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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Fünftes Buch. Achtes Capitel.
anders Christus noch Christus sey: sie weise nur auf Chri-
stum: er habe sie selber an sich erprobt. Ohne hierauf ernst-
lich einzugehn, hielt ihm der Churfürst hauptsächlich entge-
gen, daß der Kaiser alles in den vorigen Stand zu setzen ent-
schlossen sey. Der Markgraf erwiederte, der Kaiser möge ab-
schaffen was er wolle, er müsse es geschehen lassen, doch
werde er nicht dazu helfen. Der Churfürst fragte, ob der
Markgraf auch bedenke, was ihm auf dem Spiele stehe; die-
ser versetzte: "man sagt, ich soll aus dem Lande verjagt
werden: ich muß es Gott befehlen." 1

Nur von geringer Macht war Fürst Wolfgang von
Anhalt. Ganz angemessen ließ er sich vernehmen: er habe
für gute Freunde und Herrn gar manchen Ritt gethan;
sein Herr Christus verdiene wohl auch, daß er etwas für
ihn wage. Herr Doctor, sagte er zu Eck, denkt ihr auf
Krieg, so werdet ihr diesseit auch Leute finden. 2

Und wie hätte sich, zumal bei dieser Stimmung der Ue-
brigen, der muthvolle Landgraf etwas abgewinnen lassen sol-
len? Der hessische Chronist Lauze erzählt, nach der Uebergabe
der Confession habe man den Landgrafen auf den hohen Berg
geführt, und ihm die Güter der Welt gezeigt, -- d. i. ihn
Begünstigungen in der Nassauischen und der Würtember-
gischen Sache hoffen lassen, aber er habe alles abgelehnt. 3
Eines Tages hörte er, der Kaiser wolle ihn zur Rede stel-
len; allezeit fertig wie er war, säumte er nicht selbst nach
Hofe zu gehn, und den Kaiser zu ersuchen, ihm die Punkte
nahmhaft zu machen, wegen deren er ungehalten sey. Der

1 Gleichzeitige Aufzeichnung über diese Verhandlungen a. a. O. 630.
2 Beckmann Anh. Chronik II, V, 142.
3 Schreiben der nürnbergischen Gesandten C. R. II, 167.

Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel.
anders Chriſtus noch Chriſtus ſey: ſie weiſe nur auf Chri-
ſtum: er habe ſie ſelber an ſich erprobt. Ohne hierauf ernſt-
lich einzugehn, hielt ihm der Churfürſt hauptſächlich entge-
gen, daß der Kaiſer alles in den vorigen Stand zu ſetzen ent-
ſchloſſen ſey. Der Markgraf erwiederte, der Kaiſer möge ab-
ſchaffen was er wolle, er müſſe es geſchehen laſſen, doch
werde er nicht dazu helfen. Der Churfürſt fragte, ob der
Markgraf auch bedenke, was ihm auf dem Spiele ſtehe; die-
ſer verſetzte: „man ſagt, ich ſoll aus dem Lande verjagt
werden: ich muß es Gott befehlen.“ 1

Nur von geringer Macht war Fürſt Wolfgang von
Anhalt. Ganz angemeſſen ließ er ſich vernehmen: er habe
für gute Freunde und Herrn gar manchen Ritt gethan;
ſein Herr Chriſtus verdiene wohl auch, daß er etwas für
ihn wage. Herr Doctor, ſagte er zu Eck, denkt ihr auf
Krieg, ſo werdet ihr dieſſeit auch Leute finden. 2

Und wie hätte ſich, zumal bei dieſer Stimmung der Ue-
brigen, der muthvolle Landgraf etwas abgewinnen laſſen ſol-
len? Der heſſiſche Chroniſt Lauze erzählt, nach der Uebergabe
der Confeſſion habe man den Landgrafen auf den hohen Berg
geführt, und ihm die Güter der Welt gezeigt, — d. i. ihn
Begünſtigungen in der Naſſauiſchen und der Würtember-
giſchen Sache hoffen laſſen, aber er habe alles abgelehnt. 3
Eines Tages hörte er, der Kaiſer wolle ihn zur Rede ſtel-
len; allezeit fertig wie er war, ſäumte er nicht ſelbſt nach
Hofe zu gehn, und den Kaiſer zu erſuchen, ihm die Punkte
nahmhaft zu machen, wegen deren er ungehalten ſey. Der

1 Gleichzeitige Aufzeichnung uͤber dieſe Verhandlungen a. a. O. 630.
2 Beckmann Anh. Chronik II, V, 142.
3 Schreiben der nuͤrnbergiſchen Geſandten C. R. II, 167.
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[272/0288] Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel. anders Chriſtus noch Chriſtus ſey: ſie weiſe nur auf Chri- ſtum: er habe ſie ſelber an ſich erprobt. Ohne hierauf ernſt- lich einzugehn, hielt ihm der Churfürſt hauptſächlich entge- gen, daß der Kaiſer alles in den vorigen Stand zu ſetzen ent- ſchloſſen ſey. Der Markgraf erwiederte, der Kaiſer möge ab- ſchaffen was er wolle, er müſſe es geſchehen laſſen, doch werde er nicht dazu helfen. Der Churfürſt fragte, ob der Markgraf auch bedenke, was ihm auf dem Spiele ſtehe; die- ſer verſetzte: „man ſagt, ich ſoll aus dem Lande verjagt werden: ich muß es Gott befehlen.“ 1 Nur von geringer Macht war Fürſt Wolfgang von Anhalt. Ganz angemeſſen ließ er ſich vernehmen: er habe für gute Freunde und Herrn gar manchen Ritt gethan; ſein Herr Chriſtus verdiene wohl auch, daß er etwas für ihn wage. Herr Doctor, ſagte er zu Eck, denkt ihr auf Krieg, ſo werdet ihr dieſſeit auch Leute finden. 2 Und wie hätte ſich, zumal bei dieſer Stimmung der Ue- brigen, der muthvolle Landgraf etwas abgewinnen laſſen ſol- len? Der heſſiſche Chroniſt Lauze erzählt, nach der Uebergabe der Confeſſion habe man den Landgrafen auf den hohen Berg geführt, und ihm die Güter der Welt gezeigt, — d. i. ihn Begünſtigungen in der Naſſauiſchen und der Würtember- giſchen Sache hoffen laſſen, aber er habe alles abgelehnt. 3 Eines Tages hörte er, der Kaiſer wolle ihn zur Rede ſtel- len; allezeit fertig wie er war, ſäumte er nicht ſelbſt nach Hofe zu gehn, und den Kaiſer zu erſuchen, ihm die Punkte nahmhaft zu machen, wegen deren er ungehalten ſey. Der 1 Gleichzeitige Aufzeichnung uͤber dieſe Verhandlungen a. a. O. 630. 2 Beckmann Anh. Chronik II, V, 142. 3 Schreiben der nuͤrnbergiſchen Geſandten C. R. II, 167.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/288>, abgerufen am 24.11.2024.