, der von Zeit zu Zeit nach Gaſter ging, um auch da eine evangeliſche Kirche zu verſehen, ward auf dieſem Weg, auf freier Reichsſtraße, in dem Eſchibacher Holz aufgegrif- fen und nach Schwytz geſchleppt. Die Schwytzer hatten damals Gaſter gar nicht zu belandvogten. Wäre dieß auch der Fall geweſen, ſo hätte die Sache doch vor die Utzna- cher Gerichte gehört. Nichts deſto minder verdammte die Landsgemeinde den armen unſchuldigen Mann zum Tode im Feuer, den er ſtandhaft erlitt. 1
Da hielt nun aber auch Zürich nicht länger an ſich. Als im Juni 1529 ein neuer Vogt von Unterwalden in
1 Bullinger Ref. Geſch. II, p. 148. Eidgenoͤſſiſche ſchweize- riſche Maͤrtyrer. Misc. Tig. II, p. 35 (unbedeutend).
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Sechstes Buch. Zweites Capitel.
wir ſie vom eidgenöſſiſchen Standpunkt aus betrachten, im
Grunde durchaus falſch; jener erfolgloſe Einfall ins berne-
riſche Gebiet nicht minder, als der Bund mit Ferdinand.
Sie liefen wider das Beſtehen und die Idee der geſamm-
ten Eidgenoſſenſchaft. Zu dem glücklichen Fortgang, in
welchem die Bürgerſtädte vermöge der ſiegreichen Lehre, die
ſie verfochten, begriffen waren, kam noch die Macht des
vaterländiſchen Intereſſes und ein unläugbares Recht.
Auf keinen Fall war nun an weiteren Frieden in der
Eidgenoſſenſchaft zu denken. Die Geſandten der Bürger-
ſtädte, welche ſich in das hohe Land begaben, um die al-
ten Bundesbrüder von dieſer Vereinigung abzumahnen, fan-
den da wohl ihre Wappen an dem Galgen angeſchlagen, ſie
ſahen ſich als Ketzer und Verräther behandelt; ihnen zum
Trotz verhing man gegen die Abgewichenen die furchtbarſten
Strafen. Auch die Reformirten der innern Schweiz haben
ihre Märtyrer; ein Prediger aus dem Züricher Gebiet, Ja-
cob Keyſer, der von Zeit zu Zeit nach Gaſter ging, um auch
da eine evangeliſche Kirche zu verſehen, ward auf dieſem Weg,
auf freier Reichsſtraße, in dem Eſchibacher Holz aufgegrif-
fen und nach Schwytz geſchleppt. Die Schwytzer hatten
damals Gaſter gar nicht zu belandvogten. Wäre dieß auch
der Fall geweſen, ſo hätte die Sache doch vor die Utzna-
cher Gerichte gehört. Nichts deſto minder verdammte die
Landsgemeinde den armen unſchuldigen Mann zum Tode im
Feuer, den er ſtandhaft erlitt. 1
Da hielt nun aber auch Zürich nicht länger an ſich.
Als im Juni 1529 ein neuer Vogt von Unterwalden in
1 Bullinger Ref. Geſch. II, p. 148. Eidgenoͤſſiſche ſchweize-
riſche Maͤrtyrer. Misc. Tig. II, p. 35 (unbedeutend).
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/344>, abgerufen am 22.11.2024.
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