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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Fünftes Buch. Erstes Capitel.
gen sich darin den Kaiser durch gemeinschaftliche Gesandte
zur Herausgabe der französischen Prinzen unter annehm-
baren Bedingungen und zur Befriedigung der englischen
Geldansprüche aufzufordern, und wenn er ihrem Vorschlage
kein Gehör gebe ihm ohne Verzug den Krieg anzukündi-
gen. 1 Wie viel mehr aber mußte nun ihr Kriegseifer
durch die Eroberung von Rom entflammt werden. Hein-
rich VIII sagt in der Vollmacht zu neuen Tractaten, die
er dem Cardinal Wolsey ertheilt: die Sache des heiligen
Stuhles sey eine gemeinschaftliche aller Fürsten; nie sey
aber demselben eine größere Schmach zugefügt worden als
jetzt; und da diese nun von keiner Art von Beleidigung
veranlaßt sey, sondern lediglich in ungezähmter Herrschsucht
ihren Grund habe, so müsse man solchem seiner selbst nicht
mächtigen Ehrgeiz bei Zeiten mit gemeinschaftlichen Kräf-
ten begegnen. 2 Seine erste Idee war, daß die noch freien
Cardinäle sich in Avignon versammeln möchten, wo auch
Wolsey erscheinen werde; er rieth gleichsam einen neuen
Mittelpunct für die Kirche zu erschaffen. Da aber die
Cardinäle nicht darauf eingingen, so versprachen einander
wenigstens die beiden Könige, in keine Ankündigung eines
Conciliums zu willigen, so lange der Papst nicht frei sey;
sich überhaupt jeder im Interesse des Kaisers versuchten
Anwendung der kirchlichen Gewalt gemeinschaftlich zu wi-
dersetzen. 3 Jetzt endlich beseitigten sie definitiv die alten

1 Traite de Westminster 30 April 1527 Du Mont IV, 1, 476.
2 Ad tractandum super quocumque foedere pro resarcienda
romanae sedis dignitate commissio regis
bei Rymer VI, II, p. 80.
3 Praesertim cum juris naturalis aequitate pensata non
proprie a summo pontifice factum dici possit, quod ad aliorum

Fuͤnftes Buch. Erſtes Capitel.
gen ſich darin den Kaiſer durch gemeinſchaftliche Geſandte
zur Herausgabe der franzöſiſchen Prinzen unter annehm-
baren Bedingungen und zur Befriedigung der engliſchen
Geldanſprüche aufzufordern, und wenn er ihrem Vorſchlage
kein Gehör gebe ihm ohne Verzug den Krieg anzukündi-
gen. 1 Wie viel mehr aber mußte nun ihr Kriegseifer
durch die Eroberung von Rom entflammt werden. Hein-
rich VIII ſagt in der Vollmacht zu neuen Tractaten, die
er dem Cardinal Wolſey ertheilt: die Sache des heiligen
Stuhles ſey eine gemeinſchaftliche aller Fürſten; nie ſey
aber demſelben eine größere Schmach zugefügt worden als
jetzt; und da dieſe nun von keiner Art von Beleidigung
veranlaßt ſey, ſondern lediglich in ungezähmter Herrſchſucht
ihren Grund habe, ſo müſſe man ſolchem ſeiner ſelbſt nicht
mächtigen Ehrgeiz bei Zeiten mit gemeinſchaftlichen Kräf-
ten begegnen. 2 Seine erſte Idee war, daß die noch freien
Cardinäle ſich in Avignon verſammeln möchten, wo auch
Wolſey erſcheinen werde; er rieth gleichſam einen neuen
Mittelpunct für die Kirche zu erſchaffen. Da aber die
Cardinäle nicht darauf eingingen, ſo verſprachen einander
wenigſtens die beiden Könige, in keine Ankündigung eines
Conciliums zu willigen, ſo lange der Papſt nicht frei ſey;
ſich überhaupt jeder im Intereſſe des Kaiſers verſuchten
Anwendung der kirchlichen Gewalt gemeinſchaftlich zu wi-
derſetzen. 3 Jetzt endlich beſeitigten ſie definitiv die alten

1 Traité de Westminster 30 April 1527 Du Mont IV, 1, 476.
2 Ad tractandum super quocumque foedere pro resarcienda
romanae sedis dignitate commissio regis
bei Rymer VI, II, p. 80.
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proprie a summo pontifice factum dici possit, quod ad aliorum
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[14/0030] Fuͤnftes Buch. Erſtes Capitel. gen ſich darin den Kaiſer durch gemeinſchaftliche Geſandte zur Herausgabe der franzöſiſchen Prinzen unter annehm- baren Bedingungen und zur Befriedigung der engliſchen Geldanſprüche aufzufordern, und wenn er ihrem Vorſchlage kein Gehör gebe ihm ohne Verzug den Krieg anzukündi- gen. 1 Wie viel mehr aber mußte nun ihr Kriegseifer durch die Eroberung von Rom entflammt werden. Hein- rich VIII ſagt in der Vollmacht zu neuen Tractaten, die er dem Cardinal Wolſey ertheilt: die Sache des heiligen Stuhles ſey eine gemeinſchaftliche aller Fürſten; nie ſey aber demſelben eine größere Schmach zugefügt worden als jetzt; und da dieſe nun von keiner Art von Beleidigung veranlaßt ſey, ſondern lediglich in ungezähmter Herrſchſucht ihren Grund habe, ſo müſſe man ſolchem ſeiner ſelbſt nicht mächtigen Ehrgeiz bei Zeiten mit gemeinſchaftlichen Kräf- ten begegnen. 2 Seine erſte Idee war, daß die noch freien Cardinäle ſich in Avignon verſammeln möchten, wo auch Wolſey erſcheinen werde; er rieth gleichſam einen neuen Mittelpunct für die Kirche zu erſchaffen. Da aber die Cardinäle nicht darauf eingingen, ſo verſprachen einander wenigſtens die beiden Könige, in keine Ankündigung eines Conciliums zu willigen, ſo lange der Papſt nicht frei ſey; ſich überhaupt jeder im Intereſſe des Kaiſers verſuchten Anwendung der kirchlichen Gewalt gemeinſchaftlich zu wi- derſetzen. 3 Jetzt endlich beſeitigten ſie definitiv die alten 1 Traité de Westminster 30 April 1527 Du Mont IV, 1, 476. 2 Ad tractandum super quocumque foedere pro resarcienda romanae sedis dignitate commissio regis bei Rymer VI, II, p. 80. 3 Praesertim cum juris naturalis aequitate pensata non proprie a summo pontifice factum dici possit, quod ad aliorum

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/30>, abgerufen am 23.04.2024.