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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Bund zwischen England und Frankreich.
Streitigkeiten zwischen den beiden Reichen. Wolsey, der
zu Amiens erschienen war, gab in seines Königs Na-
men alle Ansprüche desselben auf die französische Krone
auf. Als Entschädigung wurde eine Geldzahlung festge-
setzt, welche dem König Heinrich und allen Nachfolgern
desselben zu leisten sey, "ohne Unterlaß, bis zu dem Ab-
lauf der Jahre, welche die göttliche Vorsicht dem mensch-
lichen Geschlecht gesetzt hat." Früher hatten sie ihren An-
griff vornehmlich gegen die Niederlande zu richten gedacht;
jetzt kamen sie überein, alle ihre Kräfte nach Italien zu
wenden. Heinrich ließ sich geneigt finden, Hülfsgelder zu
zahlen; er hoffte durch eine immerwährende Pension, die
dem Herzogthum Mailand aufzulegen sey, reichlich dafür
entschädigt zu werden. Vorschläge die der Kaiser in die-
sem Augenblick machte, so billig sie lauteten, wurden zu-
rückgewiesen. Im August 1527 erschien ein neues fran-
zösisches Heer unter Lautrec in Italien, nahm Bosco, Ales-
sandria und das feste Pavia, an dem jetzt der Widerstand
grausam gerächt wurde, den es vor dritthalb Jahren ge-
leistet: im October 1527 überschritt Lautrec den Po; er
wollte nur noch einige Verstärkungen abwarten, um als-
dann in den Kirchenstaat vorzudringen. 1

Es wäre schon an und für sich dem Kaiser sehr un-
angenehm gewesen, wenn der Papst, mit ihm noch unver-

arbitrium facit captivus, etiamsi verbis diversissimum profiteatur.
Traite d'Amiens 18 Aoaut
bei Dumont IV, 1, 494.
1 Schreiben von Angerer 5. Nov. in Hormayrs Archiv 1812,
456. "Wir lassen uns mit Worten aufhalten und die Liga prose-
quirt ihren Sieg. -- -- Hab warlich keine Hofnung oder Herz mehr."
Ein Schreiben Leiva's vom 23. October zeigt jedoch, daß der das
Herz nicht verloren hatte.

Bund zwiſchen England und Frankreich.
Streitigkeiten zwiſchen den beiden Reichen. Wolſey, der
zu Amiens erſchienen war, gab in ſeines Königs Na-
men alle Anſprüche deſſelben auf die franzöſiſche Krone
auf. Als Entſchädigung wurde eine Geldzahlung feſtge-
ſetzt, welche dem König Heinrich und allen Nachfolgern
deſſelben zu leiſten ſey, „ohne Unterlaß, bis zu dem Ab-
lauf der Jahre, welche die göttliche Vorſicht dem menſch-
lichen Geſchlecht geſetzt hat.“ Früher hatten ſie ihren An-
griff vornehmlich gegen die Niederlande zu richten gedacht;
jetzt kamen ſie überein, alle ihre Kräfte nach Italien zu
wenden. Heinrich ließ ſich geneigt finden, Hülfsgelder zu
zahlen; er hoffte durch eine immerwährende Penſion, die
dem Herzogthum Mailand aufzulegen ſey, reichlich dafür
entſchädigt zu werden. Vorſchläge die der Kaiſer in die-
ſem Augenblick machte, ſo billig ſie lauteten, wurden zu-
rückgewieſen. Im Auguſt 1527 erſchien ein neues fran-
zöſiſches Heer unter Lautrec in Italien, nahm Bosco, Aleſ-
ſandria und das feſte Pavia, an dem jetzt der Widerſtand
grauſam gerächt wurde, den es vor dritthalb Jahren ge-
leiſtet: im October 1527 überſchritt Lautrec den Po; er
wollte nur noch einige Verſtärkungen abwarten, um als-
dann in den Kirchenſtaat vorzudringen. 1

Es wäre ſchon an und für ſich dem Kaiſer ſehr un-
angenehm geweſen, wenn der Papſt, mit ihm noch unver-

arbitrium facit captivus, etiamsi verbis diversissimum profiteatur.
Traité d’Amiens 18 Août
bei Dumont IV, 1, 494.
1 Schreiben von Angerer 5. Nov. in Hormayrs Archiv 1812,
456. „Wir laſſen uns mit Worten aufhalten und die Liga proſe-
quirt ihren Sieg. — — Hab warlich keine Hofnung oder Herz mehr.“
Ein Schreiben Leiva’s vom 23. October zeigt jedoch, daß der das
Herz nicht verloren hatte.
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[15/0031] Bund zwiſchen England und Frankreich. Streitigkeiten zwiſchen den beiden Reichen. Wolſey, der zu Amiens erſchienen war, gab in ſeines Königs Na- men alle Anſprüche deſſelben auf die franzöſiſche Krone auf. Als Entſchädigung wurde eine Geldzahlung feſtge- ſetzt, welche dem König Heinrich und allen Nachfolgern deſſelben zu leiſten ſey, „ohne Unterlaß, bis zu dem Ab- lauf der Jahre, welche die göttliche Vorſicht dem menſch- lichen Geſchlecht geſetzt hat.“ Früher hatten ſie ihren An- griff vornehmlich gegen die Niederlande zu richten gedacht; jetzt kamen ſie überein, alle ihre Kräfte nach Italien zu wenden. Heinrich ließ ſich geneigt finden, Hülfsgelder zu zahlen; er hoffte durch eine immerwährende Penſion, die dem Herzogthum Mailand aufzulegen ſey, reichlich dafür entſchädigt zu werden. Vorſchläge die der Kaiſer in die- ſem Augenblick machte, ſo billig ſie lauteten, wurden zu- rückgewieſen. Im Auguſt 1527 erſchien ein neues fran- zöſiſches Heer unter Lautrec in Italien, nahm Bosco, Aleſ- ſandria und das feſte Pavia, an dem jetzt der Widerſtand grauſam gerächt wurde, den es vor dritthalb Jahren ge- leiſtet: im October 1527 überſchritt Lautrec den Po; er wollte nur noch einige Verſtärkungen abwarten, um als- dann in den Kirchenſtaat vorzudringen. 1 Es wäre ſchon an und für ſich dem Kaiſer ſehr un- angenehm geweſen, wenn der Papſt, mit ihm noch unver- 3 1 Schreiben von Angerer 5. Nov. in Hormayrs Archiv 1812, 456. „Wir laſſen uns mit Worten aufhalten und die Liga proſe- quirt ihren Sieg. — — Hab warlich keine Hofnung oder Herz mehr.“ Ein Schreiben Leiva’s vom 23. October zeigt jedoch, daß der das Herz nicht verloren hatte. 3 arbitrium facit captivus, etiamsi verbis diversissimum profiteatur. Traité d’Amiens 18 Août bei Dumont IV, 1, 494.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/31>, abgerufen am 24.04.2024.